Schlagwort-Archiv: Emil Dönges

Neuerscheinungen zur Brüderbewegung 2023

Auch am Ende dieses Jahres möchte ich wieder die in den letzten zwölf Monaten erschienenen Veröffentlichungen zur Brüderbewegung übersichtlich zusammenstellen und kurz kommentieren bzw. einordnen.

In drei frühere Bibliografien habe ich inzwischen noch Nachträge aufgenommen:

  • 2022: Bücher von Geyser, Gill, Koene, Murray, Summerton und Tietjen; Aufsätze von Feng und Webster
  • 2019: Aufsätze von Brooks und Ineichen
  • 2018: Buch von Sahlberg; Aufsatz von Fett

BÜCHER


akenson3Donald Harman Akenson: The Americanization of the Apocalypse. Creating America’s Own Bible. New York (Oxford University Press) 2023. xv, 501 Seiten. ISBN 978-0-19-759979-2.

Nach Discovering the End of Time (2016) und Exporting the Rapture (2018) hat der amerikanische Historiker Donald Harman Akenson nun den dritten Band seiner Trilogie über die Geschichte des „apokalyptischen Millennialismus“ vorgelegt. Mit der im Untertitel genannten „eigenen Bibel Amerikas“ ist natürlich die Scofield-Bibel gemeint, aber wie schon beim Vorgängerband weckt der Untertitel falsche Erwartungen: Erst auf S. 176 dieses Buches wird Cyrus I. Scofield zum ersten Mal (beiläufig) erwähnt, und erst auf S. 326 (von 436, der Rest ist Anhang, Literaturverzeichnis und Register) rückt er ins Zentrum des Interesses. Vorher geht es erneut um die Anfänge der Brüderbewegung auf den britischen Inseln (S. 7–62), dann um Darbys Reisen nach Nordamerika und die ersten „Brüder“ dort (S. 65–134) und schließlich um die Ausbreitung dispensationalistischer Ideen in Amerika außerhalb der Brüderbewegung (James Inglis, James Hall Brookes, Dwight L. Moody, prophetische Konferenzen; S. 137–310).

Akensons Stil ist wie immer brillant und pointiert, dabei lexikalisch anspruchsvoll (selbst als Englischlehrer musste ich mehrmals das Wörterbuch bemühen – und wurde nicht immer fündig!), gelegentlich aber auch kapriziös – die meisten Kapitelüberschriften etwa versteht man erst nach Lektüre des Kapitels (z.B. „Buyers’ Remorse“, „Tall Man Standing“), was das Inhaltsverzeichnis zur Voraborientierung nahezu unbrauchbar macht, und wie in den Vorgängerbänden schweift der Autor gerne in (biografische) Nebensächlichkeiten ab, die allerdings fast immer unterhaltsam zu lesen sind.

Akenson schreibt aus säkularer Perspektive und verfolgt daher keine theologische Agenda, was insbesondere bei der von Anhängern und Gegnern sehr unterschiedlich dargestellten Biografie Scofields durchaus von Vorteil ist; allerdings fehlt ihm als Profanhistoriker für manche theologischen Fragen schlichtweg das Verständnis. Sehr klar wird u.a. herausgestellt, dass Darby an dispensationalistischen Schemata und Diagrammen, wie sie später so beliebt wurden, keinerlei Interesse hatte (S. 38) und dass er den heute als „anthem“ amerikanischer Dispensationalisten geltenden Bibelvers 2Tim 2,15 (“rightly dividing the word of truth”) noch nicht in diesem Sinne interpretierte (S. 337f.). Neu war mir, was für einen großen Anteil Offene Brüder an der Finanzierung, Zusammenstellung und Korrektur der Scofield-Bibel hatten.


buehneWolfgang Bühne: Ich pfeif auf deine Frömmigkeit! Schwelm – Stukenbrock – Schoppen: Stationen einer Geschichte, wie nur Gott sie schreiben kann. Bielefeld (CLV) 2023. 477 Seiten. ISBN 978-3-86699-690-8.

Der 1946 geborene Evangelist, Freizeit- und Jugendleiter, Autor und Verleger Wolfgang Bühne legt mit diesem Buch seine Autobiografie vor. Die im Untertitel genannten Orte Schwelm, Stukenbrock und Schoppen markieren wichtige Lebensstationen, die ausführlich, lebendig und selbstkritisch geschildert werden. Auch heikle Themen wie seinen Ausschluss aus der „geschlossenen“ Versammlung in Meinerzhagen-Worbscheid (1985) spart Bühne nicht aus (S. 301–319). Bemerkenswert ist, dass er die heutige geistliche Situation der Geschlossenen Brüder für besser hält als die in den 1960er und 1970er Jahren (z.B. S. 95, 96, 108, 306) – ein erstaunlicher Kontrast zu den in diesen Kreisen selbst manchmal zu hörenden Klagen über „Verfall“ und „Niedergang“. Das Buch ist wie fast alle CLV-Veröffentlichungen auch online verfügbar.


Andrew Craig: Darby or Darwin? Brethren Perspectives on Creation and Evolution from 1820–1945. Belfast (Words to World) 2023. 92 Seiten. ISBN 978-1-78798953-5.

Masterarbeit über die Auseinandersetzung der „Brüder“ mit den wissenschaftlichen Theorien ihrer Zeit. Die „Brüder“ seien keine „unbeirrbaren Fundamentalisten“ gewesen, sondern hätten eine „unerwartete Bandbreite an Überzeugungen von der Lückentheorie bis zur theistischen Evolution“ vertreten.


Craig Hoyle: Excommunicated. A multigenerational story of leaving the Exclusive Brethren. Auckland, Neuseeland (HarperCollins) 2023. 327 Seiten. ISBN 978-1-77554201-8.

Der Strom der Raven-Taylor-Symington-Hales-Aussteigerbiografien reißt nicht ab. Der Verfasser dieses Buches wurde 2009 im Alter von 19 Jahren exkommuniziert, nachdem er sich als homosexuell geoutet hatte.


hummelDaniel G. Hummel: The Rise and Fall of Dispensationalism. How the Evangelical Battle over the End Times Shaped a Nation. Grand Rapids, MI (Eerdmans) 2023. xvii, 382 Seiten. ISBN 978-0-8028-7922-6.

