Archiv der Kategorie: Geschichte

Jean Emil Leonhardt (1853–1918)

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Jean Emil Leonhardt

Die Anfänge der „Offenen Brüder“ in Deutschland sind im Vergleich zu denen der „Geschlossenen“ noch immer relativ wenig erforscht. Von Jean E. Leonhardt, dem Begründer der wohl ersten1 offenen Brüdergemeinde Deutschlands (Bad Homburg), war in der bisherigen Literatur2 noch nicht einmal der zweite Vorname vollständig bekannt. Anlässlich des 125-jährigen Bestehens der Gemeinde brachte die Frankfurter Neue Presse 2012 einen kurzen, aber recht interessanten Artikel,3 in dem unter anderem dieses „Rätsel“ gelöst wird. Weitere Details über Leonhardt kamen letztes Jahr im Rahmen einer Artikelserie derselben Zeitung über den Ersten Weltkrieg ans Licht (Teil 1: Lebensmittel für die Front; Teil 2: Arzneimittel und Liebesgaben für Soldaten). In diesem Zusammenhang erschien auch ein großes Foto Leonhardts.


Bezeichnungen für die Brüderbewegung im Wandel der Zeit

Der Ngram Viewer von Google Books gibt einen interessanten Einblick in die Verwendungshäufigkeit von Wörtern im Laufe der Zeit. Grundlage ist das umfangreiche Google-Books-Korpus, das auf internationalen Bibliotheksbeständen basiert und sicher als halbwegs repräsentativ gelten kann. Wenn man hier einige gängige Bezeichnungen für die Brüderbewegung eingibt, erhält man folgende Ergebnisse (in Prozent des Gesamtwortbestandes aus dem jeweiligen Jahr; zum Vergrößern anklicken):

Plymouthbrüder / Plymouth-Brüder

ngram_plymouth_brüder

Darbysten / Darbysmus

ngram_darbysten_darbysmus

Brüderbewegung

ngram_brüderbewegung

Hier noch einmal alle Graphen übereinander:

ngram_alle

Die jüngere Entwicklung wird in einem kleineren Zeitausschnitt besser sichtbar:

ngram_alle_ab_1900

Der Verlauf der meisten Graphen ist nicht überraschend – im 19. Jahrhundert waren Plymouthbrüder/Plymouth-Brüder/Darbysten/Darbysmus die gängigen Bezeichnungen, im 20. Jahrhundert hat sich allmählich Brüderbewegung durchgesetzt. Dabei muss man allerdings bedenken, dass dieses Wort zunächst auch noch in anderen Bedeutungen verwendet wurde, so z.B. 1886 in der Theologischen Literaturzeitung: „Die mährische Kirche ist ein unwesentliches Moment im grossen Ganzen der Brüderbewegung“, oder 1917 im Titel eines Buches von Ernst Barnikol über den mittelalterlichen Orden „Brüder vom gemeinsamen Leben“: Die erste Periode der deutschen Brüderbewegung. Der früheste Beleg für Brüderbewegung in „unserem“ Sinne, den ich in Google Books finden konnte, stammt erst aus dem Jahr 1959!

Bemerkenswert sind die Hochs der Graphen in den 1850er, in den 1880er und in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre – hier muss die Rezeption der „Brüder“ in der Literatur also am intensivsten gewesen sein.

Brief eines „Bruders“ an Charles Darwin

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Charles Darwin

Auf der Website des „Darwin Correspondence Project“, auf der nach und nach sämtliche erhaltenen Briefe von und an Charles Darwin veröffentlicht werden sollen, findet sich auch ein interessanter Brief von George Morrish, “Editor and publisher of Biblical works”. Morrish war jahrzehntelang einer der bedeutendsten Verleger der „Exklusiven Brüder“ (Park-Street-Richtung) und gab u.a. das New and Concise Bible Dictionary heraus (Faksimile: Band 1, Band 2). Dass es sich bei dem Briefschreiber tatsächlich um ihn und nicht um einen Namensvetter handelt, ist an der Adresse „Camberwell Road“ zu erkennen – laut der Volkszählung von 1871, die nur zwei Wochen nach Abfassung des Briefes stattfand, lebte die Familie zu dieser Zeit im Londoner Stadtteil Camberwell (die Tochter Hannah, die laut MyBrethren später an der Herausgabe des Dictionary mitwirkte, war damals 22 Jahre alt).

