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150. Todestag von Friedrich Bialloblotzky

railtonÜber das wechselvolle Leben des heutigen Jubilars liegt seit 2002 eine wissenschaftliche Monografie vor,1 in der seine kurze Verbindung mit den „Brüdern“ allerdings nicht erwähnt wird. Noel nennt ihn einen „Polish Rabbi“2 (was Rowdon und Ouweneel übernehmen3), aber tatsächlich war Christoph Heinrich Friedrich Bialloblotzky weder Pole noch Rabbiner: Seine Familie hatte zwar ursprünglich polnische Wurzeln, lebte aber bereits seit Generationen in Deutschland und war protestantisch.4

Zur groben Orientierung fasse ich Bialloblotzkys Leben zunächst in einer Zeittafel zusammen (mehr Einzelheiten und ein Publikationsverzeichnis bietet der Artikel im BBKL):

  • 9. April 1799: Geburt Bialloblotzkys in Pattensen bei Hannover als Sohn eines lutherischen Superintendenten
  • 1818–22 Theologiestudium in Göttingen; Kontakte mit erweckten Kreisen
  • ab 1824 Privatdozent an der Universität Göttingen und Hilfsgeistlicher an St. Jacobi
  • 1825 erste Reise nach England; Kontakte mit Freikirchlern wie Robert Haldane, James Alexander Haldane und Henry Drummond
  • ab 1826 – parallel zu den beiden Anstellungen in Göttingen – Agent der Wesleyan Methodist Missionary Society
  • Konflikte mit rationalistischen Theologen und Kirchenleitern
  • 1827 Abberufung von beiden Göttinger Stellen, danach erneuter Englandaufenthalt
  • 1828–31 Missionar der Wesleyan Methodist Missionary Society in Zakynthos (Griechenland) und Alexandria (Ägypten)
  • ab 1831 Leiter der Hebrew Institution in Camden Town (London)
  • 1833–43 Mitarbeit an der Englishman’s Hebrew and Chaldee Concordance to the Old Testament von George Vicesimus Wigram
  • ab 1836 mehrere Teilzeitstellen als Sprachlehrer (Hebräisch, Deutsch, Griechisch, Latein), u.a. an der Forest Proprietary Grammar School, an der City of London Corporation School und am Cheshunt College
  • 1837 erfolglose Bewerbung um eine Professur für Deutsch am University College London
  • 1848–49 Expeditionsreise zur Erforschung der Nilquellen; Abbruch aus finanziellen Gründen in Sansibar
  • danach mehrere Jahre ungeklärter Verbleib
  • ab 1854 wieder zeitweise Privatdozent an der Universität Göttingen
  • 28. März 1869 (heute vor 150 Jahren): Tod Bialloblotzkys im Haus seiner Schwester Marie in Ahlden an der Aller

Bialloblotzky und die „Brüder“

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Titelblatt der Kondordanz (1843)

Welcher Art und wie eng Bialloblotzkys Beziehungen zu den „Brüdern“ waren, liegt bisher noch weitgehend im Dunkeln. George Wigram, an dessen Hebräisch-Konkordanz Bialloblotzky offenbar maßgeblichen Anteil hatte5 (Noel nennt ihn „the principal Editor“6), wird in Railtons 250-seitiger Monografie nur zweimal nebenbei erwähnt;7 ein Zusammenstoß zwischen Bialloblotzky und Benjamin Wills Newton in den Anfangstagen der Londoner „Brüder“-Versammlung fehlt bei Railton ganz. Newton erzählt diesen Vorfall in seinen Erinnerungen dreimal; da diese Textstellen bisher noch nie vollständig zitiert worden zu sein scheinen, gebe ich sie hier in ganzer Länge wieder:

I was at the first meeting of Brethren in London. The diversity at Plymouth ultimately caused Wigram to leave and go to London. I happened to be near London when he had arranged his first meeting; and he sent his man-servant with his gig begging me to come & take charge of the meeting as he was taken suddenly ill. – I couldn’t go & see him in his bed, so I concluded the order was the same as we were accustomed to in Plymouth. It was in a private room near Regent Square and about 15 people, I suppose were present. As I had no instructions about procedure, I began the Meeting and soon after the commencement a gentleman came in with books. He was a Professor at University, Bialloblowski. After I had done, he rose & said that what we came for was discussion: we all differed, & the need was that we should investigate what truth was, by discussing it. I rose and said that I didn’t know what Mr. Wigram had arranged, but I could not accept that idea for a moment. Then I explained what my principles as to teaching were. –

He burst out with “Oh, those are your notions, are they? They are not mine. Then I’ll have nothing to do with it” And he left in anger: his wife went into hysteries. – A fine confusion.8

Der zweite Bericht ist in der 3. Person verfasst, stammt also offenbar von Newtons Protokollanten Frederick William Wyatt:

Wigram meanwhile had left for London and BWN saw nothing of the London meetings till 1833, when, being there, Wigram asked him to take some meeting in Titchfield Street as he himself was ill. – So N went, alone, and knowing no one. – He found that the meetings there had only just been started – in fact this was but the second sunday. – He took his seat and conducted the meeting as was usual in Devonshire but a gentleman who had come with Lexicon & Concordance protested against the monopoly. – He said it was not a teaching meeting but a searching or Berean meeting; & on BWN affirming that he was there as representing the principles that he believed Wigram held, the other gathered up his books & left.9

Zeigen sich schon hier leichte Abweichungen im Detail, so ist dies im dritten Bericht noch stärker der Fall:

Wigram asked me up to his meeting in London. [I think BWN said Wigram was ill & wrote for him to come. Ø] I went. –

Somebody rose & spoke first, & said “Ye may all prophesy one by one – etc.” and so on. – I rose afterward and said that this was entirely different from what I had understood, & from what Mr. Wigram had approved at Plymouth. – Also that the passage meant that prophets might all prophesy, but of course nobody but a prophet could do so. –

I had noticed a gentleman & lady come in with several big books (Lexicon & Concordance they were) which he placed on the table. His name was Bialloblotsky I found. He rose in a very excited manner, when I was saying that, & gathered up his books  & left. – His wife fainted & it made quite a little upset. – He was a professor of Languages in London.10

Da diese Erinnerungen Jahrzehnte nach den Ereignissen aufgezeichnet wurden, ist es nicht verwunderlich, dass sich leichte Abweichungen und auch Fehler eingeschlichen haben. Die Jahreszahl 1833 beispielsweise kann nicht stimmen, da Bialloblotzky in diesem Jahr noch gar nicht verheiratet war; erst am 5. April 1834 schloss er eine Ehe mit der Engländerin Sarah Maria Batley (1802–1866).11 Mithin ist auch fraglich, ob es sich wirklich um die erste oder zweite Zusammenkunft Wigrams in London gehandelt haben kann (vielleicht nur in diesem Raum?). Bialloblotzky war ferner kein „Professor at University“, sondern scheint von der University of London lediglich zeitweise als externer Prüfer für Deutsch herangezogen worden zu sein.12 Dennoch sind die Grundzüge des Vorfalls deutlich genug erkennbar, und es besteht kein Grund, an seiner Historizität zu zweifeln.

Ob Bialloblotzky später noch einmal einen Versuch gemacht hat, an den Zusammenkünften der „Brüder“ teilzunehmen, oder ob sich seine Beziehung zu ihnen von nun an auf die Mitarbeit an Wigrams Konkordanz beschränkte, ist unbekannt.

Anhang: Bialloblotzkys Ehe

Bialloblotzkys Auseinandersetzung mit Newton deutet auf ein reizbares, ungestümes Temperament hin, und tatsächlich finden sich dafür in seiner Biografie noch weitere Beispiele. Das gravierendste ereignete sich 1848 und war der Grund für den wohl größten Bruch in Bialloblotzkys Leben – die unvermittelte Abreise in Richtung Nilquellen, die keinerlei Bezug zu seinen vorherigen Tätigkeiten und Interessen erkennen lässt.

Was war geschehen? Die Leser der Londoner Evening Mail erfuhren es am 16. Juni 1848:

1848-06-16 Evening Mail, London 3 (Bialloblotzky divorce)
Evening Mail, 16. Juni 1848, S. 3

Schuldig geschieden wegen häuslicher Gewalt – damit hatte sich Bialloblotzky jede berufliche Perspektive in England verbaut.13 Er kehrte ins heimatliche Pattensen zurück und brach noch im selben Jahr in Richtung Afrika auf, finanziell unterstützt von seinem englischen Freund Charles Tilstone Beke. Ob er seine Frau je wiedergesehen hat, ist nicht bekannt; sie starb drei Jahre vor ihm, am 24. Juli 1866, in Shere (Surrey) südwestlich von London.

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Einträge im National Probate Calendar 1872

200. Geburtstag von John Leche Kraushaar

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John Leche Kraushaar (1819–1899)

Der heutige Jubilar wird meines Wissens in keiner Geschichte der Brüderbewegung erwähnt, aber in Julius Anton von Posecks Christus oder Park-Street? (1882). Er gehörte wie Poseck zu den Gegnern der „Haus(halts)taufe“ und gab offenbar eine Zeitschrift mit dem Titel The Occasional heraus, in der er geharnischte Kritik an dieser Taufpraxis übte. Poseck zitiert bzw. übersetzt daraus mehrere Seiten; hier einige Kostproben:

Sogar solche, die Christum offen verwerfen, sollen getauft werden, wenn sie zu dem Haushalt gehören, und sich (der Taufe) unterwerfen wollen; ja sogar „Trunkenbolde“, da ja der H. Geist innerhalb des Kreises der Getauften wohnt und wirksam ist, und alle die außerhalb sind, sich im Gebiete des Teufels befinden! […]