Eine weitere Geschichte des Dispensationalismus und seines Einflusses auf die amerikanische Kultur. Das erste Kapitel ist noch den Anfängen der Brüderbewegung in Irland und Großbritannien gewidmet, aber dann verschiebt sich der Schwerpunkt auf die Neue Welt und auf andere christliche Kreise, denn der Siegeszug des Dispensationalismus in Amerika fand (zu Darbys Leidwesen) bekanntlich außerhalb der Brüderbewegung statt – vermittelt aber vor allem durch deren reichhaltige Literatur.

Im Gegensatz zum oben vorgestellten Buch von Akenson zeichnet Daniel G. Hummel die Geschichte bis in die Gegenwart nach. Den im Titel angesprochenen „Fall“ sieht er mit dem „Pop-Dispensationalismus“ von Hal Lindsey und anderen ab den 1970er Jahren beginnen; dadurch sei auch der akademische Dispensationalismus in Misskredit geraten. Das Aufkommen des New Calvinism und die Hinwendung vieler Dispensationalisten entweder zu diesem oder zum Progressive Dispensationalism hätten dann in den 1990er Jahren zum endgültigen Zusammenbruch des traditionellen Dispensationalismus geführt; heute lebe er nur noch in seiner „Pop“-Form und akademisch in einigen Nischen fort.

Bei der Fülle der vom Autor verarbeiteten Details kann es nicht ausbleiben, dass sich einzelne Fehler eingeschlichen haben (worauf auch bereits von reformierter Seite hingewiesen wurde). Aus „Brüder“-Sicht möchte ich hier nur anmerken, dass Francis Emory Fitch, Alwyn Ball Jr. und John T. Pirie (Finanziers der Scofield-Bibel), Andrew Gray (vom Verlag Pickering & Inglis) sowie George H. Pember und Arno C. Gaebelein keine „Exclusive Brethren“ waren, wie Hummel behauptet.


Graeme Johanson: Searching For Elsewhere. Port Adelaide, Australien (Ginninderra Press) 2023. 304 Seiten. ISBN 978-1-76109-559-7.

Jugenderinnerungen eines 1946 geborenen Professors für Informationstechnik, der in einer Familie der Raven-Taylor-Brüder in Melbourne (Australien) aufwuchs. 1962 ausgeschlossen, gehörten sie zunächst einer „Outs“-Gruppe an, von der sich der Autor aber 1968 ebenfalls abwandte (wie vom christlichen Glauben überhaupt).


Varghese Mathai: Mahakavi K. V. Simon. The Milton of the East. New York u.a. (Bloomsbury Academic) 2023*. xxiv, 249 Seiten. ISBN 978-1-5013-8849-1.

Kunnampurathu Varghese Simon (1883–1944) war ein indischer Dichter und Lehrer, der 1918 eine freikirchliche Bewegung namens Viyojitha gründete, die sich 1929 mit den Offenen Brüdern zusammenschloss. Mahakavi („großer Dichter“) ist ein ihm verliehener Ehrentitel.

* In der auf Amazon zugänglichen Leseprobe steht 2024 als Erscheinungsjahr; tatsächlich muss das Buch aber bereits im Oktober 2023 herausgekommen sein.


David J(ohn) Murray: West Cumbria Brethren. The early years of five churches of the Christian Brethren movement in 19th century Cumberland. Brethren of the North 2. Workington (Selbstverlag/Amazon) 2023. 142 Seiten. ISBN 979-885017822-2.

Nach seinem 2022 erschienenen Band mit Lebensbildern von neun Missionaren aus Cumbria beschreibt Murray nun die Anfänge von fünf Offenen Brüdergemeinden in dieser Grafschaft (Keswick, Whitehaven, Workington, Cockermouth und Frizington).


Arthur T[appan] Pierson: Georg Müller. Niemals enttäuscht. Bielefeld (CLV) 2023. 286 Seiten. ISBN 978-3-86699-676-2.

Überarbeitete Fassung der klassischen Biografie Georg Müllers. Zuerst erschienen unter dem Titel Georg Müller von Bristol, Dinglingen (Verlag der St. Johannis-Druckerei) 1906,211996; teilweise auch in anderen Verlagen (Ott, Gotha; Spener, Marburg); der Titel Niemals enttäuscht spätestens ab der Ausgabe Gotha (Ott) 61930.


Margaret Skea: Angola in my Heart. The Story of Ruth Hadley. Bath (Echoes International) 2023. 145 Seiten. ISBN 978-1-9169058-3-2.

Biografie von Ruth Joy Hadley (1956–2017), die von 1982 bis 2016 als Missionarin der Offenen Brüder in Angola tätig war.


bmww2023Neil Summerton (Hrsg.): The Brethren Movement Worldwide. Key Information 2023. 6th Edition. Darvel, UK (OPAL Trust) 2023. xxviii, 435 Seiten. ISBN 978-1-907098-53-6.

Die 6., aktualisierte Auflage dieses internationalen Nachschlagewerks ist derzeit nur online verfügbar, soll aber 2024 auch im Druck erscheinen. Der Abschnitt über Deutschland wurde grundlegend überarbeitet und deckt jetzt auch die „blockfreien“ Gemeinden wieder ab (vgl. meine Kritik an der 5. Auflage von 2019). Verdienstvoll ist der 21-seitige Gesamtüberblick über die weltweite Geschichte der (Offenen) Brüderbewegung am Ende des Bandes.


Michael P. Veit: Pilger in einer fremden Welt. John Nelson Darbys Kommentare zu Jakobus, Petrus und Judas. Übersetzt und kommentiert von Michael P. Veit. Hamburg (disserta) 2023. 232 Seiten. ISBN 978-3-95935-608-4.

Auf den 2022 erschienenen Band über den Kolosserbrief folgt nun eine Zusammenstellung von (größtenteils erstmals übersetzten) Kommentaren Darbys zu den Briefen von Jakobus, Petrus und Judas. Nach Auskunft des Autors wird man dabei „teils erschreckende Parallelen zu den kirchlichen und religiösen Fehlentwicklungen unserer Zeit entdecken“.