Über Geburts- und Todesjahr Morrishs finden sich im „Darwin Correspondence Project“ und auf MyBrethren allerdings unterschiedliche Angaben. Laut Ersterem lebte Morrish von 1819 bis 1912, laut Letzteren von 1814 bis 1911. Auch hier können die Volkszählungen weiterhelfen. 1871 wurde als Geburtsort Morrishs nur die Grafschaft Middlesex und als Alter 51 eingetragen; 1881 findet man präziser den Ort Marylebone in Middlesex (heute ein Stadtteil von London) und als Alter – erwartungsgemäß – 61. Der einzige George Morrish im britischen Geburts- und Taufregister, auf den diese Angaben zutreffen, wurde am 22. September 1819 als Sohn von William und Elizabeth Amelia Morrish geboren und am 14. November desselben Jahres in Marylebone getauft. 1881, 1891 und 1901 wohnte er im Londoner Stadtteil Lambeth; sein Tod wurde im 1. Quartal 1912 im Stadtteil Wandsworth registriert. Damit scheinen beide Jahreszahlen des „Darwin Correspondence Project“ bestätigt zu sein.

Was den Brief an Charles Darwin betrifft, so ist er in einem erstaunlich respektvollen, wenn auch stellenweise etwas naiven Ton verfasst. Morrish beschimpft Darwin nicht, sondern fragt ganz höflich an, ob er in seiner Evolutionstheorie bestimmte (biblische) Überlegungen berücksichtigt habe. Auch die Vorstellung des Evangeliums am Ende hat nichts Bedrängendes oder Anklagendes an sich, sondern geschieht ganz sachlich und freundlich. Eine Antwort Darwins scheint nicht überliefert zu sein; wenn überhaupt, müsste sie sich natürlich im Nachlass Morrishs befinden, zu dem die Herausgeber des „Darwin Correspondence Project“ vielleicht keinen Zugang hatten.


Update 2017:

Inzwischen wurde dem Brief folgende Fußnote beigegeben:

It is not known whether the letter was written by George Morrish (1819–1912) or his son George Morrish (1850–1920).

Der Eintrag im Korrespondentenregister deutet darauf hin, dass die Herausgeber eher den Sohn für den Verfasser halten. Dies würde auch den etwas naiven Ton des Briefes erklären – George Morrish jun. war zu dieser Zeit immerhin erst 21 Jahre alt.

Neuerscheinung: “Culture, Spirituality, and the Brethren”

csb_coverDer dritte Band der BAHN-Reihe Studies in Brethren History ist soeben erschienen. Er trägt den Titel Culture, Spirituality, and the Brethren, umfasst 344 Seiten und enthält die Beiträge der International Brethren History Conferences 2007 und 2009. Herausgeber sind Neil T. R. Dickson und Thomas J. Marinello. Das Inhaltsverzeichnis ist hier zugänglich; bestellen kann man den Band für £20 + Versand direkt bei BAHN.

John Nelson Darby über den Gott des Islam

Für die meisten „konservativen“ oder „bibeltreuen“ Christen steht heute völlig außer Frage, dass der Gott des Islam ein anderer ist als der Gott der Christen. Die Argumentation läuft in der Regel auf folgenden einfachen Syllogismus hinaus:

Prämisse 1: Der Gott der Muslime hat keinen Sohn.
Prämisse 2: Der Gott der Christen hat einen Sohn.
Schlussfolgerung: Der Gott der Muslime ist ein anderer als der Gott der Christen.

Dieser Schluss ist allerdings nur dann zwingend, wenn Prämisse 1 eine wahre Aussage ist – und zwar nicht nur eine wahre Aussage über den Glauben der Muslime, sondern über ihren Gott. Aber kann man das mit Gewissheit sagen? Kann es nicht sein, dass die Muslime sich irren, d.h. dass ihr Gott einen Sohn hat, sie es aber nicht wissen (und daher bestreiten)?

