Für die meisten Pioniere der (britischen) Brüderbewegung waren Militär- und Kriegsdienst mit dem Christsein unvereinbar; wer als Soldat zum Glauben (und zu den „Brüdern“) kam, quittierte in der Regel den Dienst.1 Der britisch-kanadische Pazifismusforscher Peter Brock (1920–2006) stellt das „Friedenszeugnis“ der frühen „Brüder“ denn auch mit dem der Quäker auf eine Stufe; er hält es sogar für möglich, dass der Ausdruck conscientious objection – im Englischen heute der Terminus technicus für „Kriegsdienstverweigerung“ – von einem „Bruder“ geprägt wurde, nämlich 1846 von Sir Charles Brenton (1807–1862).2 Brocks klassischer Artikel “The Peace Testimony of the Early Plymouth Brethren”, zuerst 1984 in der amerikanischen Zeitschrift Church History erschienen, ist seit gestern auf bruederbewegung.de als Download zugänglich. Außer auf Brenton geht Brock darin insbesondere auf Anthony Norris Groves, Georg Müller, John Nelson Darby, Benjamin Wills Newton und Percy Francis Hall ein.
Ein zentrales Motiv für den Pazifismus der „Brüder“ (wenn man ihn überhaupt so nennen darf) bleibt bei Brock allerdings leider unerwähnt: ihr dispensationalistisches Geschichtsbild. Die „Brüder“ waren und sind im Allgemeinen ja keine radikalen Pazifisten, die jede Form des Krieges für böse und verwerflich halten würden (andernfalls müssten sie weite Teile des Alten Testaments und der Prophetie ablehnen), sondern sie sind lediglich der Auffassung, dass Nachfolger Jesu in der gegenwärtigen Zeit der Gnade nicht dazu berufen sind, sich daran zu beteiligen. George Henry Lang (1874–1958) fasst diese Haltung prägnant zusammen:
Therefore we do not with some say that all war is inherently and necessarily wrong, for we recognize that God has ordered wars … We say that all this is not the present business of the associate of the Lord Jesus Christ …3
Wenigstens knapp erläutert wird dieser Zusammenhang zwischen „Brüderpazifismus“ und Dispensationalismus in Elisabeth Wilsons thematisch verwandter Masterarbeit Brethren Attitudes to Authority and Government, with Particular Reference to Pacifism (University of Tasmania, Hobart 1994), S. 38f.