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200. Geburtstag von Carl Brockhaus

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Carl Brockhaus (1822–1899)

Bei allen Reformationen und Erweckungen hat Gott Männer gegeben, die durch seine Kraft Herrliches vollbracht und Großes gewirkt haben. Und wenn später die Kirchengeschichte des jetzigen Jahrhunderts geschrieben werden wird, dann wird gewiß auch der Name Karl Brockhaus genannt werden als der des Mannes, der die herrliche Bewegung für die Wahrheit der Absonderung der Kinder Gottes und ihrer Aufnahme dem Herrn entgegen in die Luft in Deutschland anregte.1

Diese bemerkenswerten Sätze sagte Hermanus Cornelis Voorhoeve im Mai 1899 auf der Beerdigung von Carl Brockhaus. Bemerkenswert sind sie zum einen wegen des Freimuts, dem Verstorbenen einen derartigen Ausnahmerang zuzuerkennen (die „Brüder“-typische Beteuerung „wir sind nicht hierher gekommen, um Menschen zu loben“2 durfte allerdings trotzdem nicht fehlen), zum anderen aber auch wegen der selbstverständlichen Annahme, dass in Zukunft noch einmal eine Kirchengeschichte des 19. Jahrhunderts geschrieben werden würde – ein eigenartiger Kontrast zur unmittelbaren Nah­erwartung der Wiederkunft Jesu, die auch Voorhoeve am Schluss seiner Ansprache deutlich zum Ausdruck brachte:

Bald kommt der Herr Jesus, um alle die Seinigen aufzunehmen in das herrliche Haus des Vaters, wo er eine Stätte für uns bereitet hat. […] Noch wenige Augenblicke, und die Pilgerreise ist beendet und wir genießen ewige Ruhe und ewige Freude bei Jesu.3

123 Jahre später können wir jedenfalls sagen, dass Carl Brockhaus tatsächlich einen Platz in der Kirchengeschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts gefunden hat, wenn auch vor allem in der freikirchlichen und „Brüder“-internen. Er gilt unbestritten als Gründervater der deutschen Brüderbewegung, denn erst seit seiner Reisetätigkeit ab 1853 kann von einer „Bewegung“ im eigentlichen Sinne gesprochen werden – die älteren Gemeindegründungen in Stuttgart und Tübingen blieben lokal begrenzt, und der Arbeit von Julius Anton von Poseck und William Henry Darby im Rheinland fehlten zu größerem Erfolg vielleicht die Volkstümlichkeit und die Kontakte, die Carl Brockhaus vom Evangelischen Brüderverein mitbrachte.

Lebensbilder

Über Carl Brockhaus’ Leben ist bereits so viel geschrieben worden, dass ich hier auf eine eigene Skizze verzichten kann. Leider ist die maßstabsetzende, wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Monografie von Rolf-Edgar Gerlach seit vielen Jahren vergriffen; online liegen immerhin Darstellungen folgender Autoren vor (chronologisch sortiert):

Den frühen Arbeiten von Eylenstein und Meister kommt teilweise der Wert von Primärquellen zu, da sie Auszüge aus den im Zweiten Weltkrieg verlorengegangenen Briefen von Carl Brockhaus zitieren (Eylenstein spricht von allein 195 Briefen an seine Frau aus den Jahren 1852 bis 18954). Es existiert ferner ein brauchbarer, wenn auch knapper Artikel in der deutschsprachigen Wikipedia.

Neue Erkenntnisse

Der FeG-Kirchenhistoriker August Jung räumte um die Jahrtausendwende mit der bis dahin in der Literatur vorherrschenden Ansicht auf, es sei Heinrich Thorens gewesen, der Carl Brockhaus mit den Erkenntnissen John Nelson Darbys bekannt gemacht habe. Nach Jung kommt dieses Verdienst vielmehr Julius Anton von Poseck zu,5 und tatsächlich scheint ein erst später wiederentdecktes Zeugnis Darbys diese Version zu bestätigen. Darby berichtete am 24. November 1853 anlässlich eines „Tea Meetings“ in London:

Unser Bruder Von Poseck kam an einen oder zwei aus diesem Brüderverein heran, die umherzogen, Bibeln verkauften und sie anderen vorlasen. Durch sie verbreitete er unter ihnen verschiedene Traktate, die er aus dem Englischen übersetzt hatte, wie z.B. „Die Hoffnungen der Kirche“ usw., und einige aus dem Brüderverein nahmen die Wahrheit aus diesen Traktaten auf und gaben sie an andere weiter.6

Laut Walther Hermes stand allerdings auch Heinrich Thorens (der nichts mit dem Brüderverein zu tun hatte) in Kontakt mit den von William Henry Darby und Julius Anton von Po­seck in Düsseldorf und Hilden gegründeten Versammlungen und wurde von W. H. Darby auch mindestens einmal in Elberfeld besucht.7 Die für Jung so essentielle Frage „Thorens oder Poseck?“ muss also gar nicht als rigoroses Entweder-Oder betrachtet werden, wie Jung vorauszusetzen scheint, sondern es können durchaus auch beide Brüder an Carl Brockhaus’ Hinwendung zu Darbys Lehren beteiligt gewesen sein.

Dass Poseck bereits vor Brockhaus auch im Wuppertal aktiv war und z.B. 1852 in Gemarke (ca. 5 km nordöstlich von Elberfeld) Versammlungen mit Abendmahl abhielt, ist durch einen zeitgenössischen kirchlichen Bericht belegt.8 Aus dem 2019 erstmals veröffentlichten Briefwechsel zwischen Darby und Wigram geht jedoch hervor, dass sogar in Elberfeld bereits 1852 eine Versammlung der „Brüder“ bestanden haben muss. Wigram schrieb nämlich am 4. Dezember 1852 an Darby:

Von Poseck lässt Sie herzlichst grüßen. Er hat drei Tage Gefängnis bekommen und hatte dadurch Zeit, mit sieben Gefangenen zu sprechen. Er sagt, dass in Eberfeldt jetzt 50 [Personen] das Brot brechen.9

Einen Ort namens „Eberfeldt“ gibt es in Deutschland nicht10– man kann wohl davon ausgehen, dass hier ein Schreib- oder Lesefehler vorliegt und Elberfeld gemeint ist.11 Bedenkt man die Kontakte zwischen Thorens und den „Düsseldorfern“, ist die Existenz dieser Versammlung – vielleicht in Thorens’ Wohnung? – im Grunde auch gar nicht verwunderlich; die Größe von 50 Personen (Abendmahlsteilnehmern!) erscheint allerdings beachtlich.

Der Briefwechsel zwischen Darby und Wigram ermöglicht auch sonst noch einige Erweiterungen und Korrekturen unseres bisherigen Kenntnisstandes. Darbys erste Erwähnung von Carl Brockhaus im März 1854 macht z.B. deutlich, dass die übersteigerten Heiligkeits- und Sündlosigkeitslehren, die den „Brüdern“ in zeitgenössischen Berichten oft vorgeworfen wurden, auch im Kreis um Brockhaus durchaus verbreitet waren:

Ich hatte vor, Ihnen insbesondere deshalb zu schreiben, weil die deutschen Brüder, Müller,12 Brockhaus usw., sich sehr wünschen, Sie zu sehen, falls Sie auf Ihrer Rückreise13 durch Deutschland kommen. Es sind liebe Menschen, die, wie Sie wissen, in der Gefahr standen, das Fleisch in der Praxis nicht anzuerkennen – nicht in der Lehre, sondern weil sie ausschließlich auf Christus schauten; aber ich hoffe, sie sind völlig davon befreit. […] Müller und Brockhaus wohnen in der Deweerthstraße, Elberfeld.14

Ein halbes Jahr später, während seines Besuchs in Elberfeld zur Übersetzung des Neuen Testaments, kam Darby nochmals auf dieses Thema zu sprechen:

In einer Person – und vielleicht in einer zweiten, aber ich war nicht ganz sicher, ob ich ihn verstand – fand ich noch Reste des Irrtums, der sie bedrohte; der Erste war sehr gesprächsbereit und der Zweite ein lieber Mensch, aber ich denke, die Wurzel des Irrtums ist zerstört, und ich habe Brockhaus für den Botschafter einen Artikel über Römer 7 diktiert;15 die Gefahr ist durch [Gottes] Barmherzigkeit gebannt.16

Im selben Brief berichtete Darby über die begonnene Übersetzungsarbeit:

Ich diktiere Brockhaus jetzt eine Übersetzung des Neuen Testaments; Brockhaus sorgt für das deutsche Idiom, und ich hoffe, [auch noch] Posecks Hilfe zu bekommen.17

Zur Entstehung der Elberfelder Bibel finden sich in der Briefausgabe noch viele weitere bisher unbekannte Informationen, die im Rahmen dieses Carl Brockhaus gewidmeten Beitrags aber nicht alle ausgewertet werden können. Relevant ist noch folgendes Lob im Zusammenhang mit der Übersetzung des Alten Testaments 1869/70:

Brockhaus verfügt über ein gutes Deutsch und Voorhoeve über einen sehr klaren Kopf und das Gedächtnis, alle Punkte zu bemerken, die übersehen werden könnten, während ich mich im Hebräischen vergraben habe […].18

Wigram erwähnte 1863 eine Geldspende aus England an die Geschwister um Brockhaus:

[…] da ich von Carl Brockhaus gehört habe, dass in seiner Umgebung die Unseren in großer Not sind, erschien es besser, £ 1519 an ihn zu senden (es war die zweite Summe für ihn, denn Ralph Evans’20 Notgroschen, den er an Mrs Wheeler oder sonst jemand geschickt hatte, war auf £ 17 angewachsen und vorher [an Brockhaus] gegangen), wo die Not gegenwärtig am stärksten drückt, als sie im Stich zu lassen […]21

Abschließend noch eine tragische Kuriosität, die sich Anfang 1861 in Ründeroth zutrug und sogar von einer österreichischen Zeitung gemeldet wurde:

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Kremser Wochenblatt, 23. Februar 1861, S. 3

Neuerscheinungen zur Brüderbewegung 2021

Auch am Ende dieses Jahres möchte ich wieder die in den letzten zwölf Monaten erschienenen Veröffentlichungen zur Brüderbewegung übersichtlich zusammenstellen und kurz kommentieren bzw. einordnen.

In drei frühere Bibliografien habe ich inzwischen noch Nachträge aufgenommen:

  • 2020: Bücher von Cotherman, Hall und Plant; Aufsätze von Ice, Jensen, Maghenzani und Styler
  • 2019: Bücher von Arnot und Cleeves
  • 2017: Buch von Aebi-Mytton; Aufsatz von Thomas

BÜCHER


Kevin Cockburn: The Tattooed Saint. Born into a Cult. Belfast (Maurice Wylie Media) 2021. 249 Seiten. ISBN 978-1-8384838-5-2.

Der Boom der Raven-Taylor-Symington-Hales-Aussteigerbiografien setzt sich fort. Kevin Cockburn, 1973 geboren und in Liverpool aufgewachsen, geriet nach seinem Ausstieg in Drogen und Kriminalität und fand im Gefängnis wieder zum christlichen Glauben zurück.


Tom Fay: Let the Children Come. The Life of George Müller. San Diego, CA (Coast Publishing) 2021. 336 Seiten. ISBN 978-0-9746374-4-0.

Biografischer Roman, der Georg Müller in die heutigen USA versetzt.


Jaime Fernández Vázquez: Historia de un Pueblo. Un Pueblo con Historia. Barcelona (Abba Distribuidora Cristiana) 2021. 287 Seiten. ISBN 978-84-18577-42-0.

Geschichte der „Brüder“ im nordwestspanischen Ort Infesta (Provinz Ourense, Galicien).


Gilbert A. Gleason: Love So Amazing. The Missionary Biography of Bert and Colleen Elliot. Foreword by Randy Alcorn. Ohne Ort (Selbstverlag/Amazon) 2021. 291 Seiten. ISBN 978-1-7369174-0-4 (Hardcover), 978-1-7369174-1-1 (Paperback), 978-1-7369174-2-8 (Kindle).

Herbert „Bert“ Elliot (1924–2012) war der ältere Bruder des besser bekannten Jim Elliot, der 1956 in Ecuador von Waorani-Indianern getötet wurde. Auch Bert ging mit seiner Frau Colleen (1928–2012) in die Mission und arbeitete von 1949 bis 2005 in Peru, wo sie etwa 158 Offene Brüdergemeinden gründeten. Das Buch ist außerhalb der USA offenbar nur als Kindle-Version bestellbar.


Tim Grass: Brethren and Their Buildings. Studies in Brethren History. Glasgow (Brethren Archivists and Historians Network) 2021. x, 253 Seiten. ISBN 978-1-9160130-6-3.

Großformatiger Bildband mit kommentierten Farbfotos von Versammlungsgebäuden der „Brüder“ (verschiedener Richtungen) auf den britischen Inseln.


Blanquita Haggerty: From Glasgow to the Andes. The life and work of Frank and Blanquita Haggerty. Kilmarnock (Ritchie) 2021. 205 Seiten. ISBN 978-1-914273-04-9.

Der aus Glasgow stammende Frank Haggerty (1926–2003) arbeitete ab 1951 als Missionar in Bolivien, später auch in Argentinien. Seine Frau Blanquita (1931–2021), die dieses Erinnerungsbuch verfasste, sein Erscheinen aber nicht mehr erlebte, war Bolivianerin.


Sam K. John: Brethren Beginnings in Kerala. A Reformation Story. Bangalore (Operation Barnabas) 2021. 100 Seiten. Ohne ISBN.

Geschichte der Kerala Brethren, eines eigenständigen Zweigs der Offenen Brüder in Südwestindien. Das Buch, zu dem u.a. Neil Dickson ein Vorwort beisteuerte, ist in Deutschland offenbar nur als Kindle-Version bestellbar.


Clark Logan: Joy in the Desert. 50 Years of Gospel Blessing in Botswana. Kilmarnock (Ritchie) 2021. 280 Seiten. ISBN 978-1-914273-03-2.

Die erste Offene Brüdergemeinde in Botswana wurde 1970 gegründet; seither sind fünf weitere hinzugekommen. Der nordirische Missionsarzt Clark Logan erzählt ihre Geschichte.


Gord Martin: Doing It Afraid. Ohne Ort (Creative Connex) 2021. 159 Seiten. ISBN 978-1-7777556-0-7.

Autobiografie. Der 1946 geborene Verfasser war Missionar in Ecuador und Kolumbien und rief später in Kanada das Gemeindegründungsnetzwerk Vision Ministries ins Leben.


Ken Newton: ‘I Will Build My Church’. The Kollegal Mission 1886–1995. Studies in Brethren History, Subsidia. Glasgow (Brethren Archivists and Historians Network) 2021. 180 Seiten. ISBN 978-1-9160130-4-9.

Missionsgeschichte der Offenen Brüder in der südindischen Region Kollegal. Mit 39 Fotos und drei Karten.


Adrian J. Patmore: Came Out … Kicked Out. Living in and out of the Exclusive Brethren. Underwood, Australien (InHouse Publishing) 2021. v, 330 Seiten. ISBN 978-1-922578-67-9.

Eine weitere Raven-Taylor-Symington-Hales-Aussteigerbiografie. Patmore, 1968 in London geboren, outete sich nach zehn Jahren Ehe und der Geburt von fünf Kindern als homosexuell, was unweigerlich die Trennung von seiner Glaubensgemeinschaft nach sich zog.


Jessie Shedden: Make Today Count. Ohne Ort (Selbstverlag/Amazon) 2021. 205 Seiten. ISBN 979-8-45321953-7.

Fortsetzung von Tomorrow’s Not Promised (2020), einem in der letzten Bibliografie vorgestellten Raven-Taylor-Symington-Hales-Aussteigerbuch.


elliotshepardValerie Elliot Shepard: Dir hingegeben. Jim und Elisabeth Elliot: Eine Liebe im Angesicht Gottes. Aus dem Englischen von Silvia Lutz. Holzgerlingen (SCM Hänssler) 2021. 448 Seiten. ISBN 978-3-7751-6063-6.

Die amerikanische Originalausgabe dieses Buches habe ich bereits in der 2019er Bibliografie kurz vorgestellt. Wolfgang Bühne rühmt die deutsche Übersetzung als „großartige Neuerscheinung“, die Jim Elliots Tagebuchklassiker Im Schatten des Allmächtigen „ebenbürtig“ sei. Die Herausgeberin habe die Briefe und Tagebücher ihrer Eltern „so liebevoll, respektvoll und auch weise kommentiert, dass man dieses wertvolle Buch nur mit großer Dankbarkeit und geistlicher Erfrischung und Belebung lesen kann“ (fest und treu 4/2021, S. 21f.).