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John Nelson Darby

Die Väter der Brüderbewegung im 19. Jahrhundert scheinen über diesen Punkt viel weniger „fundamentalistisch“ gedacht zu haben. Wenn man sich z.B. einmal John Nelson Darbys verstreute Äußerungen über den Islam ansieht, gewinnt man durchaus den Eindruck, dass er den Gott der Christen und den Gott der Muslime für identisch hielt (auch wenn er das Gottesbild der Muslime natürlich ablehnte). So schreibt er etwa in Familiar Conversations on Romanism (CW 22:21):

The Mahometans count by many millions – I do not know how many, but I dare say some sixty millions. They own God, and Christ to be a prophet and judge of quick and dead, but not as Son of God.

“They own God”, d.h. sie erkennen Gott an; das hätte Darby sicher nicht so formuliert, wenn er der Meinung gewesen wäre, dass der Gott des Islam ein völlig anderer wäre als der Gott der Christen.

In The Irrationalism of Infidelity schreibt Darby (CW 6:16):

Mohammedanism has borrowed much from revelation; but it has met the lusts of men as on God’s part, who, as He is there represented, will and does satisfy them: Christianity does so not even in thought.

Der Islam hat also vieles von der (biblischen) Offenbarung übernommen, nur hat er sich sein eigenes, die „Lüste der Menschen“ befriedigendes Gottesbild zurechtgelegt. Die Formulierung “as He is there represented” (man beachte die Großschreibung von “He”!) weist m.E. eindeutig darauf hin, dass die Muslime nach Darby denselben Gott anbeten wie wir, aber eine falsche Vorstellung (representation) von ihm haben.

Weiter hinten in derselben Schrift heißt es (CW 6:161):

They [the Arabs] believe, I suppose, that God made the sun, and yet this is true, though they have Mohammedan superstitions connected with it. So of many facts of Jewish history connected with Abraham, Ishmael, Esau, the passage of Israel through the desert. As in the case of all nations who derive their origin from those who were at the sources of truth, you see proofs of the existence of that truth mixed up with superstitious traditions.

Auch hier macht Darby überhaupt keinen Versuch, den Gott des Islam von unserem Gott zu unterscheiden. Die Araber, so sagt er, glaubten zu Recht, dass Gott die Sonne erschaffen habe, fügten aber allerlei abergläubische muslimische Vorstellungen hinzu. Da sie von denen abstammten, die „an den Quellen der Wahrheit waren“, sehe man im Islam immer noch „Beweise für die Existenz jener Wahrheit“, allerdings mit abergläubischen Traditionen vermischt.

Schließlich noch ein Zitat aus Review of Leckey’s Rationalism (NC 2:264):

I understand compassion on ignorance, but surely if I have rejected the true God, and worship Venus, or accept Mahomet as a prophet, there is some moral depravity.

Hier nennt Darby zwei Beispiele für falsche Religionen: den Venuskult und den Islam. Es wäre ein Leichtes gewesen zu schreiben: „wenn ich den wahren Gott verworfen habe und Allah verehre“, aber so charakterisiert Darby den Islam eben nicht, sondern er sagt: „[wenn ich] Venus verehre oder Mohammed als Propheten anerkenne“. Das Wesen des Islam bestand für ihn also offenbar nicht darin, einen anderen Gott zu verehren (wie es der Venuskult tat), sondern Mohammed als Propheten anzuerkennen.

Des Öfteren stellt Darby den Islam übrigens mit dem Katholizismus auf eine Stufe, z.B.:

Take Popery, Mohammedanism, all manner of heretics: these are tares which have been sown where the good seed had been. (CW 11:281)
Taking in Christendom as a whole, what do we see? Mohammedanism has overrun the eastern part and Popery the western. (CW 34:114)

Dies könnte darauf hindeuten, dass er zu der traditionsreichen Auffassung tendierte, der Islam sei eine „christliche Häresie“. All das bedarf aber noch weiterer Erforschung.

