Schlagwort-Archiv: William Henry Darby

200. Geburtstag von Carl Brockhaus

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Carl Brockhaus (1822–1899)

Bei allen Reformationen und Erweckungen hat Gott Männer gegeben, die durch seine Kraft Herrliches vollbracht und Großes gewirkt haben. Und wenn später die Kirchengeschichte des jetzigen Jahrhunderts geschrieben werden wird, dann wird gewiß auch der Name Karl Brockhaus genannt werden als der des Mannes, der die herrliche Bewegung für die Wahrheit der Absonderung der Kinder Gottes und ihrer Aufnahme dem Herrn entgegen in die Luft in Deutschland anregte.1

Diese bemerkenswerten Sätze sagte Hermanus Cornelis Voorhoeve im Mai 1899 auf der Beerdigung von Carl Brockhaus. Bemerkenswert sind sie zum einen wegen des Freimuts, dem Verstorbenen einen derartigen Ausnahmerang zuzuerkennen (die „Brüder“-typische Beteuerung „wir sind nicht hierher gekommen, um Menschen zu loben“2 durfte allerdings trotzdem nicht fehlen), zum anderen aber auch wegen der selbstverständlichen Annahme, dass in Zukunft noch einmal eine Kirchengeschichte des 19. Jahrhunderts geschrieben werden würde – ein eigenartiger Kontrast zur unmittelbaren Nah­erwartung der Wiederkunft Jesu, die auch Voorhoeve am Schluss seiner Ansprache deutlich zum Ausdruck brachte:

Bald kommt der Herr Jesus, um alle die Seinigen aufzunehmen in das herrliche Haus des Vaters, wo er eine Stätte für uns bereitet hat. […] Noch wenige Augenblicke, und die Pilgerreise ist beendet und wir genießen ewige Ruhe und ewige Freude bei Jesu.3

123 Jahre später können wir jedenfalls sagen, dass Carl Brockhaus tatsächlich einen Platz in der Kirchengeschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts gefunden hat, wenn auch vor allem in der freikirchlichen und „Brüder“-internen. Er gilt unbestritten als Gründervater der deutschen Brüderbewegung, denn erst seit seiner Reisetätigkeit ab 1853 kann von einer „Bewegung“ im eigentlichen Sinne gesprochen werden – die älteren Gemeindegründungen in Stuttgart und Tübingen blieben lokal begrenzt, und der Arbeit von Julius Anton von Poseck und William Henry Darby im Rheinland fehlten zu größerem Erfolg vielleicht die Volkstümlichkeit und die Kontakte, die Carl Brockhaus vom Evangelischen Brüderverein mitbrachte.

Lebensbilder

Über Carl Brockhaus’ Leben ist bereits so viel geschrieben worden, dass ich hier auf eine eigene Skizze verzichten kann. Leider ist die maßstabsetzende, wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Monografie von Rolf-Edgar Gerlach seit vielen Jahren vergriffen; online liegen immerhin Darstellungen folgender Autoren vor (chronologisch sortiert):

Den frühen Arbeiten von Eylenstein und Meister kommt teilweise der Wert von Primärquellen zu, da sie Auszüge aus den im Zweiten Weltkrieg verlorengegangenen Briefen von Carl Brockhaus zitieren (Eylenstein spricht von allein 195 Briefen an seine Frau aus den Jahren 1852 bis 18954). Es existiert ferner ein brauchbarer, wenn auch knapper Artikel in der deutschsprachigen Wikipedia.

Neue Erkenntnisse

Der FeG-Kirchenhistoriker August Jung räumte um die Jahrtausendwende mit der bis dahin in der Literatur vorherrschenden Ansicht auf, es sei Heinrich Thorens gewesen, der Carl Brockhaus mit den Erkenntnissen John Nelson Darbys bekannt gemacht habe. Nach Jung kommt dieses Verdienst vielmehr Julius Anton von Poseck zu,5 und tatsächlich scheint ein erst später wiederentdecktes Zeugnis Darbys diese Version zu bestätigen. Darby berichtete am 24. November 1853 anlässlich eines „Tea Meetings“ in London:

Unser Bruder Von Poseck kam an einen oder zwei aus diesem Brüderverein heran, die umherzogen, Bibeln verkauften und sie anderen vorlasen. Durch sie verbreitete er unter ihnen verschiedene Traktate, die er aus dem Englischen übersetzt hatte, wie z.B. „Die Hoffnungen der Kirche“ usw., und einige aus dem Brüderverein nahmen die Wahrheit aus diesen Traktaten auf und gaben sie an andere weiter.6

Laut Walther Hermes stand allerdings auch Heinrich Thorens (der nichts mit dem Brüderverein zu tun hatte) in Kontakt mit den von William Henry Darby und Julius Anton von Po­seck in Düsseldorf und Hilden gegründeten Versammlungen und wurde von W. H. Darby auch mindestens einmal in Elberfeld besucht.7 Die für Jung so essentielle Frage „Thorens oder Poseck?“ muss also gar nicht als rigoroses Entweder-Oder betrachtet werden, wie Jung vorauszusetzen scheint, sondern es können durchaus auch beide Brüder an Carl Brockhaus’ Hinwendung zu Darbys Lehren beteiligt gewesen sein.

Dass Poseck bereits vor Brockhaus auch im Wuppertal aktiv war und z.B. 1852 in Gemarke (ca. 5 km nordöstlich von Elberfeld) Versammlungen mit Abendmahl abhielt, ist durch einen zeitgenössischen kirchlichen Bericht belegt.8 Aus dem 2019 erstmals veröffentlichten Briefwechsel zwischen Darby und Wigram geht jedoch hervor, dass sogar in Elberfeld bereits 1852 eine Versammlung der „Brüder“ bestanden haben muss. Wigram schrieb nämlich am 4. Dezember 1852 an Darby:

Von Poseck lässt Sie herzlichst grüßen. Er hat drei Tage Gefängnis bekommen und hatte dadurch Zeit, mit sieben Gefangenen zu sprechen. Er sagt, dass in Eberfeldt jetzt 50 [Personen] das Brot brechen.9

Einen Ort namens „Eberfeldt“ gibt es in Deutschland nicht10– man kann wohl davon ausgehen, dass hier ein Schreib- oder Lesefehler vorliegt und Elberfeld gemeint ist.11 Bedenkt man die Kontakte zwischen Thorens und den „Düsseldorfern“, ist die Existenz dieser Versammlung – vielleicht in Thorens’ Wohnung? – im Grunde auch gar nicht verwunderlich; die Größe von 50 Personen (Abendmahlsteilnehmern!) erscheint allerdings beachtlich.