John í Skemmuni: Andrew W. Sloan. Lív og læra. Tórshavn (Góð tíðindi) 2021. 540 Seiten. ISBN 978-999183715-4.

Biografie und neun ausgewählte Vorträge des färöischen Evangelisten, Hirten und Lehrers Andrew William Sloan (1896–1973; jüngster Sohn des Missionars William Gibson Sloan, 1838–1914). In färöischer Sprache.


Regina Steinmeister: Ein Leben im Glauben. Aus dem Leben von Andreas Steinmeister. Bielefeld (CLV) ²2021. 172 Seiten. ISBN 978-3-86699-660-1.

Andreas Steinmeister (1950–2018), im Brotberuf Lehrer und Schulleiter, war in den Kreisen der Geschlossenen und später der Blockfreien Brüdergemeinden als Bibellehrer und Autor weithin bekannt und geschätzt. Die von seiner Witwe zusammengestellte erbauliche Biografie ist als „2. Auflage“ gekennzeichnet; eine 1. Auflage scheint aber zumindest auf dem regulären Buchmarkt nicht erhältlich gewesen zu sein.


Neil Summerton: Charisma and Organization. Unresolved Tensions In The Brethren. Studies in Brethren History, Subsidia. Glasgow (Brethren Archivists and Historians Network) 2021. 123 Seiten. ISBN (falsch, da schon einmal vergeben) 978-1-9160130-2-5.

Studien zur Haltung der britischen Offenen Brüder gegenüber Organisationen und Institutionen.


Todne Thomas: Kincraft. The Making of Black Evangelical Sociality. Religious Cultures of African and African Diaspora People. Durham, NC / London (Duke University Press) 2021. xi, 252 Seiten. ISBN 978-1-4780-1065-4 (Hardcover), 978-1-4780-1178-1 (Paperback).

Kulturanthropologische Studie über zwei afroamerikanische Offene Brüdergemeinden in Atlanta (Georgia). Erste Ergebnisse erschienen bereits 2017 in einem Aufsatz (vgl. die damalige Bibliografie).


Carolyn Tonkin: Nellie’s Child. The Mark of the Spirit Trilogy 1. Albany, WA (Cypress Project) 2021. 382 Seiten. ISBN 978-0-6452148-1-9.

Roman, der in den 1950er Jahren unter den Raven-Taylor-Brüdern spielt.


warns_ae1Hartmut Wahl (Hrsg.): Aufzeichnungen und Erinnerungen von Johannes Warns (1874–1937). Band 1: 1874–1918. Von Osteel bis Berlin. edition Forum Wiedenest. Muldenhammer (Jota) 2021. 577 Seiten. ISBN 978-3-935707-95-4. — Band 2: 1919–1937. In Wiedenest. edition Forum Wiedenest. Muldenhammer (Jota) 2021. 603 Seiten. ISBN 978-3-949069-00-0.

Johannes Warns war eine der prägenden Figuren der deutschen Offenen Brüder. Als lutherischer Pfarrerssohn studierte er zunächst selbst Theologie, konnte sich nach einem Bekehrungserlebnis aber nicht zum kirchlichen Dienst entschließen und wurde nach Stationen bei der Heilsarmee und beim Blauen Kreuz 1905 Lehrer an der Allianz-Bibelschule Berlin, die 1919 unter seiner Leitung nach Wiedenest umzog. Seine handschriftlichen „Aufzeichnungen und Erinnerungen“, von Hartmut Wahl in jahrelanger mühevoller Arbeit transkribiert und mit erläuternden Anmerkungen versehen, sind eine erstklassige Quelle für die immer noch wenig erforschte Geschichte der deutschen Offenen Brüder, aber auch der Allianzkreise insgesamt. Wegen einiger problematischer Äußerungen über Hitler und den Nationalsozialismus ist dem zweiten Band ein Nachwort des heutigen Wiedenester Werksleiters Ulrich Neuenhausen beigegeben. Ein Inhaltsverzeichnis fehlt leider, und das Personenregister ist arg unübersichtlich geraten.


Jonathan Walker: The Angels of L19. Ohne Ort (Weatherglass Books) 2021. 239 Seiten. ISBN 978-1-8380181-3-9.

Autobiografisch gefärbter Roman, der 1984 unter den Offenen Brüdern in Liverpool spielt.


weremchuk_biographyMax S. Weremchuk: John Nelson Darby. A Biography. Updated and Expanded. El Cajon, CA (Southern California Seminary Press) 2021. xiv, 214 Seiten. ISBN 978-0-9864442-6-5.

Weremchuks Darby-Biografie, 1988 zuerst auf Deutsch, 1990 auf Niederländisch und 1992 auf Englisch erschienen, hat sich über die Jahre bei vielen den Ruf eines Standardwerks erworben und wird nach wie vor regelmäßig zitiert; aus der „Fachwelt“ musste sie sich aber auch deutliche Kritik gefallen lassen, so z.B. von Timothy Stunt in der ersten Ausgabe der BAHN Review (1998/99). Nachdem sich der Autor in den 1990er Jahren von der Brüderbewegung entfernt hatte, nahm auch sein Interesse an Darby und an einer möglichen Revision der Biografie ab, bis es vor einigen Jahren durch verschiedene Umstände wieder neu geweckt wurde. So liegt nun nicht nur eine überarbeitete und erweiterte Ausgabe des ursprünglichen Buches vor, sondern nächstes Jahr ist beim selben Verlag auch noch eine weitere, detailliertere akademische Studie über die ersten 29 Lebensjahre Darbys zu erwarten (Titel: Becoming JND).


Paul Young: From Norwich to Aberystwyth. The Life and Work of Professor John Heading. Port Colborne, ON (Gospel Folio Press) 2021. 106 Seiten. ISBN 978-1-98862732-8.

John Heading (1924–1991) war ein britischer Mathematiker, der den Offenen Brüdern angehörte und 1961–86 die Zeitschrift Precious Seed herausgab. Er verfasste auch die Kommentare zum Matthäus- und zum Johannesevangelium in der Reihe Was die Bibel lehrt (CV Dillenburg).


AUFSÄTZE


cesnur_5_2Das im März erschienene Heft 2/2021 der religionswissenschaftlichen Zeitschrift The Journal of CESNUR (die Abkürzung steht für das „Centro Studi sulle Nuove Religioni“ in Turin) war ganz den Raven-Taylor-Symington-Hales-Brüdern (seit 2012 offiziell „Plymouth Brethren Christian Church“) gewidmet. Die einzelnen Beiträge:

Bernard Doherty / Steve Knowles / Massimo Introvigne: „Introduction: The Study of the Plymouth Brethren Christian Church (S. 3–17)
Crawford Gribben: „Brethren and Separation (S. 18–36)
Neil T. R. Dickson: „The Exclusive Brethren in Scotland: A Historical Overview, 1838–2018 (S. 37–66)
Peter J. Lineham: „Why the New Zealand Plymouth Brethren Intervened in Politics in 2005 (S. 67–91)
Steve Knowles: „The Appropriation of Information and Communication Technologies by the Plymouth Brethren Christian Church (S. 92–112)
Mitchell Landrigan: „Parenting Orders for Brethren Families in Australia: The Religious Perspective of Children (S. 113–134)
Liselotte Frisk / Sanja Nilsson: „The Plymouth Brethren Christian Church in Sweden: Child Rearing and Schooling“ (S. 135–160)

Von allgemeinerem Interesse sind insbesondere die Aufsätze von Gribben (über die Entwicklung der „exklusiven“ Absonderungslehre) und Dickson (über die Geschichte der Geschlossenen Bruder in Schottland). Das Heft ist auch online verfügbar.


bhr2018Ausgabe 17 (2021) der Brethren Historical Review enthält (neben etlichen Rezensionen) die folgenden Beiträge:

Timothy C. F. Stunt: „James Pringle Riach (1797–1865) and other early Plymouth Brethren (S. 2–24)
R[ichard] B[roke] Freeman and Douglas Wertheimer: „Emily Gosse: A Bibliography (S. 25–78)
Cynthia Hill: „‘Servant of Christ and His People Everywhere’. George Cutting 1843–1934: His Life, Work, and Times (S. 79–99)
P[aul] David Wilkin: „Deep in the Heart of Africa: An Annotated Bibliography of Literature on the Beloved Strip in Zambia (S. 100–124)
Ronaldo Magpayo: „In Search of Meaning: A Contextual Interpretation of the Lord’s Supper from an Indigenous Filipino Perspective (S. 125–147)
Michael Schneider: „New Writing on Brethren History (S. 148–156)
Michael Schneider: „August Jung (1927–2020) (S. 208–213)

Für deutsche Leser dürfte besonders der Artikel von Hill über George Cutting interessant sein, dessen Schrift Sicherheit, Gewissheit und Genuss (1881) auch hierzulande seit vielen Jahrzehnten von den Verlagen der Geschlossenen Brüder (Richard Mohncke, Ernst Paulus, VdHS) verbreitet wird. Cutting blieb 1890 bei Park Street (Raven), ging 1908 mit Glanton und kehrte schließlich doch wieder zu den Raven-Taylor-Brüdern zurück. Die Autorin des Artikels ist eine Urenkelin Cuttings.