Julius Anton von Poseck in britischen Zeitungen

Eine einzigartige Fundgrube für historisch Interessierte ist das British Newspaper Archive, in dem zurzeit 261 britische Zeitungen aus dem 18. bis 20. Jahrhundert mit zusammen über 8,5 Millionen Seiten digital zugänglich sind (allerdings kostenpflichtig). Ich habe dort in den letzten Wochen viele interessante (teilweise auch kuriose) Funde zur Brüdergeschichte gemacht, von denen ich hier einige mitteilen möchte. Ich beginne mit dem Leben Julius Anton von Posecks, der bekanntlich ab 1857 in England wohnte.

1. Ehefrau

August Jung schreibt in seiner Poseck-Biografie,4 der plausibelste Grund für Posecks Übersiedlung nach England sei „eine überaus liebliche Erscheinung“ gewesen: „Christiane Wilson, die seine Frau werden sollte“.5 Ihr Alter bei der Heirat 1857 gibt er mit 50 an; dass sie zwei Jahre später noch ein Kind zur Welt bringen konnte, sei daher „fast ein biologisches Wunder“ gewesen.6 Woher Jung den Namen und die Altersangabe hat, verrät er nicht; laut der Heiratsanzeige im Reading Mercury vom 18. Juli 1857 lautete ihr Nachname Davies und nicht Wilson:

1857-07-18 Reading Mercury 5
Reading Mercury, 18. Juli 1857, S. 5

Der Name Christiana Davies wird auch durch den England and Wales Marriage Registration Index 1837–1920 bestätigt. Die Bezeichnung „Mrs.“ im Reading Mercury deutet allerdings darauf hin, dass sie schon einmal verheiratet (und jetzt wahrscheinlich verwitwet) war. Vielleicht war Wilson ihr Mädchenname?

Noch seltsamer ist Jungs Altersangabe von 50 Jahren. Nach den bei FamilySearch zugänglichen genealogischen Datenbanken war Posecks Frau ganze 14 Jahre jünger: Erst bei der Volkszählung 1871 wird ihr Alter mit 50 angegeben, bei der Volkszählung 1881 folglich mit 60 und bei ihrem Tod 1896 mit 75 (ich sage „folglich“, aber nicht immer stimmen die verschiedenen Datenbanken so exakt überein!). Ihr Geburtsjahr dürfte demnach 1821 gewesen sein; damit war sie vier bis fünf Jahre jünger als ihr Mann und bei der Geburt ihres Kindes 1859 nicht 52, sondern 38 Jahre alt.

Ihr Tod wird im Londoner Standard vom 24. April 1896 gemeldet (ebenfalls mit der Altersangabe 75):

1896-04-24 The Standard 1 NA
The Standard, 24. April 1896, S. 1
2. Beruf

„Bis heute konnte nicht geklärt werden, welchen Beruf v. Poseck in London ausgeübt hat“, schreibt August Jung. „Noch kann man wählen zwischen Professor der Philosophie bzw. Philologie, Sprachlehrer oder Missionsprediger. Oder vermochte er etwa alles gleichzeitig zu sein? Bedenkt man, dass er in der Grenzstadt Saarbrücken zweisprachig aufgewachsen war, dass er als Gymnasiast Latein, Griechisch und Hebräisch gelernt, vielleicht sogar gelehrt hatte, dass er ein gutes Schulenglisch sprach und es in jahrelangem Umgang mit den ‚Brethren‘ entscheidend verbessert hatte, dann spricht alles für Sprachlehrer. Promoviert und habilitiert hat er sich zu keiner Zeit.“7

Dem Zeitungsbefund nach zu urteilen war Poseck tatsächlich „alles gleichzeitig“ (bis auf Philosophieprofessor). Das Wort „Sprachlehrer“ trifft seinen Brotberuf wohl am besten, aber er nannte sich auch „Professor“ – damals anscheinend keine geschützte Bezeichnung für einen Hochschullehrer, sondern verwendbar von jedem “who makes a profession of any art or science”, wenn nicht gar “a grandiose title by professional teachers and exponents of various popular arts and sciences, as dancing, juggling, phrenology, etc.”8

Zuerst scheint Poseck noch mit einer Privatschule (der „Brüder“?) in Verbindung gestanden zu haben, wie die folgende Anzeige aus dem Reading Mercury vom 11. April 1857 (also drei Monate vor seiner Heirat) nahelegt:

1857-04-11 Reading Mercury 6
Reading Mercury, 11. April 1857, S. 6

Über die Schule informiert das zeitgenössische Buch Our Schools and Colleges wie folgt:

Richmond House School
Herbert Fry: Our Schools and Colleges, London 1868, S. 191

Die obige Zeitungsanzeige deutet allerdings darauf hin, dass Poseck von Anfang an auch Privatunterricht erteilte, und darauf scheint er sich später beschränkt zu haben. Bereits im August 1857 nennt er in der Zeitung nur noch seine Privatadresse:

1857-08-08 Reading Mercury 3
Reading Mercury, 8. August 1857, S. 3

Die vollmundige Angabe “of the University of Berlin” mutet im Zusammenhang mit “professor of the GERMAN and FRENCH languages” etwas seltsam an; schließlich hatte Poseck in Berlin nicht etwa Deutsch und Französisch studiert, sondern vor allem Jura (1838–41).

1870 zog Poseck nach Southsea und bot auch dort per Zeitungsannonce seine Dienste an; sein Repertoire hatte er inzwischen auf Italienisch und klassische Sprachen ausgedehnt:

1870-06-04 Hampshire Telegraph and Sussex Chronicle 1
Hampshire Telegraph and Sussex Chronicle, 4. Juni 1870, S. 1

Vier Monate später genügte folgende Kurzanzeige:

1870-10-01 Hampshire Telegraph and Sussex Chronicle 1
Hampshire Telegraph and Sussex Chronicle, 1. Oktober 1870, S. 1

1872 zog Poseck innerhalb Southseas nochmals um:

1872-10-12 Hampshire Telegraph and Sussex Chronicle 1
Hampshire Telegraph and Sussex Chronicle, 12. Oktober 1872, S. 1

Sein Lehrangebot erweiterte sich stetig; 1876 bot er z.B. an, Schüler auf “Cambridge and Oxford Examinations” (vermutlich Zulassungsprüfungen der dortigen Universitäten) vorzubereiten, wenig später sogar auf “Naval and Military Examinations”:

1876-02-12 Hampshire Telegraph and Sussex Chronicle 1
Hampshire Telegraph and Sussex Chronicle, 12. Februar 1876, S. 1
1876-08-05 Hampshire Telegraph and Sussex Chronicle 4
Hampshire Telegraph and Sussex Chronicle, 5. August 1876, S. 4

1877 nannte er sich “German Master at the Royal Naval Academy, Anglesey College, etc.”, was wieder auf eine Verbindung mit schulischen Institutionen hinzudeuten scheint:

1877-07-28 Hampshire Telegraph and Sussex Chronicle 1
Hampshire Telegraph and Sussex Chronicle, 28. Juli 1877, S. 1

Eastman’s Royal Naval Academy war eine Privatschule in Southsea; ein Anglesey College konnte ich nicht ermitteln:

Eastman's Royal Naval Academy
Herbert Fry: Our Schools and Colleges, London 1868, S. 203

Die letzte Annonce Posecks, die ich gefunden habe, stammt aus dem Jahr 1878:

1878-03-30 Hampshire Telegraph and Sussex Chronicle 1
Hampshire Telegraph and Sussex Chronicle, 30. März 1878, S. 1

Ob er danach seine Privatlehrertätigkeit zugunsten einer Festanstellung aufgab, ob er keine Anzeigen mehr nötig hatte oder ob er – mit knapp 62 Jahren für damalige Verhältnisse sicherlich noch recht früh – in den Ruhestand ging, bleibt offen.