Andrew W. Wilson: Assembly Autopsy. Why Brethren Churches are Dying and How to Revive Them. North Lakes, Australien (Believers Publications) 2023. 220 Seiten. ISBN 978-0-9943977-8-2.

Der aus Australien stammende Autor ist seit 1994 vollzeitlich im Dienst der Offenen Brüdergemeinden in England und Amerika tätig.


David Wilson: The Electrician’s Children. How an Irish family took Jesus’ conspiracy of hope across the globe. Dublin (Agapé Ireland) 2023. 322 Seiten. ISBN 978-0-9565814-3-3.

Erinnerungen einer irischen Missionarsfamilie der Offenen Brüder, die über drei Generationen auf fünf Kontinenten tätig war.


Pennie Wood: A Feather in the Fog. One Woman’s Escape from the Exclusive Brethren. Ohne Ort (Knotted Road Press / Amazon) 2023. 238 Seiten. ISBN 979-886569011-5.

Ein weiteres Raven-Taylor-Symington-Hales-Aussteigerbuch. In diesem Fall allerdings keine Autobiografie, sondern die von fremder Hand verfasste Lebensgeschichte einer 1979 geborenen, anonym (bzw. pseudonym) bleibenden Amerikanerin.


Klaus-Dieter Zunke (Hrsg.): Gemeinsam unterwegs als Soldat und Christ. 125 Jahre (1898–2023) – Vom „Bund gläubiger Offiziere“ zur „Cornelius-Vereinigung e.V. (CoV) – Christen in der Bundeswehr“.  Leipzig (Evangelische Verlagsanstalt) 2023. 228 Seiten. ISBN 978-3-374-07358-0.

Der Sammelband enthält zwei Aufsätze mit Bezug zur Brüderbewegung:

  • Klaus-Dieter Zunke: „Der Gründer – Georg von Viebahn (S. 43–46)
  • Hartmut Wahl: „Einblicke in den ‚Bund gläubiger Offiziere‘ (S. 49–56)

AUFSÄTZE


bhr2018Ausgabe 18 (2022) der Brethren Historical Review erschien erst Ende Februar 2023 und wird daher auch erst in dieser Bibliografie berücksichtigt. Sie enthält (neben etlichen Rezensionen) folgende Beiträge:

  • Crawford Gribben: „Dating Darby’s Addresses to his Roman Catholic Brethren (S. 1–14)
  • Douglas Wertheimer: „The Truth About 1843, and Why It’s Important: Gosse, Brethren, Jamaica, and the Scorpion (S. 15–63)
  • Timothy C. F. Stunt: „New Source Materials for the Open Brethren in the 1850s (S. 64–74)
  • Sam McKinstry / Neil Dickson: „Elusive Exclusive? John Murray Robertson (1844–1901), Architect, Dundee (S. 75–122)
  • Sam K. John: „A Quest for Radical Reformation: The Emergence of the Kerala Brethren at the Dawn of the Twentieth Century (S. 123–157)
  • Tim Grass: „The Historiography of Harold Rowdon (S. 158–164)
  • Michael Schneider: „New Writing on Brethren History (S. 165–169)
  • Ian Randall: „Harold Hamlyn Rowdon (1926–2021) (S. 216–228)

Die aktuelle Ausgabe 19 (2023) der Brethren Historical Review ist ebenfalls wieder bis Jahresende nicht erschienen und kann daher erst in der nächsten Bibliografie berücksichtigt werden.


Howard A. Barnes: „Donald Ross (1823–1903)“. In: Precious Seed 78 (2023), Heft 4, S. 8 (auch online).

Donald Ross, dessen Geburtstag sich am 11. Februar zum 200. Mal jährte, wirkte ab 1858 als Evangelist in Schottland, schloss sich 1871 den Offenen Brüdern an und wanderte 1876 nach Nordamerika aus, wo er zahlreiche Gemeinden gründete.


Wolfgang Bühne: „Ungewöhnliche Bekehrungen. Was Gott aus einem Taugenichts und Schurken machen kann!“ In: fest und treu 182 (2/2023), S. 8f.

Über die Bekehrung von Georg Müller (1805–1898). Das ganze Heft ist auch online verfügbar.


Bert Cargill: „Frederick W. Baedeker 1823–1906“. In: Precious Seed 78 (2023), Heft 1, S. 10f. (auch online).

Der Geburtstag des aus Deutschland stammenden, in England zum Glauben gekommenen Russlandmissionars Friedrich Wilhelm Baedeker jährte sich am 3. August ebenfalls zum 200. Mal (vgl. meinen Blogeintrag).


Mariana Espinosa: „Matrimonio y mujeres en el movimiento misionero Christian Brethren (Argentina, 1882–1960)“. In: Redes, empresas e iniciativas misioneras en América del Sur. Siglos XIX y XX. Hrsg. von Eric Morales Schmuker und Rocío Guadalupe Sánchez. Santa Rosa, Argentinien (Eric Morales Schmuker) 2023. S. 163–185 (auch online).

Soziologisch-anthropologische Untersuchung über Ehe und Frauen bei den Offenen Brüdern in Argentinien.


Lisa Heinz-Dönges: „Groß durch die Liebe. Zum 100. Todestag von Emil Dönges“. In: Zeit & Schrift 26 (2023), Heft 6, S. 16–25 (auch online).

Das wohl umfangreichste Lebensbild von Emil Dönges, verfasst von seiner Tochter Lisa und erschienen zu seinem 100. Geburtstag im Botschafter des Friedens 63 (1953), S. 29–36, wurde hier in leicht überarbeiteter Form wiederveröffentlicht und mit 38 historischen Anmerkungen versehen. Zu Dönges vgl. auch meinen Blogeintrag vom 7. Dezember.


Stephan Holthaus: „Weitblick des Glaubens. Friedrich Wilhelm Baedeker – der Evangelist Russlands“. In: Zeit & Schrift 26 (2023), Heft 5, S. 24–29 (auch online).