Meinen Nachruf auf August Jung habe ich kürzlich hier im Blog wiederveröffentlicht.


Howard Barnes: „William Kelly (1821–1906)“. In: Precious Seed 76 (2021), Heft 2, S. 25.

Kurzes Lebensbild Kellys zum 200. Geburtstag im Mai 2021 (auch online verfügbar).


David Bebbington: „The Place of the Brethren Movement in International Evangelicalism“. In: ders.: The Evangelical Quadrilateral. Volume 2: The Denominational Mosaic of the British Gospel Movement. Waco, TX (Baylor University Press) 2021. S. 277–300.

Wiederabdruck eines Aufsatzes, der bereits 2006 im ersten BAHN-Konferenzband The Growth of the Brethren Movement (S. 241–260) erschien.


John Bennett: „Charles Stanley (1821–1890)“. In: Precious Seed 76 (2021), Heft 4, S. 8f.

Kurzes Lebensbild Stanleys zum 200. Geburtstag im März 2021 (auch online verfügbar).


Fürchtegott Christlieb [Pseudonym]: „Bedingter Gehorsam? Unbedingt! Ein Kommentar zur aktuellen Debatte um das Verhältnis von Christ und Staat“. In: fest und treu 173 (1/2021), S. 5–9.

Im Rahmen seiner Überlegungen zum coronabedingten Singverbot geht der Autor auch auf die Geschichte der „Brüder“ in der NS-Zeit ein (auch online verfügbar).


Neil Dickson: „Hunter Beattie (1876–1951): A Conscientious Objector at the Margins“. In: Scottish Church History 50 (2021), S. 145–163.

Der Evangelist und Homöopath Hunter Beattie lehnte im Ersten Weltkrieg den Kriegsdienst ab und propagierte diesen Standpunkt in einer eigenen Zeitschrift, was zu Konflikten unter den Offenen Brüdern in Glasgow führte.


Bernard Doherty / Steve Knowles: „Plymouth Brethren Christian Church“. In: Critical Dictionary of Apocalyptic and Millenarian Movements. Hrsg. von James Crossley und Alastair Lockhart. Online (15. Januar 2021).

Websites werden in dieser Bibliografie normalerweise nicht berücksichtigt, aber das ambitionierte akademische Projekt Critical Dictionary of Apocalyptic and Millenarian Movements mag hier einmal eine Ausnahme bilden. Der Artikel informiert sachlich und ausführlich über Geschichte, Lehren, Praktiken und Kontroversen der Raven-Taylor-Symington-Hales-Brüder.


Andreas Liese: „1941 eine ‚Gottesstunde‘. Zusammenschluss: Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden“. In: Die Gemeinde [76] (2021), Heft 6, S. 16f.

Kurzer Artikel anlässlich des 80-jährigen Jahrestages der Vereinigung von Brüder- und Baptistengemeinden im BEFG.


Andreas Liese: „‚Einer ist unser Meister, Christus! Ihr aber seid alle Brüder‘ – Zum Gemeindeverständnis von Brüdergemeinden“. In: Gewagt! 500 Jahre Täuferbewegung 1525–2025. Themenjahr 21: gewagt! gemeinsam leben. Hrsg. vom Verein 500 Jahre Täuferbewegung 2025 e.V. Kassel (Oncken / Blessings 4 you) 2021. S. 28f.

Von 2020 bis 2025 wird in einer Veranstaltungsreihe das 500-jährige Bestehen der Täuferbewegung gefeiert, wozu jedes Jahr auch ein umfangreiches „Themenheft“ erscheint. Während das erste Heft auch zum kostenlosen Download bereitsteht, scheint dies beim zweiten Heft, das den obigen Artikel über das Gemeindeverständnis der „Brüder“ enthält, (noch) nicht der Fall zu sein.


Armin Lindenfelser: „Gerhard Tersteegen – ein ‚Großvater‘ der deutschen Brüderbewegung“. In: Zeit & Schrift 24 (2021), Heft 2, S. 28–33; Heft 3, S. 28–33.

Der Autor entwirft ein knappes Porträt Tersteegens und geht der Frage nach, welchen Einfluss er auf die deutsche Brüderbewegung hatte (auch online verfügbar: Teil 1, Teil 2).


Dennis Mackinnon: „Memories of a godly man – the influence of Mr William Trew“. In: Precious Seed 76 (2021), Heft 4, S. 10f.

Erinnerungen an den schottisch-walisischen Evangelisten und Bibellehrer William Trew (1902–1971) (auch online verfügbar).


Christopher R. Mattix: „George Muller“. In: ders.: Heroes. The Titans of History. Aus dem Spanischen. Ohne Ort (Selbstverlag/Amazon) 2021. S. 101–112.

Kurzes populäres Lebensbild Georg Müllers (1805–1898).


Ulrich Neuenhausen: „Die Zeit beurteilen“. In: Offene Türen 113 (2021), Heft 3, S. 9.

Anlässlich der Veröffentlichung von Johannes Warns’ Aufzeichnungen und Erinnerungen (s.o.) reflektiert Neuenhausen in diesem Artikel kurz dessen Haltung zum Nationalsozialismus (auch online verfügbar).


[Joachim Pletsch:] „Leben und Wirken Albert von der Kammers (Kurzbiografie)“. In: Albert von der Kammer: Gott in uns. Wie der Heilige Geist wirkt. Eine biblische Bestandsaufnahme. Dillenburg (Christliche Verlagsgesellschaft) 2021. S. 137–141.

Albert von der Kammer (1860–1951) war nacheinander Baptist, Elberfelder Bruder, Raven-Bruder und (ab Ende 1904) Offener Bruder. Als Mitherausgeber der Handreichungen aus dem Worte Gottes (1913–38) übte er besonders unter Letzteren großen Einfluss aus. Seine 1922 erstmals veröffentlichte Schrift Der Heilige Geist, der in uns wohnt erscheint hier (nach 1964 und 1987) in einer dritten Neuausgabe unter neuem Titel, sprachlich leicht modernisiert und durch eine Kurzbiografie ergänzt.


Michael Tröger / Jürgen Goldnau: „Siegfried Küttler (1930–2020). Ein Nachruf“. In: Zeit & Schrift 24 (2021), Heft 1, S. 30–32.

Siegfried Küttler war der einzige Evangelist der Geschlossenen Brüder in der DDR. Nach der Wende widersetzte er sich den Spaltungstendenzen in dieser Brüdergruppe und geriet dadurch unter Beschuss; seine Heimatversammlung in Wilkau-Haßlau (Sachsen) wurde im November 2002 von den Versammlungen Jena und Reinsdorf „außerhalb der Gemeinschaft gestellt“, sodass Küttler die letzten 18 Jahre seines Lebens „blockfrei“ war. Der Nachruf wurde von seinem Schwiegersohn Michael Tröger und dem Chemnitzer Bruder Jürgen Goldnau verfasst (auch online verfügbar).


Joseph Webster: „Embodied apocalypse: or the native cosmology of late modern social theory“. In: Anthropology & Medicine 28 (2021), S. 13–27.

Der Titel lässt zwar keinen Bezug zur Brüderbewegung erkennen, aber der Aufsatz handelt von der Endzeiterwartung der „Brüder“ in schottischen Fischerdörfern.


Douglas Wertheimer: „A Son and His Father: Edmund Gosse’s Comments and Portraits, 1875–1910“. In: Nineteenth-Century Prose 48 (2021), Heft 1/2, S. 45–92.