Ich kann nicht umhin, an die schreckliche Verantwortlichkeit derjenigen zu denken, die ihre unbekehrten Dienstboten durch ein äußerliches Bekenntniß zu „Christen“ machen, da ich sehe, wie der H. Geist die Verherrlichung Gottes mit diesem Namen verknüpft hat. […]

Jedes äußere Bekenntniß muß entweder ächt oder unächt sein. Wenn es ächt ist, so giebt es keine Schwierigkeit. Wenn es unächt ist, so muß eins von beiden der Grund davon sein. Entweder ist der Bekenner betrogen worden, oder er ist ein Betrüger oder Heuchler. O, wer zählt die Namen der so Betrogenen, sterbend und zur Hölle gehend! Wer sollte bei dem Gedanken an sie nicht blutige Thränen weinen! Da man sie gelehrt hat, daß sie durch die Taufe zu Christen gemacht worden sind und sich in der Kirche Gottes befinden, so glauben sie leicht, was sie gern für wahr halten möchten, um ihr Gewissen zu beruhigen. Was verstehen solche von den durch Menschen gemachten Unterscheidungen zwischen „dem Haus“ und „dem Leib?“

Solch ein armes Mädchen war in einer Bibelstunde zugegen gewesen, wo man diese Verfertigung von Christen mittelst der Taufe gelehrt hatte. Und als eine betagte, um des Mädchens Seelenheil sehr bekümmerte Schwester mit ihr über diesen Gegenstand sprach, sagte das Mädchen zu ihr: „Ich bin ebenso gut eine Christin wie Sie. Herr … hat uns dies in der Bibelstunde gesagt. Jeder der gechristet (getauft) ist, ist ein Christ. Daher brauchen Sie sich um mich nicht zu kümmern.“

Ach! diese armen Seelen glauben was man ihnen sagt, und besänftigen ihr wundes Gewissen mit dieser schmeichelnden Salbe. Und so fahren sie dahin in die Ewigkeit mit dieser Lüge in ihrer rechten Hand!1

Hat sich die Brüdergeschichtsschreibung bisher kaum mit Kraushaar beschäftigt, so liegen immerhin doch einige familiengeschichtliche Erkenntnisse über ihn vor, darunter ein von seiner Enkelin Grace Ermyntrude Clist (1886–1974) verfasstes Lebensbild, ein übersichtliches Kurzporträt und eine Geschichte seiner Familie. Demnach wurde Kraushaar am 4. Februar 1819 – heute vor 200 Jahren – im Londoner Vorort Stepney als Enkel eines deutschen Einwanderers geboren, studierte Griechisch und Latein, wurde zunächst Lehrer, dann Mitarbeiter der Londoner Stadtmission und schloss sich 1858 den „Brüdern“ an. In den folgenden Jahrzehnten zog er mit seiner Familie viel um, wirkte als Reiseprediger, schrieb einige Bücher (online verfügbar ist The Tabernacle in the Wilderness, 18732) und gab die oben genannte, offenbar verschollene Zeitschrift heraus. In den Auseinandersetzungen um Ryde und Ramsgate stellte er sich 1881 vermutlich auf die Seite Kellys. Am 4. April 1899, genau zwei Monate nach seinem 80. Geburtstag, starb er in West Buckland (Somerset).


100. Todestag von Jean Emil Leonhardt

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Jean Emil Leonhardt (1853–1918)

Heute vor 100 Jahren starb Jean Emil Leonhardt, der Gründer der Offenen Brüdergemeinde in Bad Homburg. Die Frankfurter Neue Presse (bzw. deren Regionalausgabe Taunus-Zeitung) gedenkt dieses Ereignisses durch eine zweiteilige Artikelserie der trotz ihrer 93 Jahre noch immer sehr rührigen Bad Homburger Stadthistorikerin Gerta Walsh, die bereits 2012 einen Artikel zum 125-jährigen Jubiläum der EFG Bad Homburg und 2014 zwei Artikel über die Aktivitäten Jean Emil Leonhardts und Friedrich Kleemanns im Ersten Weltkrieg verfasst hatte.

Die aktuelle Serie enthält einiges an bisher unbekannten Informationen:

  • Leonhardts genaues Geburtsdatum (25. Oktober 1853) wird hier meines Wissens zum ersten Mal veröffentlicht.
  • Laut Walsh erwarb Leonhardt 1883 die britische Staatsbürgerschaft und pendelte bis 1900 zwischen England und Deutschland hin und her (Letzteres erscheint mir allerdings etwas zweifelhaft, da ab 1886 kontinuierliche Gemeindeaktivitäten in Bad Homburg belegt sind, wie ich demnächst noch zu zeigen hoffe).
  • Aus der 1897 geschlossenen Ehe mit Ida Schneider gingen fünf Söhne und drei Töchter hervor.