3. Vorträge

Auch Posecks Predigttätigkeit wird in den Zeitungen immer wieder erwähnt. Zum ersten Mal 1859 in der Bury and Norwich Post:

1859-08-23 The Bury and Norwich Post 2
The Bury and Norwich Post, 23. August 1859, S. 2

Posecks Themen waren recht vielfältig. 1862 predigte er z.B. in Leamington Spa über die Wiederkunft Christi:

1862-08-30 The Royal Leamington Spa Courier 4
The Royal Leamington Spa Courier, 30. August 1862, S. 4

1870 ging es in Ryde auf der Insel Wight um ein „höchst praktisches“ Thema:

1870-06-25 Hampshire Telegraph and Sussex Chronicle 7
Hampshire Telegraph and Sussex Chronicle, 25. Juni 1870, S. 7

Vergleichsweise ausführlich und sehr wohlwollend berichtete der Wrexham Advertiser über eine Vortragsreihe in Denbigh (Wales) im Juli 1871:

1871-07-29 The Wrexham Advertiser 8
The Wrexham Advertiser, 29. Juli 1871, S. 8

Gelegentlich wurde auch durch Anzeigen zu Vorträgen eingeladen, so z.B. 1860 im Birmingham Journal zu einer Evangelisation für deutsche Immigranten:

1860-04-14 The Birmingham Journal 4
The Birmingham Journal, 14. April 1860, S. 4

Auf Deutsch predigte Poseck 1862 auch in Leamington Spa:

1862-06-28 The Royal Leamington Spa Courier 4
The Royal Leamington Spa Courier, 28. Juni 1862, S. 4
1862-07-12 The Royal Leamington Spa Courier 4
The Royal Leamington Spa Courier, 12. Juli 1862, S. 4

Abschließend noch zwei Einladungen zu Vorträgen für Gläubige, vermutlich in den jeweiligen „Versammlungslokalen“:

1886-04-26 The Citizen 2
The Citizen, 26. April 1886, S. 2
1890-03-15 The Manchester Courier 1
The Manchester Courier, 15. März 1890, S. 1
4. Tod

Poseck starb nur zweieinhalb Monate nach seiner Frau. Auch seine Todesnachricht erschien im Londoner Standard; mir liegen davon zwei Schnipsel vor, leider beide schlecht lesbar:

1896-07-08 The Standard 1 BNA
The Standard, 8. Juli 1896, S. 1
1896-07-08 The Standard 1 NA
The Standard, 8. Juli 1896, S. 1

Hier mein Versuch einer Textrekonstruktion:

VON POSECH.—July 6, at 2, Algernon-road, Lewisham, Julius Anton E. W. Von Posech, in his 80th year. Funeral on Thursday, 3.45, at Lewisham Cemetery.


CBRF Journal online

24 (1973) coverSeit einigen Tagen sind alle 40 Ausgaben des Christian Brethren Research Fellowship Journal (1963–80) bzw. der Christian Brethren Review (1982–89) online zugänglich. In dieser unregelmäßig erschienenen Zeitschrift des „progressiven“ Flügels der englischen Offenen Brüder wurden immer wieder auch interessante Artikel zur Geschichte der Brüderbewegung abgedruckt, z.B.:

Verwandtschaften unter den frühen „Brüdern“

wigram
George Vicesimus Wigram

Max Weremchuk schreibt in seinem zweiten J.N. Darby Research Paper:

Early Brethren history almost reads like a “family affair”.

Ich habe mich in den letzten Wochen einmal intensiver mit den Familien einiger „Brüder“ der ersten Generation beschäftigt und die Ergebnisse in das Genealogie-Wiki WeRelate eingetragen. Hier ein paar Belege für Weremchuks Behauptung:

  • Parnells erste Frau Nancy war die Schwester von Cronin.

Auch innerhalb der nicht zur Brüderbewegung gehörenden Verwandtschaft gab es Verbindungen:

  • Parnells Schwester Emma Jane heiratete einen Cousin von Wigrams erster Frau Frances Bligh.

Um noch einmal Max Weremchuk zu zitieren:

These interconnections are amazing!! […] all these families knew each other and had contacts with each other.

Ein wenig bekanntes Bild von Dr. Cronin

Von Dr. Edward Cronin (1801–1882), einem der ersten „Brüder“ in Dublin, kennt man vor allem dieses Bild, das ihn als älteren Herrn zeigt:

cronin_alt

Weniger verbreitet ist dieses Jugendbildnis Cronins, das 1909 in einer Biografie Francis William Newmans erschien:

cronin_jung
I[sabel] Giberne Sieveking: Memoir and Letters of Francis W. Newman, London (Kegan Paul, Trench, Trübner & Co.) 1909, nach S. 40 (Großversion)
Newman gehörte ja mit Cronin und Parnell zu der Gruppe, die 1830 in Richtung Bagdad aufbrach, um Groves bei seiner Missionsarbeit zu unterstützen – ein ziemlich abenteuerliches Unternehmen, das alle drei mitgereisten Frauen das Leben kostete und wenig sichtbare Resultate hervorbrachte. Nachdem Newman 1833 nach England zurückgekehrt war, wandte er sich immer mehr vom biblisch-christlichen Glauben ab und wurde eine Art rationalistischer Theist. Gegen sein Buch Phases of Faith (1850) schrieb Darby The Irrationalism of Infidelity.

Die Ehefrauen Cronins und Newmans waren übrigens Schwestern – Newman heiratete 1835 Maria Kennaway (1801–1876), Cronin 1838 ihre Schwester Frances Kennaway (1806–1882). Man fragt sich, wie wohl in der Verwandtschaft mit Newmans religiöser Entwicklung umgegangen wurde! Newmans Frau Maria soll bis zu ihrem Tod den „Brüdern“ angehört haben (so Timothy C. F. Stunt im Oxford Dictionary of National Biography).

Schaubilder zur Geschichte der Brüderbewegung

In dem Buch Was uns die Bibel lehrt (CV Dillenburg 2001) ist auf Seite 75 ein Schaubild zur Geschichte der deutschen Brüderbewegung abgedruckt, das ich etwas erweitert und modifiziert habe (zum Vergrößern anklicken):

bruedergeschichte_deutschland

Gegenüber der Vorlage habe ich u.a. die Raven-Brüder hinzugefügt (auch wenn sie heute zahlenmäßig unbedeutend sein mögen), außerdem die Glanton-Brüder (deren deutsche Geschichte noch weitgehend im Dunkeln liegt), die Abwanderung aus dem BEFG nach der Wende in der DDR sowie die „blockfreien“ Neugründungen (z.B. in Süddeutschland). Die variierende Balkenbreite soll einen groben Eindruck von den Größenverhältnissen geben (das kann natürlich nur annähernd geschehen). Zwischen Brüder- und Baptistengemeinden im BEFG habe ich eine dünne weiße Linie gelassen, da von einem wirklichen Zusammenschluss bis heute ja eigentlich nicht die Rede sein kann.

Überraschend mag vielleicht der Pfeil von den Raven- zu den Offenen Brüdern 1904/05 erscheinen. Meines Wissens ist in der Brüdergeschichtsliteratur bis heute nicht ausreichend gewürdigt worden, dass etliche namhafte Offene Brüder in Deutschland von den Raven-Brüdern herkamen, so etwa Christian Schatz (1897–1900 Herausgeber der Raven-Zeitschrift Worte der Gnade und Wahrheit!), Albert von der Kammer, Ferdinand Braselmann oder Ferdinand Hilliges. Oft nahmen diese Brüder beim Übertritt „ihre“ Versammlungen mit (z.B. Albert von der Kammer in Wolgast). Noch in den 1920er Jahren druckte Christian Schatz in seiner Zeitschrift Saat und Ernte gelegentlich Texte von Stoney, Coates oder Raven ab, und auch die eigentümliche damalige Lehre der Offenen Brüder über den Tisch des Herrn (vgl. die Broschüren von Braselmann, Schatz, Schreuder und von der Kammer) ist wahrscheinlich von ihrer Raven-Herkunft beeinflusst.

Ein vergleichbares Schaubild zur angloamerikanischen Brüdergeschichte wurde in den 1980er Jahren von Grant W. Steidl erstellt. Mir liegen davon zwei Versionen vor:

brethren_history_steidl_hawke

brethren_history_steidl_jamieson

Einige wichtige Gruppen fehlen hier allerdings, so z.B. der „Needed-Truth“-Zweig der Offenen Brüder, der „Independent“-Zweig der Grant-Brüder und die verschiedenen Raven-Abspaltungen. Außerdem kann man wohl nicht von einer generellen Vereinigung der Grant- und Stuart-Brüder 1885 sprechen.