Edmund Gosse (1849–1928) war der Sohn des Naturforschers Philip Henry Gosse (1810–1888), der von ca. 1843 bis 1857 den Offenen Brüdern angehörte. Gosse junior schrieb sowohl eine Biografie seines Vaters (The Life of Philip Henry Gosse, 1890) als auch ein sehr bekannt gewordenes Buch über ihre Vater-Sohn-Beziehung (Father and Son, 1907). Die darin geschilderte „engstirnige“ Frömmigkeit seines Vaters prägte lange Zeit das Image der „Plymouth Brethren“ in gebildeten Kreisen – obwohl Gosse in seinem früheren Buch (S. 330) deutlich herausgestellt hatte, dass sein Vater in den letzten 30 Jahren seines Lebens gar nicht mehr den „Brüdern“ angehörte, sondern eine völlig unabhängige Gemeinde leitete. Die Einseitigkeit und Fehlerhaftigkeit von Gosses Darstellungen wird inzwischen auch von Kritikern ohne apologetische Absichten – wie hier Wertheimer – anerkannt.


Für Hinweise auf weitere, von mir übersehene Neuerscheinungen bin ich dankbar!

1. Todestag von August Jung

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August Jung

Heute vor einem Jahr verstarb der FeG-Pastor August Jung, dessen kirchengeschichtliche Forschungen auch für die Frühgeschichte der deutschen Brüderbewegung etliche neue Erkenntnisse brachten. Im Folgenden der Nachruf, den ich für die diesjährige Ausgabe der Brethren Historical Review geschrieben habe.


Obituary: August Jung (1927–2020)

Some of the most significant contributions to German Brethren historiography have been made by pastors of a ‘rival’ church movement: the Freie evangelische Gemeinden (‘Free Evangelical Churches’, FeG). Carl Brockhaus (1822–1899), the founding father of the German Brethren, and Hermann Heinrich Grafe (1818–1869), the founding father of the FeG, had both been leading members of an evangelistic association called Evangelischer Brüderverein before their new-found ecclesiastical convictions drove them in different directions. Interest in these common origins began earlier in the FeG than in the Brethren movement, so that pioneering studies on FeG history such as the article series Blätter aus vergangenen Tagen (‘Leaves from bygone days’, 1918/19) by Gustav Ischebeck (1863–1937) or the biography Hermann Heinrich Grafe und seine Zeit (‘Hermann Heinrich Grafe and his time’, 1933) by Walther Hermes (1877–1935) produced valuable insights into the beginnings of the German Brethren movement as well. Ischebeck even wrote a (critical) monograph on John Nelson Darby in 1929, which was translated into French in 1937.1 The most recent representative of this line of FeG pastors with a special interest in Brethren history was August Jung, who died in Iserlohn on 22 December 2020 at the age of 93.

Born in the village of Manderbach near Dillenburg on 8 November 1927, August Jung grew up in a family belonging to the Evangelische Gemeinschaft, a pietist group within the Protestant state church, but also maintaining good contacts with the local Brethren assembly (organised as Bund freikirchlicher Christen from 1937) and with preachers of the FeG.2 After war service and captivity (1939–45), Jung decided to become an FeG pastor himself. From 1947 to 1951 he attended their preachers’ seminary at Ewersbach; after that he served for 40 years as a pastor in various FeG congregations (1951–55 Frankfurt am Main, 1955–62 Hamm and environs, 1962–72 Wuppertal-Barmen, 1972–84 Iserlohn-Letmathe, 1984–90 Duisburg-Wanheimerort). On his retirement he moved to Iserlohn again. He had four children with his wife Heidi, née Weber, whom he had married in 1952.

Jung’s interest in church history began in the 1960s. As pastor of the oldest FeG (Wuppertal-Barmen, founded in 1854), he set up a church archive which was soon able to acquire key documents of FeG history, including Hermann Heinrich Grafe’s diaries and the founding minutes of the FeG federation of 1874. In 1983, Jung was one of the initiators of the FeG’s Historical Study Group, which launched the scholarly book series Geschichte und Theologie der Freien evangelischen Gemeinden (‘History and Theology of the FeG’) in 1988.

More intensive historical research had to wait until Jung’s retirement, however. Between 1968 and 1987 he had mainly written short articles for the FeG magazine Der Gärtner, but from 1995 to 2007 five eminent books appeared from his pen. Three of them deal with topics from FeG history and were published in the above-mentioned series,3 the other two are of considerable interest to Brethren historians as well.

Als die Väter noch Freunde waren (‘When the fathers were still friends’, 1999)4 is a ground-breaking study on the beginnings of free-church activities in the Bergisches Land, the region around Wuppertal, Remscheid, Solingen, Düsseldorf and Mülheim/Ruhr. The relevance of the book is more than regional, however: It was precisely this area that saw the emergence of no less than four different German free churches in the 1850s. In addition to the Brethren assemblies (Düsseldorf and environs, 1851) and the FeG (Elberfeld-Barmen, 1854), a Baptist congregation unaffiliated with the ‘official’ Baptists in Hamburg (Ehrener Mühle near Solingen, 1851) and even an early Sabbatarian congregation (Flachsberg near Solingen, 1856) were founded here. As far as the Brethren movement is concerned, Jung was able to correct several errors of his predecessors Ischebeck and Hermes; among other things, he postulated that it was not Heinrich Thorens (1817–1864) who acquainted Carl Brockhaus with Darby’s teachings, as had been assumed until then, but Julius Anton von Poseck (1816–1896). The most conclusive evidence for this hypothesis was only discovered after the book had been published,5 but this makes Jung’s historical instinct appear all the more remarkable.

The person of Julius Anton von Poseck fascinated Jung so much that he produced an entire monograph on him in 2002.6 Jung’s claim that German Brethren had deliberately suppressed the memory of Poseck because he had opposed Darby in the Ryde-Ramsgate controversy was perhaps somewhat exaggerated, and his joy of discovery sometimes led him to speculations, but his archival research brought to light much that was new, especially about the first half of Poseck’s life (his family background, his school and student days). Jung’s hypothesis that it took years for the ‘Düsseldorf’ assemblies founded by Poseck and the ‘Elberfeld’ assemblies founded by Brockhaus to establish full fellowship with each other seemed to rest on somewhat shaky foundations when the book appeared, but received unexpected support in 2019 with the publication of the correspondence between Darby and Wigram.7 An English-language summary of Jung’s Poseck research was presented at the first International Brethren History Conference in Gloucester in 2003 and printed in the 2006 volume The Growth of the Brethren Movement.8

A third important work by Jung on Brethren history is a paper he wrote in 2003 on the occasion of the 150th anniversary of the Brethren assembly at his birthplace of Manderbach.9 In this paper, he shed new light on the prehistory of the Brethren movement not only in Manderbach, but in the entire Dillenburg area. The first Brethren leaders in Dillenburg (Philipp Richter, Carl Richter and Philipp Thielmann) had been Baptists for a while, which might be the reason – according to Jung – why Brethren in this region are still popularly called ‘Baptists’, whereas ‘real’ Baptists have not been able to regain a foothold there down to the present day.

August Jung was sympathetic to the Brethren movement – at least to its ‘Open’ wing, which many of his relatives were and are part of. Like his predecessors Ischebeck and Hermes, he had more serious reservations about ‘Exclusivism’ or ‘Darbyism’. In an interview he gave in 2006, he complained about Darby’s ‘unfortunate doctrine of ruin and separation’:

It has wreaked more havoc than any other doctrine in modern church history: dogmatism, grief, sorrow, distress, hatred, anger, strife and factionalism. Talks cannot heal here. Healing can only come from the repentance of those who have inflicted wounds and still keep them open. But repentance cannot be demanded; it must be given by God.10

In 2008, Jung was awarded the first ‘Neviandt Prize’11 for his contribution to FeG historiography. In his laudatory speech, Professor Wolfgang E. Heinrichs from the University of Wuppertal praised him for ‘reading the sources very profoundly and discerningly, doing extremely precise research, refusing to simply copy what is already there, as so many do, but questioning it critically and checking the traditions against the sources’.12 Thanks to Jung’s research, said FeG press spokesman Arndt Schnepper, the history of the FeG had to be rewritten in some points13 – an assessment that can be applied to (German) Brethren history as well.

‘When you look back over all your research activity,’ Jung was asked in the interview quoted above, ‘what are the most important lessons that can be learned from it for today?’ Jung’s answer was carefully considered:

If it were really possible and each generation did not have to make its own mistakes: resolve doctrinal questions early enough, strip theologically disguised power games of their magic, examine doctrinal nuances for possible consequences, assign co-workers to strong personalities to integrate them in a brotherly way, don’t make secondary issues a reason for separation, don’t automatically take democratic decisions for directives of the Holy Spirit, and practise small steps towards each other.