Die von Walsh beschriebenen geschäftlichen Aktivitäten Leonhardts sind für Freunde der Bad Homburger Stadtgeschiche vielleicht interessanter als für Brüderhistoriker; Letztere werden allerdings den Schluss der Artikelserie zu würdigen wissen:

Am 11. Oktober 1917 musste er sich einer Operation unterziehen, deren Ausgang ungewiss war. Damals spürte er den „Schatten des Todes“. Zu Herzen gehend ist der Brief, den er am Vorabend dieses Tages seiner Frau und den Kindern schrieb. Darin spiegelte sich sein tiefes Gottvertrauen, und Leonhardt verband die Nachricht zugleich mit der Mahnung an seine Lieben, stets an die Mitmenschen zu denken, denen es im Leben nicht so gut ging wie ihm und seiner Familie. Hier fand er Worte, die seine Lebenshaltung ausdrückten: „Gedenke der Armen, der Waisen, der Brüder die in Noth sind und des ganzen Werkes des Herrn. Er hat uns so reichlich gesegnet, deshalb thue deine Hand weit auf und verschließe dein Herz nicht. Alles war und ist nur anvertrautes Gut. Ich wünsche keine Lobreden, keine Blumen.“

Diese Operation überlebte er, doch am 24. August 1918 starb Jean Emil Leonhardt nach langem Leiden und fand auf dem evangelischen Friedhof am Untertor seine letzte Ruhestätte.

Um „Lobreden“ geht es auch in diesem Blog nicht, aber eine sachliche Biografie dieses nur noch wenig bekannten Pioniers der deutschen Offenen Brüder würde sich sicher lohnen!

175. Geburtstag von Alexander Hume Rule

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Alexander Hume Rule (1843–1906)

Der Geburtstag von Alexander Hume Rule (1843–1906), einem schottisch-amerikanischen Evangelisten und Lehrer der „Lowe-Brüder“, jährt sich heute zum 175. Mal. Aus diesem Anlass hat Gabriele Naujoks für Zeit & Schrift ein umfangreiches Lebensbild verfasst, das viel originäre Forschungsarbeit enthält – es dürfte sich um die erste biografische Studie über Rule überhaupt handeln.

Ich zitiere die Einleitung:

Die Lebensstationen von Alexander Hume Rule waren sehr unterschiedlich: Er wurde in Schottland geboren, kam als Kind mit seinen Eltern in die USA, arbeitete als Farmer, Lehrer und Pfarrer, lernte als Missionar der presbyterianischen Kirche in Ägypten die Lehren der Brüderbewegung kennen und schloss sich den „Brüdern“ an. Er war ein bekannter Reiseprediger und Evangelist in Nordamerika, der Karibik und auf den Bermudainseln.

Weiter geht es auf der Website von Zeit & Schrift.

50. Todestag von Werner Heukelbach

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Werner Heukelbach (1898–1968)

Heute vor 50 Jahren starb in Gummersbach der wohl bekannteste Evangelist der deutschen Brüderbewegung, Werner Heukelbach. Durch das nach ihm benannte Missionswerk – in den 1960er Jahren angeblich das größte Schriftenmissionswerk Europas – ist sein Name auch heute noch weithin bekannt.

Über Heukelbachs Leben habe ich bereits vor Jahren einen Wikipedia-Artikel verfasst, sodass ich hier auf eine Kurzbiografie verzichte; auch das Biographisch-Bibliographische Kirchenlexikon (Bd. 2, 1990) enthält einen Artikel über ihn (an sich kostenpflichtig, aber per Wayback Machine noch gratis zugänglich).

Als Kuriosität sei noch ein Artikel im Nachrichtenmagazin Der Spiegel vom 23. September 1959 erwähnt, der – wenn auch im spöttisch-gehässigen Spiegel-Stil der damaligen Zeit verfasst und in Einzelheiten wohl nicht immer zuverlässig – interessante Einblicke in die zeitgenössische Rezeption Heukelbachs auch in kirchlichen und Allianzkreisen bietet.

50. Todestag von Peter L. Embley

embleyIn den 1960er Jahren forschten in England gleichzeitig zwei Doktoranden über die Frühgeschichte der Brüderbewegung. Harold Hamlyn Rowdon, Ende 30, legte seine 519 Schreibmaschinenseiten umfassende Arbeit 1964 der Universität London vor, erhielt 1965 den Doktortitel1 und konnte sein Werk – nach nochmaliger Überarbeitung2 – 1967 bei dem Londoner „Brüder“-Verlag Pickering & Inglis veröffentlichen;3 es wurde bald zum Standardwerk auf seinem Gebiet.4 Peter Lindsay Embley, Mitte 20, reichte seine „nur“ 294-seitige Dissertation 1966 bei der Universität Cambridge ein, bestand am 21. Februar 1967 die Doktorprüfung5 – und kam fünf Monate später bei einem Autounfall ums Leben, sodass seine Arbeit bis heute ungedruckt blieb.