Die heute maßgebende biografische Studie über Friedrich Wilhelm Baedeker erschien 2006 auf Deutsch in dem gleichnamigen Büchlein von Stephan Holthaus und Ulrich Bister und 2013 auf Englisch in dem Wiedenester BAHN-Tagungsband Witness in Many Lands. Der hier wiederveröffentlichte, zuerst zum 100. Todestag in der Perspektive 6 (2006), Heft 12, S. 22–25 publizierte Artikel ist eine Kurzfassung davon.


Anand Jonathan Kanchan: „A Role of Printing Press towards Developing of Brethren Movement in Karnataka“. In: Research Methods in Multidisciplinary Subjects. Vol. 1. Hrsg. von Mohd. Shaikhul Ashraf, Sandhya Sharma, Rajalakshmi R, Chetna Gupta, Ankita Chaudhary und Anu Verma. Lunawada, Indien (red’shine Publication) 2023. S. 175–184.

Über die Rolle von gedruckten Publikationen bei der Entwicklung der Brüderbewegung im südindischen Bundesstaat Karnataka. Wie der Titel bereits zeigt, ist der Aufsatz in erstaunlich fehlerhaftem Englisch verfasst, insbesondere was den Artikelgebrauch angeht (“In the history of India printing press played important role”). Der gesamte Band ist auch online verfügbar.


Andreas Liese: „Auf dass sie alle eins seien. Freikirchliche Vereinigungsbemühungen 1937 bis 1941“. In: Entgrenzungen. Festschrift zum 60. Geburtstag von Andrea Strübind. Hrsg. von Sabine Hübner und Kim Strübind. Berlin (Duncker & Humblot) 2023. S. 151–191.

Bereits kurz vor dem Verbot von 1937 gab es Bestrebungen, Baptisten, Freie evangelische Gemeinden, Offene und Geschlossene Brüder zu einem Bund zusammenzuschließen; später wurden auch noch die Bischöfliche Methodistenkirche und die (ebenfalls methodistische) Evangelische Gemeinschaft ins Auge gefasst. Der Aufsatz stellt die Verhandlungen dieser Gruppen bis 1941 im Einzelnen dar und zeigt, warum der Zusammenschluss letztlich nicht über Baptisten und BfC hinausging.


Armin Lindenfelser: „Die Entwicklung der Brüdergemeinden im badischen Land“. In: Zeit & Schrift 26 (2023), Heft 3, S. 20–27 (auch online); Heft 4, S. 26–33 (auch online).

Baden gilt gemeinhin nicht als besonderes Zentrum der Brüderbewegung. Mithilfe von Adressverzeichnissen, mündlichen und schriftlichen Erinnerungen gelingt es dem Autor dennoch, wesentliche Züge der badischen Brüdergeschichte („geschlossen“ wie „offen“) zu rekonstruieren.


Ronaldo Magpayo: „The Lord’s Supper in a Filipino Perspective“. In: Logoi Pistoi / Faithful Words 6 (2023), S. 70–79.

Über die Bedeutung des Brotbrechens „aus der Perspektive der philippinischen indigenen Werte“, insbesondere für Brüdergemeinden. Der ganze Band ist auch online verfügbar.


David Maxwell: „Not Peace but a Sword: Missionaries, Humanitarianism, and Slavery in Late Nineteenth-Century Central Africa“. In: Pacifying Missions. Christianity, Violence, and Empire in the Nineteenth Century. Studies in Christian Mission 58. Hrsg. von Geoffrey Troughton. Leiden/Boston (Brill) 2023. S. 107–129.

Der Autor vergleicht die Reaktionen von Missionaren der katholischen Weißen Väter und der Offenen Brüder (Frederick Stanley Arnot, Dan Crawford) auf die sozialen Bedingungen im Zentralafrika des späten 19. Jahrhunderts.


Ian Randall: „Harold Hamlyn Rowdon (1926–2021)“. In: Partnership Perspectives 75 (Autumn 2022 / Winter 2023), S. 5–14 (auch online).

Nachruf auf den am 3. Oktober 2021 verstorbenen Dozenten für Kirchengeschichte am London Bible College und Autor des bahnbrechenden Werkes The Origins of the Brethren 1825–1850 (1967). Der Artikel erschien auch in Ausgabe 18 (2022) der Brethren Historical Review (s.o.).


Max Weremchuk: „John Nelson Darby (1800–1882)“. In: Discovering Dispensationalism. Tracing the Development of Dispensational Thought from the First to the Twenty-First Century. Hrsg. von Cory M. Marsh und James I. Fazio. El Cajon, CA (Southern California Seminary Press) 2023. S. 205–246 (auch online).

In dem Sammelband wird die Geschichte dispensationalen Denkens vom 1. bis zum 21. Jahrhundert (wohlwollend) nachgezeichnet. Das umfangreiche Kapitel von Max Weremchuk untersucht John Nelson Darbys Rolle in dieser Entwicklung.


HOCHSCHULSCHRIFTEN


Kate Brooks: ‘She appears a promising child’: The Role of the C19th Orphanage in Categorising Young Care Leavers in Terms of Productive Labour. A Critical Case Study of Muller’s New Orphan Homes’ Dismissal Books 1830s–1890s. PhD Thesis, Bath Spa University, Bath 2023. 260 Seiten (auch online).

Wenn die Kinder in Georg Müllers Waisenhäusern das Erwachsenenalter erreichten, wurden sie in die Arbeitswelt entlassen und mit Empfehlungen für ihre beruflichen Einsatzmöglichkeiten versehen. Die Autorin untersucht die Entlassungsbücher mithilfe der (marxistischen) „Kritischen Diskursanalyse“ und kommt zu dem Schluss, dass die Waisenhäuser „trotz ihrer evangelikalen Rhetorik nach den Grundsätzen der kapitalistischen Effizienz arbeiteten“. Durch Brooks’ Dissertation werde Müller „zum ersten Mal in den komplexen sozialen, ökonomischen und kulturellen Kontexten Großbritanniens im 19. Jahrhundert verortet“, und es werde „die Vermischung von guten Absichten und engstirnigen Vorurteilen, die solchen Werken zugrunde lag, diskursiv erfasst“.