Jung’s great wish was that his nostalgic book title ‘When the fathers were still friends’ would be practically transformed into the ‘even more important motto: That the grandchildren become friends again’.14


200. Geburtstag von Heinrich Thorens

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Heinrich Thorens (1817–1864)

Heinrich Thorens war einer der Männer, die einen bedeutenden Beitrag zum Entstehen der Brüderversammlungen in Deutschland gegeben haben, ohne dabei jedoch persönlich besonders hervorzutreten.

So schrieb Paul Krumme 1990 in der Zeitschrift Die Wegweisung.1 Heinrich Thorens’ Geburtstag jährt sich heute zum 200. Mal;2 aus diesem Anlass soll Krummes kurzer Artikel, der meines Wissens die einzige in sich abgeschlossene Veröffentlichung über Thorens geblieben ist, hier vollständig wiedergegeben werden.

Er wurde 1817 als Sohn eines Gastwirts im Kanton Neuchâtel (französische Schweiz)3 geboren, lernte aber schon früh, auf der höheren Stadtschule in Biel, auch die deutsche Sprache.

Um das Jahr 1830 kamen während einer Erweckungsbewegung in der Westschweiz viele Menschen zum Glauben. Zu denen, die das Heil in dem Herrn Jesus fanden, gehörte auch Heinrich Thorens.

Durch John Nelson Darby, der Anfang der vierziger Jahre in der Schweiz weilte und wirkte, wurde Thorens mit der biblischen Lehre über Heilsgewißheit, Bedeutung der Versammlung/Gemeinde des Herrn, Nachfolge usw. bekannt. Als Folge davon trat er aus der Staatskirche aus.

Thorens wurde Musterzeichner. Um sich in diesem Beruf weiterzubilden, begab er sich um 1841/42 nach Lyon, dem Zentrum der französischen Seidenindustrie. Zu dieser Zeit hielt sich auch der etwa gleichaltrige Hermann Heinrich Grafe dort auf. Die beiden jungen Männer lernten sich kennen und schlossen Freundschaft. Thorens ging zu der kleinen Brüderversammmlung in Lyon, während sich Grafe der dortigen Freien Gemeinde anschloß.

Grafe hatte in Wuppertal-Barmen zusammen mit seinem Schwager eine Textilfirma, Grafe und Neviandt. Er stellte 1846 Heinrich Thorens als Musterzeichner ein. Mit ihm hatte er für seinen Betrieb einen fähigen und fleißigen Mitarbeiter bekommen, aber weit höhere Bedeutung sollte Thorens’ Übersiedlung nach Westdeutschland auf geistlichem Gebiet haben.

Da der junge Schweizer schon durch das Gedankengut der „Brüder“ geprägt war, besuchte er die gerade im Entstehen begriffenen Brüderversammlungen in Düsseldorf und Hilden. Bald hatte er enge Verbindung mit Julius Anton von Poseck und William H. Darby (einem Bruder John Nelson Darby’s) und lernte auch die „Lehrbrüder“ (zu denen auch Carl Brockhaus zählte) des „Evangelischen Brüdervereins“ kennen, der im Juli 1850 gegründet worden war. Bei regelmäßigen Zusammenkünften in den Wohnungen Grafe’s und C. Brockhaus’ konnte Thorens die ihm klargewordenen Grundsätze des Wortes Gottes weitergeben. Wie sehr er dadurch auch Carl Brockhaus beeinflußte, geht aus einem Schriftstück hervor, das dessen ältester Sohn Ernst verfaßte und in dem es heißt, daß „besonders Bruder Thorens“ dazu beitrug, daß das Verständnis seines Vaters über die Wahrheit, das Wesen der Versammlung Christi, ihre Einheit durch den Geist Gottes, ihre Verbindung mit dem Haupt droben und ihre himmlische Stellung wuchs.4

Aufgrund seiner Gesinnung und von Demut geprägten Haltung war Heinrich Thorens allgemein geschätzt. Er nutzte jede freie Zeit, um das Evangelium von dem Herrn Jesus zu verkündigen.

Er war es gewohnt, einen bedeutenden Teil seines Einkommens für mildtätige Zwecke und für die Arbeit im Werk des Herrn zur Verfügung zu stellen. Infolge dessen stand nach seinem frühen Tod im Jahre 18645 seine Familie fast mittellos da. Jedoch kamen sowohl die Firma Grafe und Neviandt als auch die Elberfelder Brüderversammlung für ihre Bedürfnisse auf.

In Heinrich Thorens sehen wir ein deutliches Beispiel dafür, wie wunderbar die Wege des Herrn verlaufen. Ein junger Mann wird in seiner Heimat – der Schweiz – mit biblischem Gedankengut vertraut, das Brüdern in England neu geschenkt worden war. In Frankreich lernt er einen Deutschen kennen, der ihn als Mitarbeiter in seine Firma nach Westdeutschland holt, und in diesem Raum kann er sein Schriftverständnis weitergeben und dadurch wesentliche Anstöße geben zu einer „Glaubensbewegung“, die sich bald über weite Teile Deutschlands erstrecken sollte. Gott plant im voraus jeden Schritt der Gläubigen und fügt alles so zusammen, daß es zum Bau und zur Auferbauung des wunderbaren Organismus des „Leibes des Christus“ beiträgt!

Einige weitere Einzelheiten aus Thorens’ Leben erfahren wir aus der Grafe-Biografie von Walther Hermes (die zweifellos auch Krummes Hauptquelle war):

Als einst ein Heimarbeiter eine fehlerhafte Webarbeit ablieferte und damit auffiel, schob dieser die Schuld auf den Musterzeichner, den er nicht zugegen glaubte. Thorens stand auf, sich zu rechtfertigen, unterdrückte aber plötzlich seine Rede und ging wortlos an sein Pult zurück. Als ihm in jenen unruhigen Zeiten auf der Ronsdorfer Landstraße einmal ein Wegelagerer Uhr und Geld abforderte, gab er dieses sogleich her, wies dann aber den Räuber ernst und liebevoll auf die Folgen seiner Tat hin, worauf ihm dieser, der wohl erst ein Anfänger in diesem bösen Handwerk war, beschämt beides zurückgab. Seine ganze freie Zeit widmete er dem Werk des Herrn, für den er in den Kreisen der Weber mit Wort und Schrift zu werben suchte, wobei er manche Arme und Kranke besuchte, deren es damals in den Auswirkungen der Cholerazeit viele gab.6

Am Rande sei noch erwähnt, dass die bekannte Schweizer Firma Thorens, die zuerst Musikdosen und andere Musikapparate, im 20. Jahrhundert aber vor allem hochwertige Plattenspieler herstellte, 1883 von Heinrich Thorens’ in Elberfeld geborenem Sohn Hermann (1856–1943) gegründet wurde.

200. Geburtstag von Philipp und Carl Richter

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Philipp Richter (1816–1914), gemalt von seinem Enkel Paul Feller

„Wer schreibt, der bleibt“, sagt ein Sprichwort. Das gilt in gewisser Weise auch für die Kirchengeschichte: Diener Gottes, die Schriften hinterlassen haben, bleiben der Nachwelt in der Regel besser und länger im Gedächtnis als solche, deren Dienst vorwiegend mündlicher Art war. In die letztere Kategorie fallen zweifellos die Dillenburger Zwillingsbrüder Philipp und Carl Richter, die zu den Gründervätern der Brüderbewegung im Dillkreis gehörten und viele Jahre als Evangelisten und Lehrer in ihrer Heimatregion und darüber hinaus aktiv waren. Ihr Geburtstag jährt sich heute zum 200. Mal.

Dabei sind die Informationen über Carl (oder Karl) noch spärlicher als die über Philipp, der immerhin bis 1914 lebte, also fast 100 Jahre alt wurde. In seinem 40. Todesjahr (1954) gelang es der Zeitschrift Die Botschaft noch, Zeitzeugenerinnerungen an ihn zu sammeln und zu einem Gedenkartikel zu verarbeiten; dieser wurde 2014 zu seinem 100. Todestag in orthografisch modernisierter, annotierter und illustrierter Form in Zeit & Schrift wiederabgedruckt. Die zeichengetreue Originalfassung ist seit heute auf bruederbewegung.de zu finden.