Über Embleys Biografie liegen nur wenige Informationen vor. Geboren wurde er im 2. Quartal 1940 in Holderness (Yorkshire)6 als Sohn des kommunalen Verwaltungsbeamten Kenneth Lindsay Embley (1902–1968)7 und seiner Frau Gladys Lucy geb. Gibson (1910–1976)8. Die Familie gehörte wohl nicht der Brüderbewegung an; wahrscheinlich kam Embley erst während seines Studiums in Cambridge durch die Cambridge Inter-Collegiate Christian Union (CICCU) mit „Brüdern“ in Kontakt9 (nicht ohne Grund meint man in seiner Dissertation noch etwas mehr wissenschaftliche Distanz zum Untersuchungsgegenstand zu spüren als bei Rowdon). Nach Abschluss seines Studiums erhielt Embley eine Dozentenstelle10 am St Paul’s College in Cheltenham (einem der Vorläufer der heutigen University of Gloucestershire), wo er im August 1966 seine Doktorarbeit fertigstellte.11 Am 19. Juli 1967, heute vor genau 50 Jahren, wurde er auf der Autobahn M4 in der Nähe von Bray (Berkshire)12 unverschuldet13 in einen Verkehrsunfall verwickelt, bei dem er tragischerweise im blühenden Alter von 27 Jahren starb. Der ein Jahr jüngere Timothy Stunt, der ihn persönlich kannte,14 charakterisierte ihn 1969 wie folgt:

Anyone who knew Peter Embley will recall the energy and enthusiasm which would suddenly and unpredictably bubble up and find expression in tremendous industry applied to any project that he had in hand.15

Von Embleys Dissertation war lange Zeit nur eine 30-seitige Kurzfassung bekannt, die in seinem Todesjahr als Aufsatz in dem Sammelband Patterns of Sectarianism erschien16 (seit heute auch auf bruederbewegung.de zugänglich). Das einzige Exemplar der Dissertation befand sich in der Universitätsbibliothek Cambridge und konnte nur dort eingesehen werden – ein Aufwand, dem sich nur wenige Forscher unterzogen. 1982 bat das Christian Brethren Archive an der Universitätsbibliothek Manchester die Kollegen in Cambridge um die Erlaubnis, eine Kopie der Arbeit in seinen Bestand aufnehmen zu dürfen. Cambridge wollte zuerst die urheberrechtliche Situation geklärt wissen, aber bereits damals – nur wenige Jahre nach dem Tod von Embleys Mutter – ließen sich keine Erben mehr ausfindig machen, sodass dem CBA die Genehmigung erteilt wurde.17 Ende 2001 durfte ich mir die Kopie von Manchester ausleihen und einscannen; seit 2003 steht die Arbeit auf bruederbewegung.de zum Download zur Verfügung, und seither ist sie auch in zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten über die Brüderbewegung verwertet worden.

Die etwas früher fertiggestellte, aber damals noch unveröffentlichte Dissertation Rowdons konnte Embley vor Abschluss seiner Arbeit noch einsehen. Sein Urteil, sie überschneide sich nur geringfügig mit seiner eigenen,18 ist sicher etwas zu optimistisch (und wohl dem unter Doktoranden üblichen Bedürfnis geschuldet, sich von „Konkurrenten“ abzugrenzen), behandeln doch beide Dissertationen exakt denselben Zeitraum (1825–1850). Dennoch lohnt sich die Lektüre beider Arbeiten unbedingt, denn jede von ihnen verwendet Quellen, die der jeweils anderen fehlen – bei Embley sind es z.B. die Sibthorpe Collection, die Schriften von Andrew Jukes, Materialien aus den Devon County Archives und vor allem der Census of Religious Worship in England and Wales, eine statistische Erhebung über den Gottesdienstbesuch am 30. März 1851, die interessante Aufschlüsse über Anzahl und Größe der Brüdergemeinden zu diesem Zeitpunkt gibt.19

Zum 50. Todestag Embleys habe ich seine Dissertation in einer verbesserten Fassung hochgeladen: Die originalen Seitenzahlen sind jetzt rot hervorgehoben, sodass man Querverweisen wesentlich leichter nachgehen kann, das Fußnotenlayout wurde angepasst, ein OCR-Fehler (falsche Jahreszahl) auf S. 84 korrigiert, die editorische Notiz ins Englische übersetzt und der Bezug zu Cambridge klarer herausgestellt.


200. Geburtstag von Heinrich Thorens

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Heinrich Thorens (1817–1864)

Heinrich Thorens war einer der Männer, die einen bedeutenden Beitrag zum Entstehen der Brüderversammlungen in Deutschland gegeben haben, ohne dabei jedoch persönlich besonders hervorzutreten.

So schrieb Paul Krumme 1990 in der Zeitschrift Die Wegweisung.1 Heinrich Thorens’ Geburtstag jährt sich heute zum 200. Mal;2 aus diesem Anlass soll Krummes kurzer Artikel, der meines Wissens die einzige in sich abgeschlossene Veröffentlichung über Thorens geblieben ist, hier vollständig wiedergegeben werden.