Der Briefwechsel zwischen Darby und Wigram ermöglicht auch sonst noch einige Erweiterungen und Korrekturen unseres bisherigen Kenntnisstandes. Darbys erste Erwähnung von Carl Brockhaus im März 1854 macht z.B. deutlich, dass die übersteigerten Heiligkeits- und Sündlosigkeitslehren, die den „Brüdern“ in zeitgenössischen Berichten oft vorgeworfen wurden, auch im Kreis um Brockhaus durchaus verbreitet waren:

Ich hatte vor, Ihnen insbesondere deshalb zu schreiben, weil die deutschen Brüder, Müller,12 Brockhaus usw., sich sehr wünschen, Sie zu sehen, falls Sie auf Ihrer Rückreise13 durch Deutschland kommen. Es sind liebe Menschen, die, wie Sie wissen, in der Gefahr standen, das Fleisch in der Praxis nicht anzuerkennen – nicht in der Lehre, sondern weil sie ausschließlich auf Christus schauten; aber ich hoffe, sie sind völlig davon befreit. […] Müller und Brockhaus wohnen in der Deweerthstraße, Elberfeld.14

Ein halbes Jahr später, während seines Besuchs in Elberfeld zur Übersetzung des Neuen Testaments, kam Darby nochmals auf dieses Thema zu sprechen:

In einer Person – und vielleicht in einer zweiten, aber ich war nicht ganz sicher, ob ich ihn verstand – fand ich noch Reste des Irrtums, der sie bedrohte; der Erste war sehr gesprächsbereit und der Zweite ein lieber Mensch, aber ich denke, die Wurzel des Irrtums ist zerstört, und ich habe Brockhaus für den Botschafter einen Artikel über Römer 7 diktiert;15 die Gefahr ist durch [Gottes] Barmherzigkeit gebannt.16

Im selben Brief berichtete Darby über die begonnene Übersetzungsarbeit:

Ich diktiere Brockhaus jetzt eine Übersetzung des Neuen Testaments; Brockhaus sorgt für das deutsche Idiom, und ich hoffe, [auch noch] Posecks Hilfe zu bekommen.17

Zur Entstehung der Elberfelder Bibel finden sich in der Briefausgabe noch viele weitere bisher unbekannte Informationen, die im Rahmen dieses Carl Brockhaus gewidmeten Beitrags aber nicht alle ausgewertet werden können. Relevant ist noch folgendes Lob im Zusammenhang mit der Übersetzung des Alten Testaments 1869/70:

Brockhaus verfügt über ein gutes Deutsch und Voorhoeve über einen sehr klaren Kopf und das Gedächtnis, alle Punkte zu bemerken, die übersehen werden könnten, während ich mich im Hebräischen vergraben habe […].18

Wigram erwähnte 1863 eine Geldspende aus England an die Geschwister um Brockhaus:

[…] da ich von Carl Brockhaus gehört habe, dass in seiner Umgebung die Unseren in großer Not sind, erschien es besser, £ 1519 an ihn zu senden (es war die zweite Summe für ihn, denn Ralph Evans’20 Notgroschen, den er an Mrs Wheeler oder sonst jemand geschickt hatte, war auf £ 17 angewachsen und vorher [an Brockhaus] gegangen), wo die Not gegenwärtig am stärksten drückt, als sie im Stich zu lassen […]21

Abschließend noch eine tragische Kuriosität, die sich Anfang 1861 in Ründeroth zutrug und sogar von einer österreichischen Zeitung gemeldet wurde:

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Kremser Wochenblatt, 23. Februar 1861, S. 3

200. Geburtstag von William Kelly

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William Kelly (1821–1906)

Diesen Beitrag kann ich genauso beginnen wie den über Charles Henry Mackintosh am 1. Oktober 2020:

In diesem Monat wäre William Kelly, einer der bekanntesten Geschlossenen Brüder des 19. Jahrhunderts, 200 Jahre alt geworden. Leider ist sein genaues Geburtsdatum (ebenso wie das seines sieben Monate älteren Landsmanns Charles Henry Mackintosh) nicht bekannt und auch von seinem Biografen Edwin Cross nicht ermittelt worden – vielleicht weil die betreffenden Kirchenbücher bei der Zerstörung des Public Record Office im Irischen Bürgerkrieg (1922) verloren gingen?1

Leben

Über Kellys Leben liegen online mindestens 20 kürzere oder längere Biografien, Würdigungen, Artikel und sogar eine Dissertation vor, sodass ich hier wie üblich auf eine eigene Skizze verzichte und nur eine sprachlich und chronologisch sortierte Linkliste biete:

In deutscher Sprache:

In englischer Sprache:

In niederländischer Sprache:

Nachrufe

Bei meinen Recherchen im British Newspaper Archive (BNA) bin ich auf mehrere Zeitungsartikel über Kellys Tod gestoßen, die meines Wissens bisher noch nie vollständig zitiert worden sind und daher hier einen Platz finden mögen. Den Anfang scheint die renommierte Londoner Times gemacht zu haben, die im BNA leider nicht vertreten ist; der Wortlaut ihres Nachrufs lässt sich aber der Yorkshire Post vom 2. April 1906 entnehmen:

1906-04-02 The Yorkshire Post 8 Obituary (Kelly)
The Yorkshire Post, 2. April 1906, S. 8

Dieser von einem ungenannten Korrespondenten (vielleicht E. E. Whitfield?) eingesandte Nachruf bildete wohl die Grundlage für die weiteren Zeitungsartikel über Kellys Tod. Die Brighton Gazette brachte am 5. April eine Notiz in der Spalte „Personal Gossip“:

1906-04-05 Brighton Gazette 7 Personal Gossip (Kelly)
Brighton Gazette, 5. April 1906, S. 7

Ein deutlich längerer Text, der den Times-Nachruf ebenfalls mit verwertet, aber auch die Trennung von 1881 erwähnt und von Kellys Beerdigung berichtet, erschien einen Tag später im Kentish Mercury (Greenwich). Der besseren Lesbarkeit halber gebe ich ihn in Transkription wieder:

The death occurred on Tuesday last week, at The Firs, Denmark-road, Exeter, of Mr. William Kelly, of Verner Lodge, Belmont-park, Lee. The deceased gentleman, who was a well-known member of the Plymouth Brethren, was born in the north of Ireland in 1820 [sic!]. He graduated at Trinity College, Dublin, with the highest honours in Classics, and joined the Plymouth Brethren in 1840. In 1860 he published a critical Greek Text of the Revelation of St. John, which Ewald pronounced in the Göttinger Jahrbücher to be the best piece of work of the kind that had come under his notice. For 50 years Mr. Kelly was editor of the monthly Bible Treasury, a periodical which the late Archdeacon Denison in his old age described as “the only one worth reading.” A book on the Mosaic Cosmogony – In the Beginning – brought to the writer a warm appreciation from Archbishop Benson. The Times says: – “In the judgment of outsiders he was a representative of erudition second only to Tregelles. Mr. Kelly was characteristically a lecturer; his discourses on the Apocalypse – from the Futurist point of view – and those on the New Testament doctrine of the Holy Spirit have been widely circulated. His last most considerable work is entitled God: [sic] Inspiration of the Scriptures (1903), in which he combated the Higher Criticism. A man of incisive intellect and a keen controversialist, he was the chief henchman of the late John Nelson Darby (‘J.N.D.’), and editor of his Collected Writings.” But in 1881 their friendship was broken, and the “Close Brethren” divided into “Kellyites” and “Darbyites.” For a considerable period Mr. Kelly resided in Guernsey, but for the last 30 years his home was at Lee, he attending the meeting at Bennett-park, Blackheath. He recently, on the suggestion of the Archbishop of York, presented his large and valuable theological library to the town of Middlesbrough. The funeral took place at Charlton Cemetery on Saturday, between 500 and 600 persons being present. In accordance with deceased’s strong aversion to anything like display the ceremony was of a very quiet and unostentatious character. At the graveside the hymns “For ever with the Lord” and “Saviour before Thy face we fall” were sung, and appropriate portions of Scripture were read. Addresses were given by Dr. Heyman Wreford, of Exeter (at whose house Mr. Kelly died), and Mr. T. Moore, of Bournemouth, the latter saying that a fortnight before his death Mr. Kelly remarked that there were three things that were real, the Cross of Christ, hatred of the world, and love of God. The funeral arrangements were entrusted to Messrs. Francis Chappell and Sons, of Lee Bridge and Catford.2

Der Rat der Stadt Middlesbrough, der Kelly seine Bibliothek gestiftet hatte, drückte in seiner Sitzung vom 10. April sein Bedauern über den Tod des Spenders aus:

1906-04-11 The Yorkshire Post 9 (Kelly)
The Yorkshire Post, 11. April 1906, S. 9

Zweieinhalb Wochen später war in der Presse – heute unvorstellbar – sogar der Wert von Kellys Nachlass zu lesen:

1906-04-28 Irish Independent 6 (Kelly)
Irish Independent, 28. April 1906, S. 6
1906-05-04 The Kentish Mercury 2 (Kelly)
The Kentish Mercury, 4. Mai 1906, 2

£ 5892 bzw. 5891 entsprechen nach heutiger Kaufkraft mindestens £ 630.800 (= ca. € 734.500).

Ewald über Kelly

Die drei im Times-Nachruf genannten prominenten Kelly-„Bewunderer“ Ewald, Denison und Benson werden auch in späteren Lebensbildern Kellys immer wieder zitiert (was einigermaßen erstaunlich ist, legen die Geschlossenen Brüder doch sonst auf den Beifall der „Welt“, auch der „religiösen Welt“, wenig Wert). Besonders interessant – da nachprüfbar – ist die Aussage des gemäßigt bibelkritischen3 Göttinger Theologieprofessors Heinrich Ewald (1803–1875) über Kellys griechische Edition der Offenbarung. Das Zitat tritt in zwei leicht voneinander abweichenden Varianten auf: Laut der Times hielt Ewald das Buch für “the best piece of work of the kind that had come under his notice”; in Chief Men among the Brethren überliefert Whitfield später den Wortlaut “the best piece of English work of the kind that he had seen”.

Ewalds Rezension erschien 1861 im 11. Band seiner Jahrbücher der Biblischen wissenschaft [sic], umgangssprachlich Göttinger Jahrbücher genannt, S. 247f. (für eine schärfere Version bitte Bild anklicken):

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Jahrbücher der Biblischen wissenschaft 11 (1860/61), S. 247f.

Hat man sich einmal an die eigenartige Rechtschreibung gewöhnt (Ewald folgte den Reformvorschlägen Jacob Grimms), so stellt man überrascht fest, dass das Times-Zitat nirgendwo im Text vorkommt. Der Ton der Besprechung ist zwar insgesamt wohlwollend („recht nüzlich“, „sehr genau“, „manche gute bemerkung“), aber den Superlativ “best piece of work of the kind that had come under his notice” sucht man vergebens. Entweder hat Ewald sich noch woanders (vielleicht mündlich?) über das Buch geäußert, oder (wahrscheinlicher) wir haben es hier mit einer ungenauen Überlieferung zu tun, die mit der Zeit den Charakter einer frommen Legende annahm (immerhin vergingen zwischen der Rezension und Kellys Tod 45 Jahre).

Hätte Ewald gewusst, dass Kelly der Brüderbewegung angehörte, wäre seine Besprechung übrigens vielleicht kritischer ausgefallen. Zwölf Jahre zuvor hatte er nämlich zwei der frühen Übersetzungen von Julius Anton von Poseck und William Henry Darby in die Hände bekommen und in den Jahrbüchern rezensiert – falls man diesen unsachlichen, rein emotionalen Verriss überhaupt eine Rezension nennen kann:

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Jahrbücher der Biblischen wissenschaft 2 (1849), S. 77

150. Todestag von David Walther

troesterAls Julius Anton von Poseck und William Henry Darby 1849 begannen, englische und französische „Brüderliteratur“ ins Deutsche zu übersetzen, war ihr bevorzugter Autor John Nelson Darby – mehr als die Hälfte der „Düsseldorfer Schriften“ stammte aus seiner Feder. Unter den sonstigen Übersetzungen trug nur eine einzige einen Autorenvermerk: Die 22-seitige Broschüre Die Persönlichkeit des Trösters. Aus dem Englischen (1850) enthielt ein von „D. Walther“ unterzeichnetes Vorwort.

Angesichts der th-Schreibweise des Nachnamens würde man den Verfasser vielleicht eher im deutschen als im englischen Sprachraum vermuten, und tatsächlich stammte der Vater von David Walther aus Deutschland: Johann Heinrich Walther (1745/46–1835) war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts von Hannover nach London ausgewandert, wo er sich Henry nannte und in den 1780er Jahren eine Buchbinderei gründete. Als ältester überlebender Sohn aus seiner 1790 geschlossenen zweiten Ehe mit Henrietta Petit (1756–1815) wurde 1794 der hier in Rede stehende David geboren.

Leben

Über Walthers Leben und Wirken hat der langjährige CBA-Archivar David Brady 2017 in der Brethren Historical Review einen ausführlichen Artikel veröffentlicht, der in einer 2020 nochmals erweiterten und aktualisierten Fassung auf der BAHN-Website verfügbar ist. Ich kann mich daher im Folgenden auf einen knappen Überblick beschränken.

David Walther ließ sich – nach einigen frühen Versuchen als Dichter – spätestens 1820 als Buchhändler und Verleger in der Brydges Street im Londoner Stadtteil Covent Garden nieder. 1823 heiratete er Isabella Hawkins, die in den folgenden Jahren zwei Töchter zur Welt brachte, jedoch bereits 1831 starb. 1834 zog Walther mit seinem Geschäft in die Straße Piccadilly, 1836 schloss er sich wahrscheinlich den „Brüdern“ an. In seinem Verlag hatte er von Anfang an neben säkularen auch christliche Titel herausgegeben, darunter 1833 ein Buch aus eigener Feder (Vindiciæ Biblicæ: A Series of Notices and Elucidations of Passages in the Old and New Testaments, which have been the Subject of Attack and Misrepresentation by Deistical Writers). Das Werk, das mit fünf Auflagen wohl zum größten Bestseller des Unternehmens wurde, erschien ab 1838: Jean-Henri Merle d’Aubignés History of the Great Reformation of the Sixteenth Century in Germany, Switzerland, etc. in anfangs drei, später fünf Bänden.

Von 1841 bis 1846 verlegte Walther auch Schriften von Darby. Nach der Spaltung von 1848 kam seine Versammlung in der Londoner Orchard Street jedoch auf der „offenen“ Seite zu stehen, die Walther mit mehreren Schriften auch publizistisch unterstützte, allerdings nicht mehr im eigenen Verlag: Etwa um diese Zeit stellte er seine Geschäftstätigkeit ein und ließ die ca. 40 meist knappen Schriften seiner letzten beiden Lebensjahrzehnte (die umfangreichste darunter war eine 74-seitige Erwiderung auf Francis William Newmans Phases of Faith, 1851) bei anderen Londoner Verlagen wie Campbell, Yapp oder Nisbet erscheinen. Am 16. April 1871, heute vor 150 Jahren, starb David Walther in seiner Londoner Wohnung.

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The Whitehaven News, 20. April 1871, S. 5
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National Probate Calendar 1871

„Die Persönlichkeit des Trösters“

Als die Broschüre Die Persönlichkeit des Trösters 1850 in Düsseldorf erschien, gehörte ihr Autor demnach bereits den Offenen Brüdern an. Möglicherweise war dies den Übersetzern gar nicht bekannt – Julius Anton von Poseck war ja erst im Sommer 1848 (ziemlich genau zur Zeit der Bethesda-Trennung) zum Glauben gekommen, und William Henry Darby hielt sich seit Herbst 1848 in Düsseldorf auf (die Versammlung Walthers in der Orchard Street wurde erst 1849 von der Trennung erreicht). Vielleicht war ihnen aber auch der Inhalt wichtiger als die Gemeindezugehörigkeit des Verfassers – mit Jerusalem und der Mensch der Sünde (ebenfalls 1850) brachten sie immerhin sogar eine Schrift heraus, die (zumindest teilweise) auf Benjamin Wills Newton zurückging.1

Das englische Original der Walther-Broschüre, The Personality of the Comforter, Briefly Considered, war 1848 in London erschienen und ist heute extrem selten: Außer in der British Library scheint nirgendwo mehr ein Exemplar erhalten geblieben zu sein, auch nicht im Christian Brethren Archive. Thema der Schrift ist die Personalität oder Personhaftigkeit des Heiligen Geistes – das griechische Wort parakletos (Joh 14,16.26; 15,26; 16,7; 1Joh 2,7), das in der Elberfelder Bibel traditionell mit „Sachwalter“ übersetzt wurde (in der revidierten Ausgabe seit 1985 „Beistand“), erscheint in der englischen Authorized oder King James Version (und auch noch in der Übersetzung Darbys2) als „Comforter“.

walther_vorwortDie Wiedergabe mit „Tröster“ war zeitgenössischen deutschen Lesern aus der Lutherbibel vertraut; insofern bot der Titel der Broschüre keine Verständnisschwierigkeiten. Vom Innenteil lässt sich dies leider nicht sagen; tatsächlich ist die Übersetzung von einer derartigen Sperrigkeit und Schwerfälligkeit, dass man viele Sätze mehrmals lesen muss, um ihnen überhaupt einen Sinn abzugewinnen.

Bereits die ersten zwei Absätze des Vorworts sind keine stilistische Meisterleistung, wenn auch noch nachvollziehbar:

Ein Wort, das ich mit einem theuern Bruder gewechselt habe, veranlaßt mich, eine Bemerkung zu machen in der Weise eines Vorwortes.

Indem der heilige Geist gegeben ist, um der Kirche zu helfen, damit sie ihr Nahesein zu Gott bewirklichen möge; so ist der Geist doch oft so sehr mißverstanden worden, daß der Herr dadurch sogar in Entfernung gestellt ward. (S. [3])

„In der Weise eines Vorwortes“, „Nahesein zu Gott bewirklichen“, „in Entfernung gestellt“ – das war auch Mitte des 19. Jahrhunderts kein geläufiges, idiomatisches Deutsch (für keine dieser Wendungen findet man Treffer auf Google Books). Aber es wird noch deutlich schlimmer:

Das Andenken an den heiligen Geist, als an eine gesandte Person, was eine große Schriftwahrheit ist, wird als ganz besonders hervorgehoben von der heil. Schrift unterhalten; – und es beugt dem nebelartigen Wahrnehmen, unter welchem die Kenntniß von Gott zuweilen entwickelt wird, vor. (S. 9)

Von der Heiligen Schrift wird also „das Andenken als ganz besonders hervorgehoben unterhalten“, und die Kenntnis von Gott wird „zuweilen unter einem nebelartigen Wahrnehmen entwickelt“ – was damit gemeint ist, kann man allenfalls erahnen, und man hätte gerne die englische Vorlage zum Vergleichen! Dass es keine bessere Möglichkeit gab, diese Sätze ins Deutsche zu übertragen, mag man jedenfalls kaum glauben.

Der Gesandte für die gegenwärtige Heilsanstalt trägt das Zeugniß von Ihm, – welchen zu sehen den Vater sehen war. (S. 10)

„Heilsanstalt“ ist möglicherweise ein früher Übersetzungsversuch für das englische Wort dispensation, aber ob den Zeitgenossen die Bedeutung dadurch wirklich transparent wurde, erscheint zweifelhaft. Auch der Satzteil nach dem Gedankenstrich kann schwerlich als gutes, idiomatisches Deutsch durchgehen.

Wir träumen und plaudern von Einfluß, wann er mit unserem Geiste in Vertraulichkeit umgeht, und das bis zum Unerforschlichen der frohen Gegenstände dieser Wahrheit. (S. 12)

Der erste Satzteil (bis „umgeht“) soll offenbar betonen, dass der Heilige Geist eine Person ist und kein bloßer „Einfluß“, aber der letzte Teil hängt sowohl syntaktisch als auch semantisch seltsam in der Luft – was soll man sich unter dem „Unerforschlichen der frohen Gegenstände dieser Wahrheit“ vorstellen?