Wiederholt erwähnt werden die Brüder Richter auch in zwei Arbeiten von August Jung: im Artikel „Die Anfänge der Brüderbewegung im Dillkreis, besonders in Manderbach“, erschienen in der Festschrift 150 Jahre Christliche Versammlung Manderbach (2003), S. 24–37, und im gleichnamigen (aber nicht damit identischen) Festvortrag zum selben Anlass.

Julius Anton von Poseck in britischen Zeitungen

Eine einzigartige Fundgrube für historisch Interessierte ist das British Newspaper Archive, in dem zurzeit 261 britische Zeitungen aus dem 18. bis 20. Jahrhundert mit zusammen über 8,5 Millionen Seiten digital zugänglich sind (allerdings kostenpflichtig). Ich habe dort in den letzten Wochen viele interessante (teilweise auch kuriose) Funde zur Brüdergeschichte gemacht, von denen ich hier einige mitteilen möchte. Ich beginne mit dem Leben Julius Anton von Posecks, der bekanntlich ab 1857 in England wohnte.

1. Ehefrau

August Jung schreibt in seiner Poseck-Biografie,1 der plausibelste Grund für Posecks Übersiedlung nach England sei „eine überaus liebliche Erscheinung“ gewesen: „Christiane Wilson, die seine Frau werden sollte“.2 Ihr Alter bei der Heirat 1857 gibt er mit 50 an; dass sie zwei Jahre später noch ein Kind zur Welt bringen konnte, sei daher „fast ein biologisches Wunder“ gewesen.3 Woher Jung den Namen und die Altersangabe hat, verrät er nicht; laut der Heiratsanzeige im Reading Mercury vom 18. Juli 1857 lautete ihr Nachname Davies und nicht Wilson:

1857-07-18 Reading Mercury 5
Reading Mercury, 18. Juli 1857, S. 5

Der Name Christiana Davies wird auch durch den England and Wales Marriage Registration Index 1837–1920 bestätigt. Die Bezeichnung „Mrs.“ im Reading Mercury deutet allerdings darauf hin, dass sie schon einmal verheiratet (und jetzt wahrscheinlich verwitwet) war. Vielleicht war Wilson ihr Mädchenname?

Noch seltsamer ist Jungs Altersangabe von 50 Jahren. Nach den bei FamilySearch zugänglichen genealogischen Datenbanken war Posecks Frau ganze 14 Jahre jünger: Erst bei der Volkszählung 1871 wird ihr Alter mit 50 angegeben, bei der Volkszählung 1881 folglich mit 60 und bei ihrem Tod 1896 mit 75 (ich sage „folglich“, aber nicht immer stimmen die verschiedenen Datenbanken so exakt überein!). Ihr Geburtsjahr dürfte demnach 1821 gewesen sein; damit war sie vier bis fünf Jahre jünger als ihr Mann und bei der Geburt ihres Kindes 1859 nicht 52, sondern 38 Jahre alt.

Ihr Tod wird im Londoner Standard vom 24. April 1896 gemeldet (ebenfalls mit der Altersangabe 75):

1896-04-24 The Standard 1 NA
The Standard, 24. April 1896, S. 1
2. Beruf

„Bis heute konnte nicht geklärt werden, welchen Beruf v. Poseck in London ausgeübt hat“, schreibt August Jung. „Noch kann man wählen zwischen Professor der Philosophie bzw. Philologie, Sprachlehrer oder Missionsprediger. Oder vermochte er etwa alles gleichzeitig zu sein? Bedenkt man, dass er in der Grenzstadt Saarbrücken zweisprachig aufgewachsen war, dass er als Gymnasiast Latein, Griechisch und Hebräisch gelernt, vielleicht sogar gelehrt hatte, dass er ein gutes Schulenglisch sprach und es in jahrelangem Umgang mit den ‚Brethren‘ entscheidend verbessert hatte, dann spricht alles für Sprachlehrer. Promoviert und habilitiert hat er sich zu keiner Zeit.“4

Dem Zeitungsbefund nach zu urteilen war Poseck tatsächlich „alles gleichzeitig“ (bis auf Philosophieprofessor). Das Wort „Sprachlehrer“ trifft seinen Brotberuf wohl am besten, aber er nannte sich auch „Professor“ – damals anscheinend keine geschützte Bezeichnung für einen Hochschullehrer, sondern verwendbar von jedem “who makes a profession of any art or science”, wenn nicht gar “a grandiose title by professional teachers and exponents of various popular arts and sciences, as dancing, juggling, phrenology, etc.”5

Zuerst scheint Poseck noch mit einer Privatschule (der „Brüder“?) in Verbindung gestanden zu haben, wie die folgende Anzeige aus dem Reading Mercury vom 11. April 1857 (also drei Monate vor seiner Heirat) nahelegt:

1857-04-11 Reading Mercury 6
Reading Mercury, 11. April 1857, S. 6

Über die Schule informiert das zeitgenössische Buch Our Schools and Colleges wie folgt:

Richmond House School
Herbert Fry: Our Schools and Colleges, London 1868, S. 191

Die obige Zeitungsanzeige deutet allerdings darauf hin, dass Poseck von Anfang an auch Privatunterricht erteilte, und darauf scheint er sich später beschränkt zu haben. Bereits im August 1857 nennt er in der Zeitung nur noch seine Privatadresse:

1857-08-08 Reading Mercury 3
Reading Mercury, 8. August 1857, S. 3

Die vollmundige Angabe “of the University of Berlin” mutet im Zusammenhang mit “professor of the GERMAN and FRENCH languages” etwas seltsam an; schließlich hatte Poseck in Berlin nicht etwa Deutsch und Französisch studiert, sondern vor allem Jura (1838–41).

1870 zog Poseck nach Southsea und bot auch dort per Zeitungsannonce seine Dienste an; sein Repertoire hatte er inzwischen auf Italienisch und klassische Sprachen ausgedehnt:

1870-06-04 Hampshire Telegraph and Sussex Chronicle 1
Hampshire Telegraph and Sussex Chronicle, 4. Juni 1870, S. 1

Vier Monate später genügte folgende Kurzanzeige:

1870-10-01 Hampshire Telegraph and Sussex Chronicle 1
Hampshire Telegraph and Sussex Chronicle, 1. Oktober 1870, S. 1

1872 zog Poseck innerhalb Southseas nochmals um:

1872-10-12 Hampshire Telegraph and Sussex Chronicle 1
Hampshire Telegraph and Sussex Chronicle, 12. Oktober 1872, S. 1

Sein Lehrangebot erweiterte sich stetig; 1876 bot er z.B. an, Schüler auf “Cambridge and Oxford Examinations” (vermutlich Zulassungsprüfungen der dortigen Universitäten) vorzubereiten, wenig später sogar auf “Naval and Military Examinations”:

1876-02-12 Hampshire Telegraph and Sussex Chronicle 1
Hampshire Telegraph and Sussex Chronicle, 12. Februar 1876, S. 1
1876-08-05 Hampshire Telegraph and Sussex Chronicle 4
Hampshire Telegraph and Sussex Chronicle, 5. August 1876, S. 4

1877 nannte er sich “German Master at the Royal Naval Academy, Anglesey College, etc.”, was wieder auf eine Verbindung mit schulischen Institutionen hinzudeuten scheint:

1877-07-28 Hampshire Telegraph and Sussex Chronicle 1
Hampshire Telegraph and Sussex Chronicle, 28. Juli 1877, S. 1

Eastman’s Royal Naval Academy war eine Privatschule in Southsea; ein Anglesey College konnte ich nicht ermitteln:

Eastman's Royal Naval Academy
Herbert Fry: Our Schools and Colleges, London 1868, S. 203

Die letzte Annonce Posecks, die ich gefunden habe, stammt aus dem Jahr 1878:

1878-03-30 Hampshire Telegraph and Sussex Chronicle 1
Hampshire Telegraph and Sussex Chronicle, 30. März 1878, S. 1

Ob er danach seine Privatlehrertätigkeit zugunsten einer Festanstellung aufgab, ob er keine Anzeigen mehr nötig hatte oder ob er – mit knapp 62 Jahren für damalige Verhältnisse sicherlich noch recht früh – in den Ruhestand ging, bleibt offen.