Er wurde 1817 als Sohn eines Gastwirts im Kanton Neuchâtel (französische Schweiz)3 geboren, lernte aber schon früh, auf der höheren Stadtschule in Biel, auch die deutsche Sprache.

Um das Jahr 1830 kamen während einer Erweckungsbewegung in der Westschweiz viele Menschen zum Glauben. Zu denen, die das Heil in dem Herrn Jesus fanden, gehörte auch Heinrich Thorens.

Durch John Nelson Darby, der Anfang der vierziger Jahre in der Schweiz weilte und wirkte, wurde Thorens mit der biblischen Lehre über Heilsgewißheit, Bedeutung der Versammlung/Gemeinde des Herrn, Nachfolge usw. bekannt. Als Folge davon trat er aus der Staatskirche aus.

Thorens wurde Musterzeichner. Um sich in diesem Beruf weiterzubilden, begab er sich um 1841/42 nach Lyon, dem Zentrum der französischen Seidenindustrie. Zu dieser Zeit hielt sich auch der etwa gleichaltrige Hermann Heinrich Grafe dort auf. Die beiden jungen Männer lernten sich kennen und schlossen Freundschaft. Thorens ging zu der kleinen Brüderversammmlung in Lyon, während sich Grafe der dortigen Freien Gemeinde anschloß.

Grafe hatte in Wuppertal-Barmen zusammen mit seinem Schwager eine Textilfirma, Grafe und Neviandt. Er stellte 1846 Heinrich Thorens als Musterzeichner ein. Mit ihm hatte er für seinen Betrieb einen fähigen und fleißigen Mitarbeiter bekommen, aber weit höhere Bedeutung sollte Thorens’ Übersiedlung nach Westdeutschland auf geistlichem Gebiet haben.

Da der junge Schweizer schon durch das Gedankengut der „Brüder“ geprägt war, besuchte er die gerade im Entstehen begriffenen Brüderversammlungen in Düsseldorf und Hilden. Bald hatte er enge Verbindung mit Julius Anton von Poseck und William H. Darby (einem Bruder John Nelson Darby’s) und lernte auch die „Lehrbrüder“ (zu denen auch Carl Brockhaus zählte) des „Evangelischen Brüdervereins“ kennen, der im Juli 1850 gegründet worden war. Bei regelmäßigen Zusammenkünften in den Wohnungen Grafe’s und C. Brockhaus’ konnte Thorens die ihm klargewordenen Grundsätze des Wortes Gottes weitergeben. Wie sehr er dadurch auch Carl Brockhaus beeinflußte, geht aus einem Schriftstück hervor, das dessen ältester Sohn Ernst verfaßte und in dem es heißt, daß „besonders Bruder Thorens“ dazu beitrug, daß das Verständnis seines Vaters über die Wahrheit, das Wesen der Versammlung Christi, ihre Einheit durch den Geist Gottes, ihre Verbindung mit dem Haupt droben und ihre himmlische Stellung wuchs.4

Aufgrund seiner Gesinnung und von Demut geprägten Haltung war Heinrich Thorens allgemein geschätzt. Er nutzte jede freie Zeit, um das Evangelium von dem Herrn Jesus zu verkündigen.

Er war es gewohnt, einen bedeutenden Teil seines Einkommens für mildtätige Zwecke und für die Arbeit im Werk des Herrn zur Verfügung zu stellen. Infolge dessen stand nach seinem frühen Tod im Jahre 18645 seine Familie fast mittellos da. Jedoch kamen sowohl die Firma Grafe und Neviandt als auch die Elberfelder Brüderversammlung für ihre Bedürfnisse auf.

In Heinrich Thorens sehen wir ein deutliches Beispiel dafür, wie wunderbar die Wege des Herrn verlaufen. Ein junger Mann wird in seiner Heimat – der Schweiz – mit biblischem Gedankengut vertraut, das Brüdern in England neu geschenkt worden war. In Frankreich lernt er einen Deutschen kennen, der ihn als Mitarbeiter in seine Firma nach Westdeutschland holt, und in diesem Raum kann er sein Schriftverständnis weitergeben und dadurch wesentliche Anstöße geben zu einer „Glaubensbewegung“, die sich bald über weite Teile Deutschlands erstrecken sollte. Gott plant im voraus jeden Schritt der Gläubigen und fügt alles so zusammen, daß es zum Bau und zur Auferbauung des wunderbaren Organismus des „Leibes des Christus“ beiträgt!