Ich schätze die Thatsache, daß die Form [„den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“] nur bei Matthäus vorkommt. (S. 13)

„Schätzen“ ergibt hier wenig Sinn; in der Vorlage könnte acknowledge gestanden haben, was zwar auch „schätzen, würdigen“ bedeuten kann, hier aber besser mit „zugeben, einräumen“ zu übersetzen wäre.

Tragen wir dieß im Gemüthe, dann werden wir fähiger sein, den Grund für die theilweise Oeffnung der Wahrheit, wo diese vorkömmt, zu verstehen, welche wir in der Unruhe der Neugierde erfolglos zuvergrößern [sic] suchen.

Ich kann mich keiner Sache erinnern, die als ein Bedürfniß der Kirche eine weitere Eröffnung der Verhältnisse zwischen den Personen der Dreieinheit erheischen könnte, als schon gegeben ist. (S. 18)

Man versteht hier – wie an vielen Stellen der Broschüre – zwar einzelne Satzteile, aber es wäre mir nicht möglich, den Sinn dieser beiden Absätze mit eigenen Worten wiederzugeben.

Ob Die Persönlichkeit des Trösters ein repräsentatives Beispiel für die Qualität der Poseck-Darby’schen Übersetzungen ist, bedürfte einer genaueren Untersuchung; in den bisherigen Darstellungen (Ischebeck, Hermes, Jung usw.) sind die „Düsseldorfer Schriften“ ja immer nur aufgelistet, aber nie inhaltlich oder sprachlich analysiert worden. Wahrscheinlich wird man davon ausgehen können, dass der schriftliche Dienst von Carl Brockhaus ab 1853 auch deswegen eine größere Wirkung erzielte, weil er es verstand, sich volkstümlicher auszudrücken. Was David Walther angeht, so blieb Die Persönlichkeit des Trösters wohl die einzige seiner Schriften, die ins Deutsche übersetzt wurde.


200. Geburtstag von Heinrich Thorens

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Heinrich Thorens (1817–1864)

Heinrich Thorens war einer der Männer, die einen bedeutenden Beitrag zum Entstehen der Brüderversammlungen in Deutschland gegeben haben, ohne dabei jedoch persönlich besonders hervorzutreten.

So schrieb Paul Krumme 1990 in der Zeitschrift Die Wegweisung.1 Heinrich Thorens’ Geburtstag jährt sich heute zum 200. Mal;2 aus diesem Anlass soll Krummes kurzer Artikel, der meines Wissens die einzige in sich abgeschlossene Veröffentlichung über Thorens geblieben ist, hier vollständig wiedergegeben werden.

Er wurde 1817 als Sohn eines Gastwirts im Kanton Neuchâtel (französische Schweiz)3 geboren, lernte aber schon früh, auf der höheren Stadtschule in Biel, auch die deutsche Sprache.

Um das Jahr 1830 kamen während einer Erweckungsbewegung in der Westschweiz viele Menschen zum Glauben. Zu denen, die das Heil in dem Herrn Jesus fanden, gehörte auch Heinrich Thorens.

Durch John Nelson Darby, der Anfang der vierziger Jahre in der Schweiz weilte und wirkte, wurde Thorens mit der biblischen Lehre über Heilsgewißheit, Bedeutung der Versammlung/Gemeinde des Herrn, Nachfolge usw. bekannt. Als Folge davon trat er aus der Staatskirche aus.

Thorens wurde Musterzeichner. Um sich in diesem Beruf weiterzubilden, begab er sich um 1841/42 nach Lyon, dem Zentrum der französischen Seidenindustrie. Zu dieser Zeit hielt sich auch der etwa gleichaltrige Hermann Heinrich Grafe dort auf. Die beiden jungen Männer lernten sich kennen und schlossen Freundschaft. Thorens ging zu der kleinen Brüderversammmlung in Lyon, während sich Grafe der dortigen Freien Gemeinde anschloß.

Grafe hatte in Wuppertal-Barmen zusammen mit seinem Schwager eine Textilfirma, Grafe und Neviandt. Er stellte 1846 Heinrich Thorens als Musterzeichner ein. Mit ihm hatte er für seinen Betrieb einen fähigen und fleißigen Mitarbeiter bekommen, aber weit höhere Bedeutung sollte Thorens’ Übersiedlung nach Westdeutschland auf geistlichem Gebiet haben.

Da der junge Schweizer schon durch das Gedankengut der „Brüder“ geprägt war, besuchte er die gerade im Entstehen begriffenen Brüderversammlungen in Düsseldorf und Hilden. Bald hatte er enge Verbindung mit Julius Anton von Poseck und William H. Darby (einem Bruder John Nelson Darby’s) und lernte auch die „Lehrbrüder“ (zu denen auch Carl Brockhaus zählte) des „Evangelischen Brüdervereins“ kennen, der im Juli 1850 gegründet worden war. Bei regelmäßigen Zusammenkünften in den Wohnungen Grafe’s und C. Brockhaus’ konnte Thorens die ihm klargewordenen Grundsätze des Wortes Gottes weitergeben. Wie sehr er dadurch auch Carl Brockhaus beeinflußte, geht aus einem Schriftstück hervor, das dessen ältester Sohn Ernst verfaßte und in dem es heißt, daß „besonders Bruder Thorens“ dazu beitrug, daß das Verständnis seines Vaters über die Wahrheit, das Wesen der Versammlung Christi, ihre Einheit durch den Geist Gottes, ihre Verbindung mit dem Haupt droben und ihre himmlische Stellung wuchs.4

Aufgrund seiner Gesinnung und von Demut geprägten Haltung war Heinrich Thorens allgemein geschätzt. Er nutzte jede freie Zeit, um das Evangelium von dem Herrn Jesus zu verkündigen.

Er war es gewohnt, einen bedeutenden Teil seines Einkommens für mildtätige Zwecke und für die Arbeit im Werk des Herrn zur Verfügung zu stellen. Infolge dessen stand nach seinem frühen Tod im Jahre 18645 seine Familie fast mittellos da. Jedoch kamen sowohl die Firma Grafe und Neviandt als auch die Elberfelder Brüderversammlung für ihre Bedürfnisse auf.

In Heinrich Thorens sehen wir ein deutliches Beispiel dafür, wie wunderbar die Wege des Herrn verlaufen. Ein junger Mann wird in seiner Heimat – der Schweiz – mit biblischem Gedankengut vertraut, das Brüdern in England neu geschenkt worden war. In Frankreich lernt er einen Deutschen kennen, der ihn als Mitarbeiter in seine Firma nach Westdeutschland holt, und in diesem Raum kann er sein Schriftverständnis weitergeben und dadurch wesentliche Anstöße geben zu einer „Glaubensbewegung“, die sich bald über weite Teile Deutschlands erstrecken sollte. Gott plant im voraus jeden Schritt der Gläubigen und fügt alles so zusammen, daß es zum Bau und zur Auferbauung des wunderbaren Organismus des „Leibes des Christus“ beiträgt!

Einige weitere Einzelheiten aus Thorens’ Leben erfahren wir aus der Grafe-Biografie von Walther Hermes (die zweifellos auch Krummes Hauptquelle war):

Als einst ein Heimarbeiter eine fehlerhafte Webarbeit ablieferte und damit auffiel, schob dieser die Schuld auf den Musterzeichner, den er nicht zugegen glaubte. Thorens stand auf, sich zu rechtfertigen, unterdrückte aber plötzlich seine Rede und ging wortlos an sein Pult zurück. Als ihm in jenen unruhigen Zeiten auf der Ronsdorfer Landstraße einmal ein Wegelagerer Uhr und Geld abforderte, gab er dieses sogleich her, wies dann aber den Räuber ernst und liebevoll auf die Folgen seiner Tat hin, worauf ihm dieser, der wohl erst ein Anfänger in diesem bösen Handwerk war, beschämt beides zurückgab. Seine ganze freie Zeit widmete er dem Werk des Herrn, für den er in den Kreisen der Weber mit Wort und Schrift zu werben suchte, wobei er manche Arme und Kranke besuchte, deren es damals in den Auswirkungen der Cholerazeit viele gab.6

Am Rande sei noch erwähnt, dass die bekannte Schweizer Firma Thorens, die zuerst Musikdosen und andere Musikapparate, im 20. Jahrhundert aber vor allem hochwertige Plattenspieler herstellte, 1883 von Heinrich Thorens’ in Elberfeld geborenem Sohn Hermann (1856–1943) gegründet wurde.

Namen und Daten

Im Zuge meiner Recherchen im British Newspaper Archive und anderswo konnte ich einige Lebensdaten von „Brüdern“ präzisieren oder korrigieren – insbesondere von solchen, die in Henry Pickerings Chief Men among the Brethren1 enthalten sind. Bekanntermaßen schwankt die Qualität und Exaktheit der Artikel in diesem Sammelband erheblich; oft sind nur die Geburts- und Todesjahre und nicht die genauen Tage angegeben, manchmal kann man selbst die Jahre nur dem alphabetischen Inhaltsverzeichnis entnehmen, und einige Angaben sind auch schlichtweg falsch. Hier meine Erkenntnisse (in alphabetischer Reihenfolge).

Francis Christopher Bland (1826–1894)

Bei Pickering wird Bland nur „F. C.“ genannt, im Katalog des Christian Brethren Archive „Frederick Christopher“. Tatsächlich lautete sein erster Vorname Francis, wie man u.a. in seiner Todesanzeige lesen kann (zum Vergrößern anklicken):

1894-04-06 The Morning Post 1 Deaths (Bland)
The Morning Post, 6. April 1894, S. 1

Als Geburtsjahr gibt Pickering korrekt 1826 an; das genaue Datum (8. Oktober) ist in zeitgenössischen Adelsverzeichnissen wie z.B. Bernard Burkes Genealogical and Heraldic History of the Landed Gentry of Great Britain & Ireland (51871) zu finden. (Die Website The Peerage nennt übrigens einen falschen Geburtstag und ein falsches Todesjahr.)

George Brealey (1823–1888)

Nach Pickering starb Brealey Anfang März 1888. Der Taunton Courier vom Mittwoch, dem 14. März 1888 datiert seinen Tod auf “Tuesday morning”, womit vermutlich eher der 6. als der 13. März gemeint ist:2

1888-03-14 Taunton Courier 9 (Brealey)
Taunton Courier, 14. März 1888, S. 9

Adelbert Percy Cecil (1841–1889)

Bei Pickering und in den meisten anderen brüdergeschichtlichen Werken lautet Cecils erster Vorname „Adalbert“; zeitgenössische Presse und Adelsverzeichnisse überliefern aber einheitlich die Schreibweise „Adelbert“. Hier eine der ersten Meldungen seines Todes:

1889-06-14 Sheffield Daily Telegraph 5 (Cecil)
Sheffield Daily Telegraph, 14. Juni 1889, S. 5

William Henry Dorman (1802–1878)

Pickering nennt – ebenso wie Rowdon im Blackwell Dictionary of Evangelical Biography3 – nur Dormans Todesjahr; das genaue Todesdatum (14. September) erfährt man aus der Pall Mall Gazette:

1878-09-20 The Pall Mall Gazette 3 Deaths (Dorman)
The Pall Mall Gazette, 20. September 1878, S. 3

Samuel Trevor Francis (1834–1925)

Vom Dichter des Liedes „O die tiefe Liebe Jesu“4 kennt Pickering nicht das genaue Geburtsdatum. Hier können inzwischen sogar moderne Internetdatenbanken weiterhelfen, z.B. das Center for Church Music: Francis wurde am 19. November geboren.

Percy Francis Hall (1801–1884)

Als Geburtsjahr Halls gibt Pickering 1804 an, was von allen späteren Darstellungen übernommen wurde.5 Halls tatsächliches Geburtsdatum – der 20. März 1801 – erschien jedoch bereits 1888 in einem genealogischen Periodikum6 und 1928 im Schülerverzeichnis der Westminster School.7 Das Todesdatum hingegen überliefert Pickering korrekter als die zeitgenössische Presse: Nach der mir vorliegenden Kopie der Sterbeurkunde vom 15. Oktober 1884 starb Hall am 11. Oktober, wie auch Pickering schreibt, und nicht am 13. Oktober, wie die Bath Chronicle behauptet (das Alter wird allerdings sowohl in der Sterbeurkunde als auch in der Zeitung falsch angegeben – ob Halls 20-jährige Enkelin Gertrude, die den Tod meldete, nur eine ungefähre Schätzung abgab?):8

1884-10-30 The Bath Chronicle 5 (Hall)
The Bath Chronicle, 30. Oktober 1884, S. 5

James Lampen Harris (1793–1877)

Harris’ zweiter Vorname wird von Pickering als „Lampden“ wiedergegeben (ebenso von Noel9 und Rowdon10). Die meisten neueren Darstellungen (z.B. Embley11, Coad12, BDEB13, Stunt14, Burnham15, Grass16) schreiben dagegen „Lampen“. In der zeitgenössischen Presse findet sich ausschließlich die letztere Form;17 hier zwei Beispiele:

1832-10-04 The Bath Chronicle 3 (Harris)
The Bath Chronicle, 4. Oktober 1832, S. 3
1877-10-18 The Bath Chronicle 5 (Harris)
The Bath Chronicle, 18. Oktober 1877, S. 5 (Todesanzeige)

Nach Stunt war „Lampen“ in Plymouth ein verbreiteter Nachname, der wahrscheinlich in Harris’ Verwandtschaft mütterlicherseits vorkam.18 Die falsche Form „Lampden“ dürfte erst durch Pickering in Umlauf gelangt sein.