3. Vorträge

Auch Posecks Predigttätigkeit wird in den Zeitungen immer wieder erwähnt. Zum ersten Mal 1859 in der Bury and Norwich Post:

1859-08-23 The Bury and Norwich Post 2
The Bury and Norwich Post, 23. August 1859, S. 2

Posecks Themen waren recht vielfältig. 1862 predigte er z.B. in Leamington Spa über die Wiederkunft Christi:

1862-08-30 The Royal Leamington Spa Courier 4
The Royal Leamington Spa Courier, 30. August 1862, S. 4

1870 ging es in Ryde auf der Insel Wight um ein „höchst praktisches“ Thema:

1870-06-25 Hampshire Telegraph and Sussex Chronicle 7
Hampshire Telegraph and Sussex Chronicle, 25. Juni 1870, S. 7

Vergleichsweise ausführlich und sehr wohlwollend berichtete der Wrexham Advertiser über eine Vortragsreihe in Denbigh (Wales) im Juli 1871:

1871-07-29 The Wrexham Advertiser 8
The Wrexham Advertiser, 29. Juli 1871, S. 8

Gelegentlich wurde auch durch Anzeigen zu Vorträgen eingeladen, so z.B. 1860 im Birmingham Journal zu einer Evangelisation für deutsche Immigranten:

1860-04-14 The Birmingham Journal 4
The Birmingham Journal, 14. April 1860, S. 4

Auf Deutsch predigte Poseck 1862 auch in Leamington Spa:

1862-06-28 The Royal Leamington Spa Courier 4
The Royal Leamington Spa Courier, 28. Juni 1862, S. 4
1862-07-12 The Royal Leamington Spa Courier 4
The Royal Leamington Spa Courier, 12. Juli 1862, S. 4

Abschließend noch zwei Einladungen zu Vorträgen für Gläubige, vermutlich in den jeweiligen „Versammlungslokalen“:

1886-04-26 The Citizen 2
The Citizen, 26. April 1886, S. 2
1890-03-15 The Manchester Courier 1
The Manchester Courier, 15. März 1890, S. 1
4. Tod

Poseck starb nur zweieinhalb Monate nach seiner Frau. Auch seine Todesnachricht erschien im Londoner Standard; mir liegen davon zwei Schnipsel vor, leider beide schlecht lesbar:

1896-07-08 The Standard 1 BNA
The Standard, 8. Juli 1896, S. 1
1896-07-08 The Standard 1 NA
The Standard, 8. Juli 1896, S. 1

Hier mein Versuch einer Textrekonstruktion:

VON POSECH.—July 6, at 2, Algernon-road, Lewisham, Julius Anton E. W. Von Posech, in his 80th year. Funeral on Thursday, 3.45, at Lewisham Cemetery.


Brief von Julius Anton von Poseck an Theophil Wilms

poseck
Julius Anton von Poseck

August Jung erwähnt in seiner Poseck-Biografie1 mehrmals einen Brief, den Julius Anton von Poseck (1816–1896) zusammen mit seiner Broschüre Christus oder Park-Street (1882) an Theophil Wilms (1832–1896), den Gründer der Freien evangelischen Gemeinde Düsseldorf, gesandt hatte. Beide Dokumente, Broschüre und Brief, gelangten später in die Bibliothek des Predigerseminars des Bundes Freier evangelischer Gemeinden (heute Theologisches Seminar Ewersbach), von wo sie eines Tages unter ungeklärten Umständen verschwanden. Als Jung sein Buch schrieb, befanden sie sich im Privatarchiv eines namentlich genannten Sammlers.2 Inzwischen ist dieser verstorben, und der größte Teil seines brüdergeschichtlichen Archivs wurde nach Nordirland verkauft. Es ist also davon auszugehen, dass die beiden Dokumente jetzt dort lagern.

Von der Broschüre wurde, als sie noch in Deutschland war, eine Fotokopie angefertigt, auf der links neben dem Titelblatt auch die letzte Seite des Briefes zu sehen ist. Diese Fotokopie lag August Jung vor, und von ihr zitierte er einen längeren Abschnitt (S. 134). Der größte Teil des Briefes (23 von 24 Seiten) war der Forschung jedoch unbekannt und unzugänglich, und daran dürfte sich auch durch den Verkauf nach Nordirland nichts geändert haben.

Umso größer war meine Überraschung, als mir neulich ein alter Bruder eine vollständige maschinengeschriebene Abschrift eben dieses Briefes gab, die er beim Aufräumen gefunden hatte! Es handelt sich um einen Durchschlag (es müssen also noch weitere Exemplare existiert haben), vermutlich aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Wegen seiner Seltenheit habe ich das Dokument sofort digital ediert und stelle es nun auf bruederbewegung.de zum Download zur Verfügung.

Interessanterweise entspricht der Brief nicht ganz den Erwartungen, die man aufgrund der Darstellung bei August Jung an ihn haben könnte. Denn obwohl er der Broschüre Christus oder Park-Street beigelegt war, handelt er von einem völlig anderen Thema: von der Bethesda-Trennung bzw. den Offenen Brüdern. Theophil Wilms stand mit dem Offenen Bruder Friedrich Wilhelm Baedeker in Kontakt (der auch an der Gründung der FeG Düsseldorf beteiligt war), und Poseck meinte ihn (Wilms) eindringlich vor den Offenen Brüdern warnen zu müssen. Dazu zitierte bzw. übersetzte er ausführlich aus den OB-kritischen Schriften The Brethren (commonly so-called) von Andrew Miller und Is There Not a Cause? von Alexander Craven Ord und nannte abschreckende Beispiele aus seiner eigenen Erfahrung. Sein Hauptvorwurf lautete, dass die Offenen Brüder die Irrlehren Newtons nicht ausreichend verurteilt hätten und sie immer noch duldeten, ja teilweise sogar selbst verträten.

Was auch immer man von diesem Standpunkt halten mag – einige Behauptungen August Jungs müssen wohl korrigiert oder zumindest modifiziert werden. Ich denke da an folgende:

nachdem dieser [Wilms] ihn [Poseck] noch anfangs 1882 in London besucht hatte.3

Für diese Aussage nennt Jung keinen Beleg; nach dem Brief stellt sich die Situation anders dar. Wilms hatte Poseck brieflich um ein Exemplar der Schrift Christus oder Park-Street gebeten; diese erschien frühestens im September 1882. Zu dieser Zeit war Wilms dem Verfasser aber noch „persönlich unbekannt“, deshalb bat Poseck ihn, zuerst seinen „religiösen Standpunkt und Verbindung“ angeben, was Wilms auch tat. Die Antwort stellte Poseck zufrieden, aber dann verlegte er Wilms’ Brief und vergaß seinen Namen, sodass er ihm erst mit großer Verspätung antworten konnte – sein Brief muss nach dem 8. Mai 1883 geschrieben worden sein, denn er erwähnt den „kürzlich entschlafenen A. Miller“. Eine persönliche Begegnung Wilms’ mit Poseck Anfang 1882 in London ist daher wohl eher unwahrscheinlich.

so tadelt v. Poseck ihn [Darby] und seine Anhänger als solche, die mit „einem engen Herzen auf dem engen Pfade wandeln“ […]. Somit kämpft er an zwei Fronten: Gegen eine sektiererische Enge derer in Park Street […]4

Es ist nicht sicher, dass Poseck mit dem zitierten Satz auf Darby abzielt. Darby und Park-Street kommen in dem ganzen Brief nicht vor.

Gleichwohl kam er [Poseck] öfter als früher zurück nach Deutschland und verwirklichte sein neues, brüderliches Programm dahingehend, dass er in jene freistehenden Kreise ging, die von dem weit bekannten „Offenen Bruder“ Friedrich Wilhelm Baedeker (1823–1906) geprägt waren. […] Im Einzelnen handelt es sich darum, dass durch die Wirksamkeit Baedekers einzelne Gemeinden im Westen Deutschlands entstanden waren, die durch die „Open Brethren“ in England geprägt waren.5

Bedenkt man Posecks zurückhaltendes Urteil über Baedeker und sein vernichtendes Urteil über die Offenen Brüder, erscheint es eher zweifelhaft, ob er die beschriebenen Kreise wirklich regelmäßig aufgesucht und sich dort wohlgefühlt hat. Immerhin verfolgte sein Brief von 1883 ausdrücklich das Ziel, sowohl Wilms als auch Baedeker „zur Befreiung von einer Gemeinschaft [zu] dienen“, „die nach meiner innersten Überzeugung nicht zur Ehre Gottes ist und der Sie sowohl wie er, wie ich gerne glauben möchte, bisher nur aus Mangel an genauerer oder vielleicht wegen vorenthaltener Kenntnis des wahren Tatbestandes angehört haben“.