Einige weitere Einzelheiten aus Thorens’ Leben erfahren wir aus der Grafe-Biografie von Walther Hermes (die zweifellos auch Krummes Hauptquelle war):

Als einst ein Heimarbeiter eine fehlerhafte Webarbeit ablieferte und damit auffiel, schob dieser die Schuld auf den Musterzeichner, den er nicht zugegen glaubte. Thorens stand auf, sich zu rechtfertigen, unterdrückte aber plötzlich seine Rede und ging wortlos an sein Pult zurück. Als ihm in jenen unruhigen Zeiten auf der Ronsdorfer Landstraße einmal ein Wegelagerer Uhr und Geld abforderte, gab er dieses sogleich her, wies dann aber den Räuber ernst und liebevoll auf die Folgen seiner Tat hin, worauf ihm dieser, der wohl erst ein Anfänger in diesem bösen Handwerk war, beschämt beides zurückgab. Seine ganze freie Zeit widmete er dem Werk des Herrn, für den er in den Kreisen der Weber mit Wort und Schrift zu werben suchte, wobei er manche Arme und Kranke besuchte, deren es damals in den Auswirkungen der Cholerazeit viele gab.6

Am Rande sei noch erwähnt, dass die bekannte Schweizer Firma Thorens, die zuerst Musikdosen und andere Musikapparate, im 20. Jahrhundert aber vor allem hochwertige Plattenspieler herstellte, 1883 von Heinrich Thorens’ in Elberfeld geborenem Sohn Hermann (1856–1943) gegründet wurde.

100. Todestag von Walter Thomas Prideaux Wolston

1917-03-14 The Scotsman 6 (Wolston)

Diese Meldung erschien am 14. März 1917 in der Edinburgher Zeitung The Scotsman (S. 6). Das genaue Todesdatum des Verstorbenen war den Familiennotizen auf S. 12 derselben Ausgabe zu entnehmen:

1917-03-14 The Scotsman 12 Deaths (Wolston)

Walter Thomas Prideaux Wolstons Lebenslauf ist durch die Kurzbiografien von Henry Pickering, Arend Remmers und John Bjorlie hinreichend bekannt und muss daher hier nicht wiederholt werden. Was keiner der drei Autoren erwähnt, ist der Name seiner Ehefrau. Die Zeitung The South London Press berichtete am 8. Juni 1878 (S. 11):

1878-06-08 The South London Press 11 (Wolston, Lean)

Mary Lean wurde im 3. Quartal 1842 in Plymouth geboren1 und starb am 25. November 1932 in Weston-super-Mare.2 Über ihren Vater Francis Lean (1795–1873) weiß George Henry Lang zu berichten, dass er noch am Abend seiner Bekehrung (und seines Übertritts zu den „Brüdern“) seine Position bei der Marine aufgab.3 (Vermutlich handelt es sich um denselben Francis Lean, der am 16. Juni 1849 einen Brief aus London an die Gemeinde in Bethesda [Bristol] mitunterzeichnete.4 Seine jüngste Tochter Ellen Teresa heiratete übrigens einen Sohn von Charles Henry Mackintosh.5)

W. T. P. Wolstons Schriften sind größtenteils auf STEM Publishing, einige Faksimiles auch im Brethren Archive und im Christian Writings Archive zugänglich.

100. Todestag von Edward Kennaway Groves

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Edward Kennaway Groves (1836–1917)

Im Gegensatz zu seinem Vater Anthony Norris Groves ist Edward Kennaway Groves nicht übermäßig bekannt – am ehesten vielleicht noch als Autor des Buches Conversations on “Bethesda” Family Matters (1885). Um als geistliches Vorbild oder als “Chief Man among the Brethren” verehrt zu werden, war er wohl psychisch zu labil und theologisch zu unberechenbar; sein Leben weist einige Brüche auf und hat etwas Tragisches an sich, aber gerade das macht ihn vielleicht interessanter und sympathischer als so manchen „Glaubenshelden“, dessen Leben glatt und ohne große Schwierigkeiten verlief.

Edward Kennaway Groves wurde am 11. August 1836 in der indischen Stadt Madras geboren, wo sein Vater als Missionar tätig war. Im Alter von 7½ Jahren schickte man ihn zur Ausbildung nach England; er besuchte verschiedene Schulen und studierte 1852 am Londoner Royal College of Chemistry. Nach dem Tod seines Vaters kehrte er 1853 nach Indien zurück und widmete sich knapp 20 Jahre lang – teils gemeinsam mit seinen Halbbrüdern Henry und Frank – verschiedenen geschäftlichen Unternehmungen (u.a. Zuckerraffinerie, Landmaschinenreparatur). Infolge einer wirtschaftlichen Krise erlitt er 1872 jedoch einen Nervenzusammenbruch, der die Behandlung in einer Heilanstalt notwendig machte.