Darin Duane Lenz: Henry Craik (1805–66), from St. Andrews to Bristol: An Irenic Scotsman and the Call for a Second Reformation. MTh Thesis, University of Glasgow / Edinburgh Theological Seminary 2022/23. 115 Seiten (auch online).

Nachdem Lenz 2010 bereits eine umfangreiche Dissertation über Georg Müller vorgelegt hatte – wahrscheinlich die erste über Müller überhaupt –, folgt nun die wohl erste akademische Arbeit über Müllers Kollegen Henry Craik. (Warum der Autor es allerdings nötig hatte, über zehn Jahre nach seiner Promotion noch eine Masterarbeit zu schreiben, und warum er die Dissertation in der Masterarbeit trotz des verwandten Themas kein einziges Mal erwähnt, entzieht sich meiner Kenntnis.)


Vilhelm Edvard i Lida: Brødremenigheden på Færøyene sommeren 2022. Observasjoner av forhold medlemmer var opptatt av. MA Thesis, Universität Bergen 2023. 99 Seiten (auch online).

Eine Untersuchung in norwegischer Sprache über die Haltung färöischer Brüdergemeindler zu sozialen Fragen wie Geschlechterrollen, Kleidung, Sprache, Alkoholkonsum, Teilnahme am Nationalfeiertag Ólavsøka und Identität.


Für Hinweise auf weitere, von mir übersehene Neuerscheinungen bin ich dankbar!

100. Todestag von Emil Dönges

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Emil Dönges (1853–1923)

Heute vor 100 Jahren verstarb in Darmstadt der neben Rudolf Brockhaus vielleicht prominenteste deutsche Geschlossene Bruder der zweiten Generation: Emil Dönges. Er war bekannt als Evangelist, Lehrer, Autor, Herausgeber und Verleger und auch als Delegierter in internationalen Angelegenheiten (z.B. Tunbridge Wells 1909/10, Basel 1921). Sein relativ früher Tod im Alter von 70 Jahren fand in den Zeitschriften der „Brüder“ ungewöhnlich starken Widerhall – es erschienen mindestens drei Nachrufe:

In der zuletzt genannten Publikation folgte anlässlich seines 100. Geburtstags 1953 noch ein weiteres Lebensbild (das bis heute wohl ausführlichste), verfasst von seiner Tochter Lisa Heinz-Dönges (1897–1964). Alle vier Texte liegen auf bruederbewegung.de inzwischen in zeichengetreuen Neueditionen vor; auf ihnen basieren im Wesentlichen auch alle späteren Darstellungen, z.B. die von Arend Remmers in Gedenket eurer Führer (1983) oder die von Paul Krumme in der Wegweisung (1991).1

Weniger bekannt ist, dass auch mehrere Zeitschriften aus den „Benennungen“ (wie die Geschlossenen Brüder sich auszudrücken pflegten) über Emil Dönges’ Heimgang berichteten. Sein Name war in christlichen Kreisen durchaus geläufig, denn im Gegensatz zu Rudolf Brockhaus und den meisten anderen „führenden Brüdern“ hatte Dönges sich nicht gescheut, auch in überkonfessionellen Organisationen wie dem Bibelbund, dem CVJM oder der Deutschen Christlichen Studentenvereinigung mitzuarbeiten. In diesem Punkt ähnelte er Georg von Viebahn (1840–1915), mit dem er gut befreundet gewesen war und dem er um 1919 einen warmherzigen Nachruf gewidmet hatte. Der zeitgenössische Konfessionskundler Paul Scheurlen ordnete Viebahn und Dönges daher wohl nicht ganz zu Unrecht einer „milderen Richtung“ des „Darbysmus“ zu.2

Einige Nachrufe aus Zeitschriften außerhalb der Brüderbewegung haben sich als Kopien in der Sammlung von Rudolf Kretzer (1907–1975) erhalten, die inzwischen ins Brüderarchiv Wiedenest überführt und von Hartmut Wahl vollständig inventarisiert wurde. Zu Dönges’ 100. Todestag sollen sie hier der Vergessenheit entrissen werden.

Der Gärtner

Die Zeitschrift der Freien evangelischen Gemeinden erschien wöchentlich und konnte daher noch im letzten Heft des Jahres 1923 in der Rubrik „Umschau“ eine Nachricht über Dönges’ Tod unterbringen. Was sie an biografischen Informationen über ihn zur Hand hatte, ist fast durchweg falsch (vgl. meine korrigierenden Fußnoten), aber die Bewertung seiner Person und Rolle in der Brüderbewegung dafür umso interessanter.

Am 8.3 Dezember ist in Darmstadt Dr. Emil Dönges entschlafen. Geboren in Dillenburg4 war er vor seiner Bekehrung zum Herrn5 Oberlehrer6 im höheren Schulamt. Er gab dasselbe auf und trat, wenn wir den Gang der Dinge recht beurteilen, nach Joh.7 von Posecks, des Hauptübersetzers der Elberfelder Bibel,8 unfreiwilligem Abgang an dessen Stelle im deutschen Darbysmus.9 Was Poseck trotz seiner dogmatischen Treue nicht gelang, ein erträgliches und brüderliches Verhältnis zur Wuppertaler Oberleitung zu bewahren, war Dönges viele Jahre hindurch gegeben. Im Zusammenhang mit seinem Wirken entstand das zweite Verlagshaus der sogenannten Versammlung in Dillenburg, das dann mehr die Aufgabe erhielt, volkstümliche Literatur, Kalender u.a. zu verbreiten, als deren Herausgeber der Heimgegangene weithin bekannt geworden ist. Hier erschien auch die „Gute Botschaft des Friedens“, die Dönges jahrelang herausgab. Auch über die letzten Dinge hat er oft und viel geschrieben, allerdings, wie ja nicht anders zu erwarten, nur in Anlehnnung [sic] an J. N. Darbys geprägte, dort allein maßgebliche Schriftauslegung. Dennoch war er nicht wie so mancher andere ein starrer Kirchenmann seiner Benennung, sondern ein Mann der Liebe und des Friedens und einer dort seltenen Weitherzigkeit, in erster Linie Bruder und Jünger Jesu, der auch Andersdenkende und Andersempfindende gelten ließ und der sich hier und da schon mal erlauben konnte, eigene Wege zu gehen.10

Eine sprachlich (nicht inhaltlich) minimal korrigierte Version dieser Mitteilung erschien Anfang 1924 auch in der Zeitschrift Auf der Warte: Ein Blatt zur Förderung und Pflege der Reichgottesarbeit in allen Landen, die der Gemeinschaftsbewegung nahestand und zu dieser Zeit von Karl Möbius (1878–1962) in Neumünster/Holstein herausgegeben wurde.11

C. V. J. M. Darmstadt

Unter diesem unscheinbaren Titel gab die Darmstädter Ortsgruppe des Christlichen Vereins Junger Männer ein Faltblatt heraus, das offenbar zugleich als Einladungsflyer, Mitteilungsblatt und Veranstaltungskalender diente. In der Ausgabe mit den Terminen für Januar 1924 (auf der Rückseite; die Titelseite ist undatiert) findet sich unter der Rubrik „Freude und Leid im Vereinsleben“ folgende Notiz:

Tiefes Leid hat uns der Heimgang eines lieben Freundes unserer Sache gebracht. Am 7. Dezember ist Herr Dr. Dönges plötzlich von seinem Meister, dem er seit seinem 18. Jahre in Treue und Liebe diente, im 70.12 Lebensjahre heimgerufen worden zu dem, den er im heiligen Ernste verkündete. Allmonatlich hat uns dieser treue Knecht seines Meisters mit dem reichen Schatz seiner Erfahrung in die Schrift eingeführt. Er hat es besonders verstanden, jedem der Teilnehmer etwas zu geben. Der reiche Segen, den er unter uns ausgestreut, wird sicher gesegnete Frucht bringen.13

Evangelisches Allianzblatt

Die Zeitschrift der „Blankenburger Allianz“ (die eher landeskirchenkritisch eingestellt war) brachte im ersten Heft des Jahres 1924 eine von Otto Dreibholz verfasste Todesanzeige:

Im Alter von 7114 Jahren entschlief in Darmstadt der, in der Gemeinde des Herrn, weit bekannte

Dr. Emil Dönges.

Der Bruder war ein Zeuge Jesu durch Wort und Schrift und die Ewigkeit wird es klar machen, wie vielen Irrenden er den Weg zu Jesu gewiesen hat und wie vielen Kindern Gottes er im Segen gedient hat.

Als Gott den Moses wegnahm, da hatte Er den Josua zubereitet und als Elias gen Himmel gefahren war, da teilte sich das Wasser vor Elisa. Wir wollen auch in diesem Falle das Vertrauen zum Herrn haben, daß Er die Lücke in der rechten Weise ausfüllt.

O. D.15

Unser Dienst

Ein Vorläufer der heutigen SMD war die Deutsche Christliche Studentenvereinigung. Da sie erst 1895 gegründet wurde, kann Dönges ihr als Student nicht angehört haben, aber er stand ihr offenbar mit viel Sympathie gegenüber und nahm sowohl in Frankfurt als auch in Darmstadt regelmäßig an Veranstaltungen ihres „Altfreunde-Verbandes“ teil. Dessen Zeitschrift Unser Dienst, herausgegeben von Pastor Arno Spranger (1884–1972), würdigte ihn im Juni 1924 in einem knapp dreiseitigen, stellenweise beinahe hymnischen Nachruf:

Zum Gedächtnis.

Am 7. Dezember 1923 entschlief sanft im Herrn unser lieber, treuer Altfreund Dr. Emil Dönges. Man hat gesagt, ein Oberster, ein Großer, sei mit dem Entschlafenen abgeschieden, ein Wort, dem alle diejenigen, insonderheit alle diejenigen Altfreunde, aus vollem Herzen zustimmen werden, denen es vergönnt war, dem teuren Entschlafenen nähertreten zu dürfen. Mit Dr. Dönges ist einer unserer treuesten Altfreunde, der regen Verkehr mit den Kreisen Darmstadt und Frankfurt unterhielt, aus dem Leben geschieden, ein Großer, ja, der Größten einer unserer Führer auf dem Weg zur ewigen Heimat, ein Mann, dessen Herz ungeteilt auf seinen Herrn gerichtet war, der sein ganzes Leben, seine hohen geistigen Fähigkeiten, seine ganze Kraft in den Dienst seines Herrn gestellt, dem es wie wenigen vergönnt war, jahrzehntelang, sowohl im Wort wie durch seine nimmermüde Feder, jung und alt, hoch und niedrig auf seinen göttlichen Meister, seinen wunderbaren Herrn und Heiland hinweisen zu dürfen. Welch ein reicher Segen von seinem Worte ausging, das weiß der Herr allein, das wird die Ewigkeit erweisen; wir, die Zurückgebliebenen, können es nur ahnen, durften wir doch oftmals zu seinen Füßen sitzen und im Geiste teilnehmen an der himmlischen Freude, die sein Herz in so reichem Maße empfand, an jener Liebe zugleich, die aus Gott geboren, sein ganzes Wesen erfüllte, die rückhaltlos auf alle diejenigen ausstrahlte, die zu ihm kamen, jener wahren Liebe, die als etwas Ursprüngliches, Urmächtiges, als lebendiger Gottesquell seiner begnadeten Seele entströmte. Ihr müssen wir es danken, daß er nie müde wurde, immer und immer wieder, auch in den Kreisen der Altfreunde, die dringende Notwendigkeit zu betonen, in der Liebe des Herrn und an seinem heiligen, unvergänglichen Worte zu bleiben.

Als ein kleines Zeichen der Dankbarkeit möge ein kurzes Lebensbild des Heimgegangenen folgen.

Das nun folgende Lebensbild ist im Wesentlichen eine Zusammenfassung des erwähnten Artikels von Rudolf Brockhaus aus der Tenne, sodass auf eine vollständige Wiedergabe hier verzichtet werden kann. Gegen Ende wird die Darstellung wieder eigenständiger:

Am 2. September 1923 durfte er im Kreise seiner Lieben: seiner treuen Gattin, seiner Kinder und einem Enkel unter reichsten Glückwünschen von nah und fern seinen 70. Geburtstag festlich begehen.

Anfang Dezember 1923 stellte sich eine Verschlimmerung seines alten Herzleidens ein, die am 7. Dezember diesem teuren, gottbegnadeten Leben ein Ende bereitete.

War es „Zufall“, daß er auf den Tag seines Heimgangs für den 7. Dezember auf seinem Abreißkalender eine Betrachtung geschrieben über das Wort 1. Kor. 15, 49: „Wie wir das Bild dessen von Staub getragen haben, so werden wir auch das Bild des Himmlischen tragen“? Er schrieb: „… unser heutiges Wort gibt uns neu die bestimmte kostbare Zusage: „Wir werden das Bild des Himmlischen tragen.“ Welch herrliche Hoffnung!“

Noch 14 Tage vor seinem Heimgang besuchte er einen Altfreundeabend, auf dem Dr. phil. Krämer über 1. Kor. 15 sprach anläßlich des bevorstehenden Totensonntags. In der Aussprache betonte der Entschlafene kräftig die Gewißheit der ewigen Seligkeit der Kinder Gottes und verlas zum Schluß die beiden ersten Verse des Liedes: „Jesus, meine Zuversicht“:

„Jesus, er, mein Heiland, lebt,
Ich werd’ auch das Leben schauen,
Sein, wo mein Erlöser schwebt,
Warum sollte mir denn grauen?
Lässet auch ein Haupt sein Glied,
Welches es nicht nach sich zieht?“

Vom Posaunenchor des C. V. J. M. Darmstadt, in dessen Mitte er oft und gern geweilt hatte, mit den Klängen dieses Liedes geleitet, wurde am 11. Dezember 1923 unter überaus zahlreicher Beteiligung aus allen Gauen Deutschlands seine sterbliche Hülle zu Grabe getragen.

Nun ist die einst nimmermüde Feder seiner Hand entfallen, die Lippen, die einst in der Kraft des Herrn in heiliger Freude die unendliche Liebe und Gnade gepriesen, sind für immer verstummt. Der Diener ist eingegangen zu seinem hochgelobten Herrn, sein Wunsch ist erfüllt: Ihn schauen zu dürfen, wie er ist. Er ist als der gute und getreue Knecht eingegangen in die Herrlichkeit seines Herrn.

Auch uns, den hinterbliebenen Altfreunden, hat sein Scheiden eine große Lücke hinterlassen, die nur der Herr zu schließen vermag. Doch nicht klagen geziemt uns. Vielmehr wollen wir nach oben schauen in heißer Dankbarkeit dafür, daß der Herr einen solch Großen ausgesandt, damit sein Werk ausgebreitet und in den Seelen vertieft werde. Wir wollen nicht ermatten in der Bitte, daß der Herr der Ernte uns fähig mache, ihm nachzufolgen in gleicher Liebe und Treue, wie unser entschlafener Altfreund es getan, zu unseres wunderbaren Herrn Lob und Ehr’ und Dank und Preis. Sein Name sei gepriesen in alle Ewigkeit! Amen.

Fr. R.16

Nach dem Gesetz und Zeugnis

Seit den 1910er Jahren war Dönges Mitglied des Bibelbundes gewesen,17 deren Zeitschrift Nach dem Gesetz und Zeugnis auch mindestens einen Artikel von ihm abgedruckt hatte (über die Inspiration der Bibel18). Im ersten Quartal 1925 erinnerte auch diese Zeitschrift an den Verstorbenen, indem sie den – eigentlich eher „Brüder“-internen – Nachruf, der 1925 im Botschafter des Friedens erschienen war, praktisch unverändert nachdruckte (nur ohne den ersten Absatz).19 Herausgeber der Zeitschrift war zu dieser Zeit Heinrich Cornelius (1864–1942), Pfarrer in Lütjenburg.

Der Münsterländer

Beim letzten hier mitgeteilten Lebensbild aus der Sammlung Kretzer handelt es sich nicht mehr um einen Nachruf, sondern um einen biografischen Zeitungsartikel, der wahrscheinlich 1958 im Münsterländer, einer heimatkundlichen Beilage zu den Westfälischen Nachrichten, erschien. Anlass dafür war Dönges’ (relativ kurze) Tätigkeit als Lehrer am Gymnasium Burgsteinfurt, die dem Verfasser Dr. Rudolf Rübel (1887–1963) offenbar bedeutend genug erschien, um ihn in die 91-teilige Artikelserie „Verdiente Burgsteinfurter“ aufzunehmen. Als Quellen verwendete er das Lebensbild im Botschafter des Friedens 1953 sowie „Familiennachrichten“.20 Der Artikel enthält neben einigen eher zweifelhaften Aussagen auch Informationen, die meines Wissens sonst nirgendwo überliefert sind (z.B. den genauen Ort von Dönges’ Englandaufenthalt).

Verdiente Burgsteinfurter

Dr. Emil Dönges
2. September 1853 – 7. Dezember 1923

Emil Dönges wurde in Becheln (bei Bad Ems) als zweitältester Sohn des Lehrers Philipp Dönges und seiner Gattin Josefine21 geb. Knab geboren. Sein Vater war ein ernster, gottesfürchtiger Mann, der der Erweckungsbewegung angehörte und in seinem Hause christliche Versammlungen abhielt. Nach dem Besuch der Realschule in Bad Ems kam der Junge auf das Realgymnasium nach Elberfeld. Dort wohnte er in einer christlichen Familie und trat in Verbindung mit entschiedenen Gläubigen. Nach dem Abitur (14. Juli 1874) ging er nach Marburg, wo er neuere Sprachen studierte. Zwischendurch war er 18 Monate in England, in Stoke Prior in einem Pfarrhause. Dort lernte er John Darby (1800–1882) kennen, den Begründer der Sekte der Darbisten. Am 23. Mai 1879 legte er in Marburg die Lehramtsprüfung für französisch und englisch ab. Nach einem Studienaufenthalt in Paris promovierte er am 5. August 1879 über das altfranzösische Rolandslied. Am 1. Oktober 1879 wurde er als Probekandidat und Hülfslehrer (= Studienassessor) an das Gymnasium nach Burgsteinfurt versetzt.

Als Angehöriger einer kirchenfreien Gemeinschaft weigerte er sich, mit den Gymnasiasten den Gottesdienst in der Kirche zu besuchen, wie es damals (bis 1918) Brauch am Gymnasium war. Er gründete hier eine freikirchliche Gemeinschaft, ähnlich wie die Darbisten und die Plymouthbrüder, die jede kirchliche Organisation und alle geistlichen Aemter ablehnen. Auch nach dem Weggang von Dr. Dönges blieb die von ihm gegründete Gemeinschaft weiter bestehen.

Als Dr. Dönges Ostern 1882 Burgsteinfurt verließ, entschloß er sich, den Lehrerberuf aufzugeben. Zunächst (von 1884–86) arbeitete er im Verlag Brockhaus in Elberfeld. Er übersetzte das Werk von Andrew Miller (einem Angehörigen der Plymouthbrüder): Short Papers on Church history (= Kurzgefaßte Kirchengeschichte) 1874–79, und arbeitete mit bei der Uebersetzung der sog. „Elberfelder Bibel“, die von seinen Anhängern seitdem benutzt wird. Diese Uebersetzung entstand aus dem Wunsch, „dem einfachen und nicht gelehrten Leser eine möglichst genaue Uebersetzung in die Hand zu geben“. Ueber Luther hinausgehend wurden auch neuere Uebersetzungen, auch holländische und englische, benutzt.

1886 zog er nach Frankfurt, wo er seine Lebensgefährtin fand, Katharina Kirch, die ihm neun Kinder geschenkt hat. Seine Erstlingsarbeit war die Evangeliums-Zeitschrift: „Gute Botschaft des Friedens“, erschienen zuerst 1888, die rasche Verbreitung fand. Auch für Kinder gab er eine Zeitschrift heraus, sowie mehrere Familienkalender, die auch in der Schweiz und in Amerika Verbreitung fanden. März 1899 siedelte er nach Darmstadt über. Sehr redegewandt, verstand er anschaulich zu erzählen. Sehr weitherzig ließ er auch Andersdenkende gelten. Neben den regelmäßigen Zeitschriften schrieb er auch viele Erzählungen und Traktate. Trotz seiner ausgedehnten Tätigkeit leitete er auch die Anstalt für Schwachsinnige in Aue (bei Schmalkalden). Bis wenige Tage vor seinem Tode war er unermüdlich tätig. Seine Kinder setzen seine Arbeit erfolgreich fort.22


100. Todestag von Georg von Viebahn

viebahn
Georg von Viebahn

Heute vor 100 Jahren starb der bekannte „General und Evangelist“ Georg von Viebahn. Aus diesem Anlass veröffentlicht bruederbewegung.de sechs historische Kurzbiografien und Porträts in zeichengetreuen Neueditionen:

  • Friedrich Wilhelm von Viebahn: Georg von Viebahn. Ein Streiter Jesu Christi (1918). Dieses Lebensbild wurde von Viebahns ältestem Sohn als Einleitung zu einer Auswahl aus der Traktatserie Zeugnisse eines alten Soldaten an seine Kameraden verfasst. Wichtige Quelle für alle späteren Biografien [18 Seiten, 154 KB].
  • Emil Dönges: General von Viebahn. Ein Gedenkblatt von Freundeshand (aus: Gedenk-Blätter aus ernster Zeit, um 1919). Der Autor, einer der führenden deutschen Geschlossenen Brüder der zweiten Generation, war mit Viebahn befreundet und sprach u.a. auf seiner Trauerfeier in Berlin. Besonders interessant sind einige persönliche Erinnerungen und Bezüge zur Brüderbewegung [11 Seiten, 123 KB].
  • Ernst Modersohn: Georg von Viebahn (aus: Menschen, durch die ich gesegnet wurde, 1937; wiederabgedruckt in Die Botschaft, 1951). In diesem Auszug aus seinen Lebenserinnerungen fasst der bekannte Pfarrer und Allianzmann Modersohn den „besonderen Auftrag“ Viebahns in vier Punkten zusammen [5 Seiten, 72 KB].
  • Ernst Lange: Zum hundertjährigen Geburtstag von Georg von Viebahn (aus: Die Botschaft, 1940). Der Verfasser dieses äußerst respektvollen Porträts war ein bekannter Offener Bruder und gehörte dem von Viebahn begründeten „Verband gläubiger Offiziere“ an [5 Seiten, 58 KB].
  • Anonym: Eine Erinnerung an General von Viebahn (aus: Die Botschaft, 1952). Zunächst wird eine Zeitungsnotiz zur Aufhebung des Viebahn’schen Familienfriedhofs in Engers kommentiert, anschließend folgen Erinnerungen eines Bruders Ö. aus Solingen, der Viebahn während seiner Soldatenzeit in den 1890er Jahren kennengelernt hatte [4 Seiten, 62 KB].
  • Kurt Karrenberg: Ein Streiter Gottes (aus: Die Botschaft, 1966). Dieser – leicht verspätet erschienene – Gedenkartikel zum 50. Todestag Viebahns, geschrieben vom damaligen Schriftleiter der Botschaft, fasst im Wesentlichen die Biografie Friedrich Wilhelm von Viebahns zusammen [7 Seiten, 80 KB].

Einige weitere Lebensbilder und Erinnerungen sind ebenfalls online zugänglich:

  • Arend Remmers: Georg von Viebahn (1840–1915) (aus: Gedenket eurer Führer. Lebensbilder einiger treuer Männer Gottes, Hückeswagen ²1990, S. 134–139)

Verweisen möchte ich schließlich noch auf die von Martin Arhelger bereitgestellte umfangreiche Sammlung von Zeitschriftenbänden und Broschüren Viebahns (darunter auch die bekannte Schrift Was ich bei den Christen gefunden habe, die sich nur im Namen Jesu versammeln [1902]; Neuedition auf bruederbewegung.de) sowie auf den bedeutsamen Briefwechsel zwischen Viebahn und Rudolf Brockhaus, dem führenden deutschen Geschlossenen Bruder im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts (Viebahn an Brockhaus, 14. Dezember 1905; Brockhaus an Viebahn, 15. Januar 1906).