Thomas Shuldham Henry (1835–1894)

Henry ist der einzige „Bruder“ in Chief Men, für dessen Geburt Pickering noch nicht einmal ein Jahr anzugeben weiß. Nach der Todesanzeige im Londoner Standard starb er am 1. Januar 1894 im 59. Lebensjahr; er muss also 1835 geboren sein:

1894-01-05 The Standard 1 (Shuldham Henry) NA
The Standard, 5. Januar 1894, S. 1

Henrys Tod datiert Pickering übrigens auf den 2. Januar – ob man ihm oder der Zeitung Glauben schenken kann, ist ohne eine dritte, unabhängige Quelle nicht zu entscheiden.

John Eliot Howard (1807–1883)

Als namhafter Pharmakologe wurde Howard 1891 mit genauem Geburts- und Todesdatum in Band 28 des Dictionary of National Biography aufgenommen. Dennoch nennt Pickering auch 40 Jahre später nur sein Geburtsjahr, und um das Todesdatum zu erfahren, muss man wissen, auf welchen Wochentag der 20. November 1883 fiel:

He was taken ill on 20th Nov., 1883, but no danger was apprehended until Thursday morning, when he gently fell asleep in Jesus at his residence, Lord’s Meade, Tottenham.19

(Der 20. November war übrigens ein Dienstag; Howard starb am 22.)

Albert Midlane (1825–1909)

Von Midlane, dem Dichter des im englischen Sprachraum sehr populären Liedes “There’s a Friend for little children”, schreibt Pickering, er sei verstorben “just as the morning of Lord’s Day, February 28, 1909, was approaching”.20 Aus der zeitgenössischen Presse geht hervor, dass der genaue Todeszeitpunkt vor Mitternacht lag, kalendarisch also noch am 27. Februar (so auch das Oxford Dictionary of National Biography21):

1909-03-01 The Western Daily Press 6 (Midlane)
The Western Daily Press, 1. März 1909, S. 6

Thomas Blair Miller (1840–1905)

Pickering erweckt den Eindruck, als sei der Sohn Andrew Millers am 11. September 1905 gestorben:

On 11th September, 1905, he set out for Skegness for a few days’ rest, and whilst there was seized with another shock, from which he did not recover.22

Der 11. September 1905 war ein Montag. Nach Auskunft der Aberdeener Zeitung The People’s Journal starb Miller aber an einem Dienstagabend, also erst am 12. September:

1905-09-15 The People's Journal, Aberdeen 7 (TB Miller)
The People’s Journal, 15. September 1905, S. 7

John Usticke Scobell (1803–1883)

Den zweiten Vornamen Scobells ersetzt Pickering eigenartigerweise durch die Initiale N. Über den Todestag (Pickering nennt nur das Jahr) finden sich in der zeitgenössischen Presse unterschiedliche Angaben; laut The Cornishman war es der 3. Januar (ein Mittwoch):

1883-01-11 The Cornishman 8 Deaths (Scobell)
The Cornishman, 11. Januar 1883, S. 8

In einem ausführlichen Bericht auf derselben Seite ist ebenfalls von Mittwoch die Rede:

1883-01-11 The Cornishman 8 (Scobell)
The Cornishman, 11. Januar 1883, S. 8

Die Royal Cornwall Gazette nennt demgegenüber den 2. Januar:

1883-01-12 The Royal Cornwall Gazette 5 Deaths (Scobell)
The Royal Cornwall Gazette, 12. Januar 1883, S. 5

Charles Henry Scott (1848–1919)

Von Scotts zweitem Vornamen teilt Pickering nur die Initiale H. mit. Wir erfahren das Datum von Scotts Beerdigung (10. Oktober 1919), aber nicht das seines Todes; nach dem Sussex Express war es der 6. Oktober:

1919-10-10 The Sussex Express 6 (Scott)
The Sussex Express, 10. Oktober 1919, S. 6

Hugh Henry Snell (1817–1892)

Die von Pickering angegebenen Lebensdaten 1815–1891 sind beide falsch. Nach der Datenbank England Births and Christenings 1538–1975 wurde Snell am 29. März 1817 geboren; diese Angabe wird von allen Volkszählungen bestätigt (1851, 1861, 1871, 1881, 1891). Snells Todesjahr kann nicht 1891 sein, da er am 13. Januar 1892 noch einen Artikel schrieb (abgedruckt in The Collected Writings of H. H. Snell, S. 313f.). Wie seine Tochter berichtet, starb er jedoch bald darauf (ebd.); der England and Wales Death Registration Index verzeichnet seinen Tod im ersten Quartal 1892.

Leonard Strong (1797–1874)

Pickering nennt – ebenso wie Stunt im Blackwell Dictionary of Evangelical Biography23 – nur Strongs Todesjahr; das genaue Todesdatum (17. Oktober) findet sich z.B. in der Exeter and Plymouth Gazette:

1874-10-23 The Exeter and Plymouth Gazette 5 Deaths (Strong)
The Exeter and Plymouth Gazette, 23. Oktober 1874, S. 5

Clarence Esme Stuart (1827–1903)

Stuart ist – neben Wigram – der vielleicht prominenteste „Bruder“ auf dieser Liste; insofern mag es erstaunen, dass bei seinen Lebensdaten noch Korrekturen notwendig sind. Die Angaben bei Pickering sind widersprüchlich: Als Geburtsjahr wird im Inhaltsverzeichnis 1823 genannt, im Artikel selbst aber 1828; das Todesjahr findet sich überhaupt nur im Inhaltsverzeichnis und fehlt im Artikel ganz. Spätere Darstellungen (z.B. Arend Remmers’ Gedenket eurer Führer) übernehmen meist die Daten 1828–1903. Tatsächlich wurde Stuart jedoch bereits am 29. Mai 1827 geboren, wie eine amerikanische genealogische Zeitschrift 1967 in einem Artikel über die Familie William Penns am Rande mitteilte;24 auch Stuarts genaues Todesdatum (8. Januar 1903) wird dort erwähnt (ebenso auf der Website Global Plants, die Stuarts Testament zusammenfasst).

William Trotter (1818–1865)

Von Trotter scheinen bisher ebenfalls nur die Geburts- und Todesjahre bekannt zu sein (siehe z.B. Pickering). Das genaue Todesdatum (5. November) dokumentieren verschiedene Zeitungen, darunter der Leeds Mercury:

1865-11-13 The Leeds Mercury 2 Deaths (Trotter)
The Leeds Mercury, 13. November 1865, S. 2

William Henry George Wellesley (1806–1875)

Trotz seiner adeligen Abstammung weiß Chief Men auch von diesem „Bruder“ nur die Geburts- und Todesjahre anzugeben. The Peerage liefert die genauen Daten: geboren am 2. Februar 1806, gestorben am 21. Dezember 1875. Das Todesdatum lässt sich auch durch Zeitungen bestätigen, z.B. durch den Essex Standard:

1875-12-24 The Essex Standard 5 Deaths (Wellesley)
The Essex Standard, 24. Dezember 1875, S. 5

George Vicesimus Wigram (1805–1879)

Über Wigrams Lebensdaten herrscht trotz seiner Bekanntheit einige Verwirrung. Pickering führt nur die Jahreszahlen an (die unstrittig sind). Als Geburtsdatum wird je nach Quelle der 28. März (The Peerage, Brown, BDEB25, ODNB26) oder der 29. März (STEM Publishing, My Brethren) angegeben, als Todesdatum der 1. Januar (DNB, Schaff-Herzog, Remmers, My Brethren, The Peerage, BDEB, ODNB) oder der 1. Februar (STEM Publishing, Brown). Was das Geburtsdatum betrifft, wird man wohl der Datenbank England Births and Christenings 1538–1975 vertrauen können; sie nennt den 28. März. Beim Todesdatum hilft ein Blick in die zeitgenössische Presse: Die Pall Mall Gazette datiert Wigrams Tod auf den 1. Februar, die Daily News berichtet ausführlich über seine Beerdigung am 6. Februar:

1879-02-04 The Pall Mall Gazette 3 Deaths (Wigram)
The Pall Mall Gazette, 4. Februar 1879, S. 3
1879-02-07 The Daily News 6 (Wigram)
The Daily News, 7. Februar 1879, S. 6 (Auszug)

Das falsche Datum 1. Januar ist möglicherweise durch das renommierte Dictionary of National Biography (Bd. 61, 1900) in die Literatur eingedrungen; My Brethren zitiert allerdings sogar eine angebliche Sarginschrift, die den 1. Januar genannt haben soll, und datiert die Beerdigung auf den 7. Januar! Da die Zeitungen den Ereignissen zweifellos näher standen, wird man ihnen wohl eine höhere Glaubwürdigkeit zubilligen können.


Es folgen noch einige Personen, die nicht in Pickerings Chief Men enthalten sind.

John Beaumont (1823/24–1896)

Dieser heute nahezu vergessene Evangelist wird auf STEM Publishing als Liederdichter vorgestellt, jedoch ohne Lebensdaten. Dem Zeitungsbefund nach starb er am 27. September 1896 im Alter von 72 Jahren; er muss also zwischen dem 28. September 1823 und dem 27. September 1824 geboren sein:

1896-09-30 The Standard 1 (Beaumont) NA
The Standard, 30. September 1896, S. 1

Henry D’Arcy Champney (1854–1942)

Kurzbiografien Champneys finden sich auf STEM Publishing und My Brethren. Die Zeitung Western Daily Press nennt sein genaues Todesdatum (5. September):

1942-09-08 The Western Daily Press 4 Deaths (Champney)
The Western Daily Press, 8. September 1942, S. 4

William Henry Darby (1790–1880)

Über John Nelson Darbys ältesten Bruder ist nach wie vor erstaunlich wenig bekannt; The Peerage kennt noch nicht einmal sein Todesjahr. Nach zeitgenössischen Adelsverzeichnissen27 und der Pall Mall Gazette starb er am 20. Februar 1880:

1880-02-26 The Pall Mall Gazette 3 (WH Darby)
The Pall Mall Gazette, 26. Februar 1880, S. 3

William Wooldridge Fereday (1866–1959)

Feredays zweiter Vorname kursiert in mindestens vier verschiedenen Varianten: Woolreidge (Google Books, WorldCat, Christian Brethren Archive), Woolridge (eHymnBook), Wooldridge (STEM Publishing) und Woldridge (STEM Publishing, Bible Truth Publishers, The Cyber Hymnal, Google Books). Nach dem England and Wales Marriage Registration Index und dem England and Wales Census 1911 lautet die richtige Form Wooldridge; Feredays Vater trug denselben Namen.

Auch das Geburtsjahr Feredays wird unterschiedlich angegeben: Zur Auswahl stehen 1861 (Grass28), 1863 (eHymnBookSTEM Publishing) und 1866 (Dickson29, STEM Publishing, The Cyber Hymnal). Nach dem England and Wales Birth Registration Index ist Letzteres korrekt – Fereday wurde im zweiten Quartal 1866 geboren. Dies stimmt auch mit der Angabe in seinem Nachruf überein, wonach er bei seinem Tod 93 Jahre alt war.30 Das genaue Todesdatum lässt sich anhand des Nachrufs nur auf die Monate vor September 1959 (dem Erscheinungstermin des betreffenden Witness-Hefts) eingrenzen.31

Richard Holden (1828–1886)

Holden, ein Missionar der „Brüder“ in Portugal, wird auf STEM Publishing mit dem Todesjahr 1886 erwähnt. Eine portugiesische Website teilt seinen Geburtsmonat (August 1828) und sein genaues Todesdatum (7. Juli 1886) mit.

Walter Alexander Lickley (1909–1996)

Der australische „Bruder“ Lickley, durch zwei Bücher auch hierzulande bekannt,32 ist auf STEM Publishing als noch lebend verzeichnet; nach der Trauer-Website HeavenAddress starb er am 26. September 1996.33

Hamilton Smith (1862–1943)

Smith starb nach STEM Publishing am 23. Januar 1943. Die Zeitung Western Daily Press, die ein knappes halbes Jahr später den Wert seines Nachlasses veröffentlichte, nannte dagegen den 22. Januar als Todesdatum:

1943-07-06 The Western Daily Press 2 (H Smith)
The Western Daily Press, 6. Juli 1943, S. 2

Welche Angabe richtig ist, wäre nur durch eine dritte, unabhängige Quelle zu klären.

William Henry Westcott (1865–1936)

Westcott wird auf STEM Publishing mit Geburts- und Todesjahr erwähnt. Nach der Anzeige in der Yorkshire Post starb er am 9. November 1936:

1936-11-19 The Yorkshire Post 1 Deaths (Westcott)
The Yorkshire Post, 19. November 1936, S. 1