Nach seiner Genesung übersiedelte Groves 1874 mit seiner Familie – er war seit 1864 mit Isabella geb. Reeve verheiratet und hatte drei Kinder – dauerhaft nach England. Er ließ sich in Bristol nieder, trat der bekannen Bethesda Chapel seines Onkels Georg Müller bei, freundete sich mit dessen Mitarbeiter George Frederic Bergin (1843–1912) an und stieg bald auch selbst in den Leitungskreis von Bethesda auf. Um neuen Mitgliedern die Grundsätze der Gemeinde nahezubringen, begann er 1879 mit der Arbeit an seinem bereits erwähnten Buch Conversations on “Bethesda” Family Matters. Das letzte Kapitel über die Trennung von 1848 setzte seiner psychischen Gesundheit jedoch wieder derart zu, dass er 1880 zweimal in eine Heilanstalt eingewiesen werden musste, beim zweiten Mal für fast ein ganzes Jahr. Die Conversations on “Bethesda” Family Matters konnten – mit Zustimmung Georg Müllers – 1885 zwar noch erscheinen, aber das Stigma des “certified lunatic” (etwa: beglaubigten Geisteskranken) sollte Groves bis zum Ende seines Lebens anhaften.

1889 kam es zu einem ersten Zerwürfnis mit Bethesda, weil die Gemeindeleitung die von Groves’ Tochter Constance gewünschte Auflösung ihrer Verlobung nicht akzeptieren wollte. Groves nahm vorerst weiter an den Zusammenkünften teil, hielt sich aber mit Wortbeiträgen zurück und veröffentlichte stattdessen eine Reihe von Schriften mit zunehmend unorthodoxem Inhalt (u.a. Leugnung der Unsterblichkeit der Seele und der prämillennialen Wiederkunft Christi, Forderung nach Ausweitung der Dienste von Schwestern). Dadurch brachte er die Leitung von Bethesda endgültig gegen sich auf und wurde 1900 aus der Gemeinde ausgeschlossen.

Auf der Suche nach einer neuen geistlichen Heimat wandte sich Groves der Highbury Congregational Church in Bristol zu, der er bis zu seinem Lebensende verbunden blieb, ohne allerdings Mitglied zu werden. 1904 fasste er seine neueren Schriften in dem Band The Key of Knowledge And How to Use It zusammen, in dessen Anhang er auch einige Dokumente seiner Auseinandersetzungen mit Bethesda abdruckte. 1906 folgte George Müller and his Successors, ein im Wesentlichen autobiografisches Buch, das stellenweise jedoch auch Züge einer Abrechnung hat, insbesondere mit Müllers Nachfolgern James Wright (1825–1906) und George Frederic Bergin, seinem früheren Freund.

Edward Kennaway Groves starb am 16. Februar 1917, heute vor 100 Jahren, in seinem Haus in Bristol und wurde drei Tage später beigesetzt. Über sein Leben und Werk liegt ein 26-seitiger Artikel von John Owen (Brethren Historical Review 2011) und ein 210-seitiges, sehr lesenswertes Buch vom selben Autor vor (Tentmaker Press 2012).

1917-02-17 The Western Daily Press 8 Deaths (E K Groves)
The Western Daily Press, 17. Februar 1917, S. 8, Deaths

150. Geburtstag von Franz Kaupp

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Franz Kaupp (1866–1945)

„Eine der wichtigsten Lehrautoritäten der ‚Christlichen Versammlung‘ in Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war der Württemberger Franz Kaupp“ – dieser Einschätzung Volker Jordans1 wird man sicherlich zustimmen können. Kaupp, dessen Geburtstag sich heute zum 150. Mal jährt, stammte wie der gleichaltrige Otto Schröder aus einfachen Verhältnissen und hatte keine Möglichkeit, eine höhere Schule zu besuchen, eignete sich aber im Selbststudium so umfassende Kenntnisse der Bibel einschließlich ihrer Grundsprachen an, dass seinem Urteil in Auslegungsfragen größtes Gewicht beigemessen wurde2 – und das nicht nur in „geschlossenen“, sondern auch in „offenen“ Kreisen.

Tatsächlich erschienen die meisten schriftlichen Fragenbeantwortungen Kaupps nicht im Botschafter des Heils in Christo (das Christian Writings Archive verzeichnet hier nur wenige Artikel aus den Jahren 1934–37), sondern in den Handreichungen aus dem Worte Gottes, der bedeutendsten Zeitschrift der deutschen Offenen Brüder. Eine heimliche Sympathie für den „offenen“ Standpunkt kann daraus sicher nicht abgeleitet werden, wohl aber doch die Bereitschaft, über den „exklusiven“ Tellerrand hinauszublicken und mit (etwas) anders denkenden Christen zusammenzuarbeiten.

Kaupps gesammelte Fragenbeantwortungen wurden 1968 vom Ernst-Paulus-Verlag in Buchform veröffentlicht (²1972), eingeleitet durch ein kurzes Lebensbild, das Arend Remmers über weite Strecken wörtlich in sein Buch Gedenket eurer Führer (1983, ²1990) übernahm. Es bildet auch die Grundlage für Volker Jordans Kapitel über Kaupp, das ab heute als separate Datei auf bruederbewegung.de zur Verfügung steht.

Einige Artikel und Fragenbeantwortungen Kaupps sind auch einzeln online zugänglich: