Schlagwort-Archiv: Gedenktage

150. Todestag von David Walther

troesterAls Julius Anton von Poseck und William Henry Darby 1849 begannen, englische und französische „Brüderliteratur“ ins Deutsche zu übersetzen, war ihr bevorzugter Autor John Nelson Darby – mehr als die Hälfte der „Düsseldorfer Schriften“ stammte aus seiner Feder. Unter den sonstigen Übersetzungen trug nur eine einzige einen Autorenvermerk: Die 22-seitige Broschüre Die Persönlichkeit des Trösters. Aus dem Englischen (1850) enthielt ein von „D. Walther“ unterzeichnetes Vorwort.

Angesichts der th-Schreibweise des Nachnamens würde man den Verfasser vielleicht eher im deutschen als im englischen Sprachraum vermuten, und tatsächlich stammte der Vater von David Walther aus Deutschland: Johann Heinrich Walther (1745/46–1835) war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts von Hannover nach London ausgewandert, wo er sich Henry nannte und in den 1780er Jahren eine Buchbinderei gründete. Als ältester überlebender Sohn aus seiner 1790 geschlossenen zweiten Ehe mit Henrietta Petit (1756–1815) wurde 1794 der hier in Rede stehende David geboren.

Leben

Über Walthers Leben und Wirken hat der langjährige CBA-Archivar David Brady 2017 in der Brethren Historical Review einen ausführlichen Artikel veröffentlicht, der in einer 2020 nochmals erweiterten und aktualisierten Fassung auf der BAHN-Website verfügbar ist. Ich kann mich daher im Folgenden auf einen knappen Überblick beschränken.

David Walther ließ sich – nach einigen frühen Versuchen als Dichter – spätestens 1820 als Buchhändler und Verleger in der Brydges Street im Londoner Stadtteil Covent Garden nieder. 1823 heiratete er Isabella Hawkins, die in den folgenden Jahren zwei Töchter zur Welt brachte, jedoch bereits 1831 starb. 1834 zog Walther mit seinem Geschäft in die Straße Piccadilly, 1836 schloss er sich wahrscheinlich den „Brüdern“ an. In seinem Verlag hatte er von Anfang an neben säkularen auch christliche Titel herausgegeben, darunter 1833 ein Buch aus eigener Feder (Vindiciæ Biblicæ: A Series of Notices and Elucidations of Passages in the Old and New Testaments, which have been the Subject of Attack and Misrepresentation by Deistical Writers). Das Werk, das mit fünf Auflagen wohl zum größten Bestseller des Unternehmens wurde, erschien ab 1838: Jean-Henri Merle d’Aubignés History of the Great Reformation of the Sixteenth Century in Germany, Switzerland, etc. in anfangs drei, später fünf Bänden.

Von 1841 bis 1846 verlegte Walther auch Schriften von Darby. Nach der Spaltung von 1848 kam seine Versammlung in der Londoner Orchard Street jedoch auf der „offenen“ Seite zu stehen, die Walther mit mehreren Schriften auch publizistisch unterstützte, allerdings nicht mehr im eigenen Verlag: Etwa um diese Zeit stellte er seine Geschäftstätigkeit ein und ließ die ca. 40 meist knappen Schriften seiner letzten beiden Lebensjahrzehnte (die umfangreichste darunter war eine 74-seitige Erwiderung auf Francis William Newmans Phases of Faith, 1851) bei anderen Londoner Verlagen wie Campbell, Yapp oder Nisbet erscheinen. Am 16. April 1871, heute vor 150 Jahren, starb David Walther in seiner Londoner Wohnung.

1871-04-20 The Whitehaven News 5 Died (Walther)
The Whitehaven News, 20. April 1871, S. 5
walther_npc
National Probate Calendar 1871

„Die Persönlichkeit des Trösters“

Als die Broschüre Die Persönlichkeit des Trösters 1850 in Düsseldorf erschien, gehörte ihr Autor demnach bereits den Offenen Brüdern an. Möglicherweise war dies den Übersetzern gar nicht bekannt – Julius Anton von Poseck war ja erst im Sommer 1848 (ziemlich genau zur Zeit der Bethesda-Trennung) zum Glauben gekommen, und William Henry Darby hielt sich seit Herbst 1848 in Düsseldorf auf (die Versammlung Walthers in der Orchard Street wurde erst 1849 von der Trennung erreicht). Vielleicht war ihnen aber auch der Inhalt wichtiger als die Gemeindezugehörigkeit des Verfassers – mit Jerusalem und der Mensch der Sünde (ebenfalls 1850) brachten sie immerhin sogar eine Schrift heraus, die (zumindest teilweise) auf Benjamin Wills Newton zurückging.1

Das englische Original der Walther-Broschüre, The Personality of the Comforter, Briefly Considered, war 1848 in London erschienen und ist heute extrem selten: Außer in der British Library scheint nirgendwo mehr ein Exemplar erhalten geblieben zu sein, auch nicht im Christian Brethren Archive. Thema der Schrift ist die Personalität oder Personhaftigkeit des Heiligen Geistes – das griechische Wort parakletos (Joh 14,16.26; 15,26; 16,7; 1Joh 2,7), das in der Elberfelder Bibel traditionell mit „Sachwalter“ übersetzt wurde (in der revidierten Ausgabe seit 1985 „Beistand“), erscheint in der englischen Authorized oder King James Version (und auch noch in der Übersetzung Darbys2) als „Comforter“.

walther_vorwortDie Wiedergabe mit „Tröster“ war zeitgenössischen deutschen Lesern aus der Lutherbibel vertraut; insofern bot der Titel der Broschüre keine Verständnisschwierigkeiten. Vom Innenteil lässt sich dies leider nicht sagen; tatsächlich ist die Übersetzung von einer derartigen Sperrigkeit und Schwerfälligkeit, dass man viele Sätze mehrmals lesen muss, um ihnen überhaupt einen Sinn abzugewinnen.

Bereits die ersten zwei Absätze des Vorworts sind keine stilistische Meisterleistung, wenn auch noch nachvollziehbar:

Ein Wort, das ich mit einem theuern Bruder gewechselt habe, veranlaßt mich, eine Bemerkung zu machen in der Weise eines Vorwortes.

Indem der heilige Geist gegeben ist, um der Kirche zu helfen, damit sie ihr Nahesein zu Gott bewirklichen möge; so ist der Geist doch oft so sehr mißverstanden worden, daß der Herr dadurch sogar in Entfernung gestellt ward. (S. [3])

„In der Weise eines Vorwortes“, „Nahesein zu Gott bewirklichen“, „in Entfernung gestellt“ – das war auch Mitte des 19. Jahrhunderts kein geläufiges, idiomatisches Deutsch (für keine dieser Wendungen findet man Treffer auf Google Books). Aber es wird noch deutlich schlimmer:

Das Andenken an den heiligen Geist, als an eine gesandte Person, was eine große Schriftwahrheit ist, wird als ganz besonders hervorgehoben von der heil. Schrift unterhalten; – und es beugt dem nebelartigen Wahrnehmen, unter welchem die Kenntniß von Gott zuweilen entwickelt wird, vor. (S. 9)

Von der Heiligen Schrift wird also „das Andenken als ganz besonders hervorgehoben unterhalten“, und die Kenntnis von Gott wird „zuweilen unter einem nebelartigen Wahrnehmen entwickelt“ – was damit gemeint ist, kann man allenfalls erahnen, und man hätte gerne die englische Vorlage zum Vergleichen! Dass es keine bessere Möglichkeit gab, diese Sätze ins Deutsche zu übertragen, mag man jedenfalls kaum glauben.

Der Gesandte für die gegenwärtige Heilsanstalt trägt das Zeugniß von Ihm, – welchen zu sehen den Vater sehen war. (S. 10)

„Heilsanstalt“ ist möglicherweise ein früher Übersetzungsversuch für das englische Wort dispensation, aber ob den Zeitgenossen die Bedeutung dadurch wirklich transparent wurde, erscheint zweifelhaft. Auch der Satzteil nach dem Gedankenstrich kann schwerlich als gutes, idiomatisches Deutsch durchgehen.

Wir träumen und plaudern von Einfluß, wann er mit unserem Geiste in Vertraulichkeit umgeht, und das bis zum Unerforschlichen der frohen Gegenstände dieser Wahrheit. (S. 12)

Der erste Satzteil (bis „umgeht“) soll offenbar betonen, dass der Heilige Geist eine Person ist und kein bloßer „Einfluß“, aber der letzte Teil hängt sowohl syntaktisch als auch semantisch seltsam in der Luft – was soll man sich unter dem „Unerforschlichen der frohen Gegenstände dieser Wahrheit“ vorstellen?

Ich schätze die Thatsache, daß die Form [„den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“] nur bei Matthäus vorkommt. (S. 13)

„Schätzen“ ergibt hier wenig Sinn; in der Vorlage könnte acknowledge gestanden haben, was zwar auch „schätzen, würdigen“ bedeuten kann, hier aber besser mit „zugeben, einräumen“ zu übersetzen wäre.

Tragen wir dieß im Gemüthe, dann werden wir fähiger sein, den Grund für die theilweise Oeffnung der Wahrheit, wo diese vorkömmt, zu verstehen, welche wir in der Unruhe der Neugierde erfolglos zuvergrößern [sic] suchen.

Ich kann mich keiner Sache erinnern, die als ein Bedürfniß der Kirche eine weitere Eröffnung der Verhältnisse zwischen den Personen der Dreieinheit erheischen könnte, als schon gegeben ist. (S. 18)

Man versteht hier – wie an vielen Stellen der Broschüre – zwar einzelne Satzteile, aber es wäre mir nicht möglich, den Sinn dieser beiden Absätze mit eigenen Worten wiederzugeben.

Ob Die Persönlichkeit des Trösters ein repräsentatives Beispiel für die Qualität der Poseck-Darby’schen Übersetzungen ist, bedürfte einer genaueren Untersuchung; in den bisherigen Darstellungen (Ischebeck, Hermes, Jung usw.) sind die „Düsseldorfer Schriften“ ja immer nur aufgelistet, aber nie inhaltlich oder sprachlich analysiert worden. Wahrscheinlich wird man davon ausgehen können, dass der schriftliche Dienst von Carl Brockhaus ab 1853 auch deswegen eine größere Wirkung erzielte, weil er es verstand, sich volkstümlicher auszudrücken. Was David Walther angeht, so blieb Die Persönlichkeit des Trösters wohl die einzige seiner Schriften, die ins Deutsche übersetzt wurde.


200. Geburtstag von Charles Stanley

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Charles Stanley (1821–1890)

Heute vor 200 Jahren wurde Charles Stanley, einer der bekanntesten Evangelisten der Geschlossenen Brüder im 19. Jahrhundert, in Laughton-en-le-Morthen bei Rotherham (Nordengland) geboren. Im Brotberuf selbständiger Geschäftsmann, nutzte er seine häufigen Reisen zur Verkündigung des Evangeliums und ließ später auch zahlreiche Traktate drucken, die als „C. S. tracts“ weite Verbreitung fanden. Ab etwa 1880 war er Herausgeber der von Charles Henry Mackintosh gegründeten Zeitschrift Things New and Old.

Über Stanleys Leben liegen online die Kurzbiografie aus Henry Pickerings Chief Men among the Brethren (mit falschem Todesjahr), ein Artikel von John Bjorlie (aus Uplook, 1992), Stanleys autobiografischer Bericht The Way the Lord has Led Me; or, Incidents of Gospel Work sowie Hugh Henry Snells Recollections of the Last Days of Charles Stanley (auch als Faksimile) vor. Das Kapitel über Stanley aus Arend Remmers’ Gedenket eurer Führer scheint – im Gegensatz zu vielen anderen Lebensbildern aus diesem Buch – bisher nicht digitalisiert worden zu sein.

Nachrufe

Welche Bekanntheit Stanley zu Lebzeiten genoss, macht die Presseberichterstattung über seinen Tod und sein Begräbnis deutlich. Am 31. März 1890 brachten der Sheffield Daily Telegraph und der Evening Telegraph & Star gleichlautend folgenden Artikel:

Sheffield Daily Telegraph, 31. März 1890, S. 6

Im Sheffield & Rotherham Independent hieß es am selben Tag:

The Sheffield & Rotherham Independent, 31. März 1890, S. 3

Die Altersangabe 72 ist offensichtlich falsch; das richtige Alter konnten die Leser der Zeitung einen Tag später unter den Familiennachrichten finden:

The Sheffield & Rotherham Independent, 1. April 1890, S. 6

Beisetzung

In großer Ausführlichkeit wurde über Stanleys Beisetzung am 3. April 1890 berichtet; tatsächlich sind zwei der Artikel so lang, dass ich sie nicht als Bilddateien wiedergeben kann, sondern transkribieren musste. Hier zunächst der Bericht des Sheffield Daily Telegraph vom 4. April 1890, S. 7, der auch einige sonst nicht überlieferte Einzelheiten über Stanleys berufliche Tätigkeit enthält:

THE INTERMENT OF MR. CHAS. STANLEY OF ROTHERHAM.

Yesterday the funeral of Mr. Charles Stanley, of Moorgate Grove, Rotherham, took place in the Rotherham Cemetery amid many manifestations of respect. Mr. Stanley died whilst seated at the dinner table on Sunday last. For many years he had carried on the business of an export merchant in Sheffield and Birmingham, and at one time the growth of the Indian trade for general Birmingham goods necessitated his removal from Sheffield to the Midland town. Just over quarter of a century ago Mr. Stanley was offered the sole right of working a French patent brought out by the brother of a great friend of his, and seeing that it could be turned to good account he gradually relinquished the Sheffield and Birmingham businesses. This patent was a new plan for chemically scouring wool, in fact for the extraction of oil or fatty matter from any material, seeds, &c. His son, Mr. C. L. Stanley, joined him at this time, and greatly improved the machinery, which quickened the process, making the business a great success. The works at Wath grew, and are now the largest of the kind in the country. Although Mr. Stanley retired from business ten or eleven years ago, he did not give up work. He laboured hard in other ways. He conducted a religious periodical, was the writer of a very large number of tracts, preached regularly in the meeting-room of the brethren in Moorgate, and had a large correspondence with friends all over the world. In public affairs he never seemed to take any prominent part, but he was nevertheless very widely known. The large attendance at the graveside yesterday was some slight testimony of the loss which has been sustained by his decease. The funeral cortége left the residence in Moorgate Grove at about half-past eleven o’clock, and proceeded to the meeting room in Moorgate, where service was held in the presence of a large congregation. Mr. H. H. Snell, of Sheffield, officiated, and with Dr. Davy, of Sheffield, assisted in the ceremony at the grave. The mourners were: – First carriage: Mr. C. L. Stanley, of Oakwood, Rotherham; Mrs. Stanley, widow; Mr. and Mrs. Thomas Andrews, of Wortley. Second carriage: Mr. and Mrs. W. A. Stanley, of East Farleigh, Kent, and Mr. and Mrs. P. H. C. Chrimes, of Plumtree, Bawtry. Third carriage: Mr. C. H. Stanley, Mrs. C. L. Stanley, Mr. S. H. Burrows, of Sheffield, and Dr. Dyson, of Sheffield. Fourth carriage: Mr. and Mrs. Richard Chrimes and Mr. and Mrs. J. Kay. Fifth carriage: Mr. J. H. Burrows, of Sheffield; Mr. Fred. Elgar, of Rochester; Mr. H. H. Snell, of Sheffield; and Dr. Oxley, the deceased gentleman’s medical attendant. Sixth carriage: Dr. Davy and family, of Sheffield. Seventh carriage: Mr. Charles E. Chrimes and family. The private carriages brought into requisition were those of the deceased gentleman, Mr. C. L. Stanley, Mr. P. H. C. Chrimes, Mr. R. Chrimes, Mr. S. H. Burrows, and Dr. Davy. Amongst those attending the funeral were Mr. P. H. Stanley, Mr. E. Stanley, Miss Stanley, the Misses Lillian, Beatrice, and Irene Stanley, Mr. Thomas Barker (Otley), Dr. Snell (Sheffield), Mr. Moore, Mr. Hardy, Mr. Loveridge (Harrogate), Mr. Cutting (Derby), Mr. C. Spink (Chiselhurst), Mr. A. Mace (London), Mr. G. Morrish (London), Mr. J. Morrish (London), Mr. Sharpley (Sheffield), Mr. Brammer (Sheffield), Mr. Bowen (Ollerenshaw Hall), Mr. P. B. Coward, Mr. E. G. Cox, Mr. F. L. Harrop, Mr. H. Bray, Dr. Branson, Mr. F. Myers, Mr. J. S. Ward, Mr. J. Dickinson, Mr. J. M. Horsfield, Mr. H. Leedham, Mr. W. H. Sheldon, Mr. J. Hudson, Mr. J. Rodgers, Mr. Joseph France, Dr. Wolston (Nottingham), Mr. J. M. Radcliffe, Mr. J. Gillett, Mr. O. Fox, Mr. Pontis, and many other friends. The coffin, which was of polished oak with brass mountings, had placed upon it beautiful wreaths sent by grandchildren – Irene and Harry Cecil Stanley, of Oakwood. The interment was in the family vault. Mr. W. Arnett, of Rotherham, had charge of the funeral arrangements, and Mr. J. Hutchinson was the undertaker.

Weniger Informationen über Stanleys Leben, aber dafür noch mehr Details über die Beisetzung lieferte der Bericht des Sheffield & Rotherham Independent vom 4. April 1890, S. 6:

INTERMENT OF THE LATE MR. C. STANLEY, OF ROTHERHAM.

Yesterday afternoon the remains of Mr. Charles Stanley, of Moorgate Grove, who died suddenly on Sunday, were interred at the General Cemetery, Rotherham. The deceased gentleman was greatly respected by the members of the denomination of Christians known as “The Brethren,” and his local philanthropy and consistency of life had gained for him the esteem and regard of his neighbours. The attendance at the funeral was therefore large, and included many from distant parts of the country with whom the deceased gentleman had been connected in various ways, amongst them being gentlemen of distinction in the religious denomination to which the deceased belonged. The funeral procession left Moorgate Grove about noon. Preceding the hearse were about forty workmen from the oil and silver refineries at Wath. The coffin, which had been supplied by Mr. James Hutchinson, was of polished oak with brass mountings, and bore the inscription, “Char[l]es Stanley, born March 10, 1821; died March 30, 1890.” The mourning carriages contained the following relatives: – First carriage, Mr. C. L. Stanley, Mrs. Stanley, Mr. Andrews, and Mrs. Andrews, of Wortley; second carriage, Mr. and Mrs. W. Stanley, East Farleigh, Maidstone, Kent; Mr. P. H. C. Chrimes and Mr. H. Chrimes; third carriage, Mrs. Luther Stanley, Mr. Charles Stanley, Mr. L. Burrows[,] Sheffield, and Dr. Dyson, Sheffield; fourth carriage, Mr. J. H. Burrows, Mr. Farr, Mr. H. H. Snell, Sheffield; Mr. Elgar, Maidstone, Kent; fifth carriage, Mr. and Mrs. Chrimes, Mr. and Mrs. Kay. The carriages following were those of Mr. Stanley, Mr. Hy. Chrimes, Mr. Luther Stanley, Mr. S. H. Burrows, and Dr. Davy. The cortege proceeded to the church of the Brethren, Moorgate, and this being the first service of the kind held in the building, there was a large attendance, every seat being occupied, and many persons unable to obtain admission. Among those present were Captain Thompson, Bedford ; Mr. C. Spink, London; Mr. Walsh, Bedford; Mr. George Cutting, Derby; Dr. Snell, Sheffield; Mr. F. Smith, Hoyland; Mr. Doughty, Barnsley; Mr. Bowen, Whaley Bridge; Mr. Heighway, Manchester; Mr. Young, Hull; Mr. Garbutt, Driffield; Mr. T. Barker[,] Otley; Mr. Oglesby and Mr. Springthorpe, Barnsley; Mr. Hardy, Mr. Moore, Mr. Loveridge, and Mr. Mace, Harrogate; Mr. Ramsden, Carlton Hall; Mr. F. C. Harrop, Swinton; Mr. T. Bramah and Mr. C. J. Bramah, Clifton; Dr. Davy, Mr. R. Jardine, Mr. R. Brown, Mr. J. Dalton, and Mr. M. Harrison, Sheffield; Dr. Oxley, Dr. Branson, and Messrs. P. B. Coward, J. M. Radcliffe, H. Bray, J. S. Ward, F. J. Myers, W. H. Sheldon, J. France, J. Rodgers, J. Dickinson, T. Horsfield, Dawson, Marcroft, Pontis, &c., Rotherham. The service was conducted by Dr. H. H. Snell, Sheffield, who offered prayer, and then selected the words, “He is Lord of all,” from Acts, x., 36, upon which he delivered a discourse. He remarked that he did not suppose he could select any words in the whole compass of the Scriptures more comprehensive, more solemn, or more personal to every one that day. He dwelt on how Christ came to be Lord over all, and the fact that all things were subjected to Him. He created everything, and had a right by reason of His deity, His eternal Godhead, to everything. He pointed out how that Christ died, rose, and revived to the end that he might be Lord both of the dead and the living. He did not think that was the time and place to say much of the departure of their brother. He himself felt bereaved. He was not using the word without meaning, for personally he felt bereaved. Through God’s mercy for more than twenty years he had been in happy Christian fellowship with the deceased, for the most part in fellowship beyond that which usually existed between men. The last occasion they met together was he thought the happiest they had ever had, and he could only say to them, as brethren and sisters in Christ, that they would be happy in eternity. Let them therefore own God together, and God would take and keep them. He believed none of them were yet sensible of the loss they had sustained, but they had confidence in the confidence their departed brother had in Christ, and he believed that he was lifted up where they would see him again. They would take and deposit the body in the grave feeling that the spirit had gone to the Lord himself who was Lord of all, of the dead and the living. A hymn was then sung and prayer was offered by Mr. Harrison, and the service ended. The procession was re-formed, there being about 300 persons preceding the hearse, and at the cemetery the coffin was lowered into the family vault, and prayer was offered by Dr. H. H. Snell and Dr. Davy. Two of the children of Mr. Luther Stanley placed beautiful wreaths at the entrance, and the sad ceremony terminated. Mr. Arnett was the undertaker, and Mr. J. Moorhouse supplied the hearse and mourning coaches.

Der Leeds Mercury fasste sich kürzer, wusste aber noch einige neue Einzelheiten zu berichten (auch wenn er sich im Blick auf Stanleys Gemeindezugehörigkeit nicht sonderlich gut informiert zeigte):

The Leeds Mercury, 4. April 1890, S. 8

Nachlass

Wie erfolgreich Stanley als Geschäftsmann gewesen war, zeigt sein Eintrag im National Probate Calendar:


Das angegebene persönliche Vermögen von £ 20.448 6s. 11d. entspricht nach heutiger Kaufkraft mindestens 2,258 Millionen Pfund (= ca. 2,635 Millionen Euro).

151. Geburtstag von Dan Crawford

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Dan(iel) Crawford (1869–1926)

Eigentlich sollte dies ein Post zum 150. Geburtstag des schottischen Afrikamissionars Dan(iel) Crawford werden, aber bei der Vorbereitung stieß ich zu meinem Erstaunen auf die Tatsache, dass sein Geburtsjahr fast überall falsch angegeben wird: Sowohl die englische Wikipedia als auch das Dictionary of African Christian Biography als auch das Christian Brethren Archive als auch die Website Missiology.co.uk nennen 1870, aber tatsächlich wurde Crawford bereits am 7. Dezember 1869, also heute vor 151 Jahren, geboren. Das belegen seine Geburtsurkunde, von der mir eine Kopie zugesandt wurde, sowie der Eintrag in der Datenbank Scotland Births and Baptisms, 1564–1950. Auch Henry Pickerings Chief Men among the Brethren, dessen Daten sonst nicht immer zu trauen ist, liefert hier die richtige Jahreszahl.

Crawford wurde besonders durch seinen Buchtitel Thinking Black bekannt, der prägnant zusammenfasst, was die Grundlage seiner Missionsarbeit in Afrika war. J. Keir Howard schreibt dazu im oben verlinkten Artikel aus dem Dictionary of African Christian Biography:

In many ways he was far ahead of his time, as his books (Thinking Black and Back to the Long Grass) show very clearly. His approach to others was summed up in his words, “I am de-nationalized – a brother to all men; Arab, African, Mongol, Aryan, Jew; seeing in the Incarnation a link that binds us up with all men”. This attitude led him to an identification with the Africans and their culture that was not generally welcomed by his European associates at the time […].

Über Crawfords Leben liegen online bereits genügend Darstellungen vor (s.o.), sodass ich hier auf eine eigene Skizze verzichte. Stattdessen gebe ich drei Zeitungssausschnitte zu seinem Tod wieder, die ich bei meinen Recherchen im British Newspaper Archive fand:

1926-06-10 Evening Telegraph and Post, Dundee 6 (Crawford)
Evening Telegraph and Post, Dundee, 10. Juni 1926, S. 6
1926-06-11 Evening Telegraph and Post, Dundee 2 Here and There (Crawford)
Evening Telegraph and Post, Dundee, 11. Juni 1926, S. 2
1926-06-23 The Western Morning News 9 The Free Church Outlook (Crawford)
The Western Morning News, Plymouth, 23. Juni 1926, S. 9

150. Todestag von Christopher James Davis

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Christopher James Davis (1842–1870)

Christopher James Davis, dessen Todestag sich heute zum 150. Mal jährt, stellt in mehrerer Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung unter den (Geschlossenen) „Brüdern“ des 19. Jahrhunderts dar: Zum einen war er wohl der einzige prominente Schwarze unter ihnen, zum anderen war er mindestens ebenso sehr für sein humanitäres Engagement bekannt wie für sein geistliches.

Leben

Geboren am 23. April 1842 in Barbados als Sohn eines britischen Vaters und einer barbadischen Mutter, erlernte Davis zunächst den Lehrerberuf und war daneben als methodistischer Laienprediger aktiv. Bald schloss er sich jedoch den „Brüdern“ an. 1866 ging er nach London, um Medizin zu studieren; im April 1870 erwarb er in Aberdeen den Grad eines Bachelor of Medicine (M.B.).1 Nach einigen Monaten ärztlicher Tätigkeit im St Bartholomew’s Hospital in London sah er sich im September 1870 berufen, verwundete Soldaten im Deutsch-Französischen Krieg zu versorgen und die Einrichtung von Suppenküchen zu unterstützen. Bei diesem aufopferungsvollen Dienst infizierte er sich mit den Pocken und verstarb innerhalb weniger Tage am 27. November 1870 in Pont Maugis, erst 28 Jahre alt.

Sein Tod fand in der Presse breite Aufmerksamkeit. The Daily News brachte am 5. Dezember 1870 einen ausführlichen Nachruf von W. H. Bullock, der in mehreren anderen Zeitungen (auszugsweise) nachgedruckt wurde,2 und am folgenden Tag einen weiteren Bericht über seine Arbeit. Das medizinische Fachblatt The Lancet veröffentlichte am 10. Dezember einen kürzeren Artikel mit dem Titel „Le Bon Docteur Noir“, der ebenfalls in mehrere Zeitungen Eingang fand.3 Interessant ist die folgende Charakterisierung Davis’ aus dem Aberdeen Journal vom 14. Dezember 1870 (Hervorhebung hinzugefügt):

As is known to many of our readers, Dr Davis was a blythe, handsome-looking man, with exceedingly frank and affable manners. He possessed considerable ability, and graduated at the University here in the spring at the present year. He was perhaps best known in this quarter in connection with his evangelical meetings, and his able advocacy of the doctrines of Plymouthism. He took a very earnest and active interest in the welfare of the poor and degraded classes, during the time of his residence here as a medical student, and we know from thoroughly impartial testimony, was the means of doing a great deal of good. He did all this without in the slightest manner obtruding himself upon the notice of the public, and more than one good deed, which deserves to be proclaimed, was kept secret at his own express desire.

The Dundee Courier & Argus druckte am 15. Dezember 1870 Auszüge aus einem Brief ab, den Richard Chrimes, Organisator der finanziellen Unterstützung von Davis’ Arbeit in Frankreich, an die Spender geschickt hatte. Er schilderte darin die letzten Tage des Verstorbenen sowie seine Beisetzung am 29. November auf dem protestantischen Friedhof von Sedan, bei der – sicher ungewöhnlich für die Beerdigung eines Geschlossenen Bruders – drei Pastoren sprachen (darunter auch ein Deutscher).

Auch christliche Zeitschriften begannen sich nun für Davis zu interessieren. Im Mai 1871 machten mehrere englische Zeitungen auf eine Kurzbiografie in The Sunday at Home aufmerksam,4 und wenige Monate später erschien im Baseler Evangelischen Missions-Magazin (herausgegeben von Hermann Gundert) einer der ersten deutschsprachigen Artikel über Davis – unter dem nun geradezu sprichwörtlich werdenden Titel „Der gute schwarze Doktor“, der ihm in Frankreich beigelegt worden war. Dieses Lebensbild habe ich bereits 2017 auf bruederbewegung.de wiederveröffentlicht.

An weiteren online zugänglichen Informationsquellen über Davis sind u.a. zu nennen:

Schriften und Vorträge

In seinem kurzen Leben veröffentlichte Davis mehrere Broschüren und Bücher, die auf der Website STEM Publishing größtenteils digital verfügbar sind. Als Beispiele für seinen evangelistischen Verkündigungsdienst mögen hier einige Zeitungsausschnitte dienen:

1869-03-27 Berkshire Chronicle 5
Berkshire Chronicle, 27. März 1869, S. 5
1869-03-27 Reading Mercury 3
Reading Mercury, 27. März 1869, S. 3
1869-04-03 Reading Mercury 5
Reading Mercury, 3. April 1869, S. 5
1869-04-22 The Glasgow Herald 8
The Glasgow Herald, 22. April 1869, S. 8
1870-04-23 The Sheffield & Rotherham Independent 1
The Sheffield & Rotherham Independent, 23. April 1870, S. 1

Kritik

Dass Davis’ humanitäres Engagement in den Kreisen der Geschlossenen Brüder durchaus nicht auf ungeteilte Zustimmung stieß, berichtet Neatby in seiner History of the Plymouth Brethren (Hervorhebung hinzugefügt):

[Darby] once overheard a company of them discussing the recent death of Dr. Davis – a young coloured man, known as “the good black doctor,” who after qualifying in London as a surgeon lost his life from small-pox while attending on the wounded in the Franco-Prussian war. The work for which he laid down his life was deemed a sadly worldly piece of philanthropy by the zealots of Darbyism, and the group was actually discussing whether it were not by a judgment mingled with mercy that the young surgeon had been called hence. Darby broke in on the debate with an impatient, “Well, well, God has accepted his service and taken him home”.5

William Kelly war in diesem Punkt derselben Ansicht wie Darby:

I heard Dr. D[avis] censured (by the S[toney?] following in general) for going on behalf of the sick and of souls to Sedan. This I never did and I did not think it was for me, or for them, to judge.6


200. Geburtstag von Charles Henry Mackintosh

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Charles Henry Mackintosh (1820–1896)

In diesem Monat wäre Charles Henry Mackintosh, einer der bekanntesten Geschlossenen Brüder des 19. Jahrhunderts, 200 Jahre alt geworden. Leider ist sein genaues Geburtsdatum (ebenso wie das seines sieben Monate jüngeren Landsmanns William Kelly) nicht bekannt und auch von seinem Biografen Edwin Cross nicht ermittelt worden – vielleicht weil die betreffenden Kirchenbücher bei der Zerstörung des Public Record Office im Irischen Bürgerkrieg (1922) verloren gingen?1

Leben

Über Mackintoshs Leben sind bereits etliche Darstellungen online verfügbar:

Ich begnüge mich deshalb hier mit einer Übersetzung des knappen Artikels von Edward Elihu Whitfield aus The New Schaff-Herzog Encyclopedia of Religious Knowledge (Bd. 7, 1910):

MACKINTOSH, CHARLES HENRY: Plymouth-Bruder; * 1820 in der Grafschaft Wicklow, Irland; † 2. November 1896 in Cheltenham (7 Meilen nordöstlich von Gloucester). Er war einige Jahre Lehrer in Westport, Grafschaft Mayo, Irland. Den größten Teil seines Lebens widmete er sich jedoch der Evangelisation, dem Hirtendienst, dem religiösen Journalismus (als Herausgeber der Monatszeitschrift Things New and Old) und der religiösen Literatur. Er war der Autor der Gedanken zu den fünf Büchern Mose, die sich großer Beliebtheit erfreuten und besonders in den Vereinigten Staaten in enormer Zahl verkauft wurden, sodass die Initialen „C.H.M.“, unter denen sie erschienen, vielen vertraut waren – der Name, für den sie standen, aber wahrscheinlich nicht. Mr Gladstone lobte seinen englischen Stil; Spurgeon lobte die Gedanken, insbesondere den Band über das 2. Buch Mose, auch wenn er mit ihrem „Darbysmus“ nicht einverstanden war.

Darby über Mackintosh

Einige interessante Hinweise auf Mackintosh sind in John Nelson Darbys Briefwechsel mit George Vicesimus Wigram zu finden, der letztes Jahr erstmals im Druck erschien2 (die Originale werden im Christian Brethren Archive in Manchester aufbewahrt). Am 8. Mai 1854 schrieb Darby an Wigram:

There is blessing in Ireland, and Macintosh active.3

Im August 1854 leitete Darby eine Anfrage Mackintoshs an Wigram weiter:

Macintosh desires to know the best elementary books to learn Hebrew. I thought you would know them better than me, so I write to you […].4

Mitte Dezember desselben Jahres wusste Wigram zu berichten:

McIntosh is supplying for Miller, who is in Scotland for 10 days, & is lecturing round London meeting rooms.5

Anfang Dezember 1857 hatte Darby von Mackintoshs geplanter neuer Zeitschrift Things New and Old gehört und schrieb darüber aus Gebweiler (Elsass) an Wigram:

I hear you are to have a new periodical by Mackintosh. lt is all well if there are not too many, that makes four. They may reach different classes, and if so it will be a most happy result.6

Im Januar 1862 wurden Mackintoshs Notes on Leviticus in der Zeitschrift The Quarterly Journal of Prophecy attackiert; Darby äußerte sich dazu im Juli wie folgt:

I have no doubt Macintosh has expressed himself unguardedly in his expressions, but the accusing him of denying the true humanity of Christ is simple unrighteousness: he is just as plain and clear as any of us on it. The poor Church people glutton in what attacks brethren and feed on ordure: I am sorry for it but how can one help it? That is all the feeling I have about it. lt is a very bad sign for them.7

1863 kam es erneut zu Angriffen auf Mackintosh; Darby schrieb Mitte August aus Kanada:

I judge Macintosh has been very rash in some of his papers which I had never seen or heard of before, and then words used against it which could also be attacked, as all human language can on such subjects. […] still certainly Macintosh has given occasion, by strong statements on it, to this spirit which has arisen, tho’ that be not the origin.8

1865 fühlte sich schließlich sogar Darby gedrängt, öffentlich gegen eine Schrift Mackintoshs (über Buße) Stellung zu beziehen.9 Er sandte einen entsprechenden Artikel an Wigram für dessen Zeitschrift The Present Testimony, doch Wigram lehnte ab: Für kontroverse Veröffentlichungen dieser Art sei die Zeitschrift nicht gedacht.10 Darbys Kritik wurde Mackintosh jedoch privat zugeschickt, und er nahm sie sofort demütig an.11 In welche Richtung die Kritik ging, wird aus einem Brief Darbys an Wigram von Ende Juni 1865 deutlich:

The last thing I should desire would be to pain dear Macintosh. But the system is one of great importance. What I fear is superficiality and jumping into peace, the conscience unreached. Previous inward work hinders this in Macintosh & others like him, but this is not so with those who receive the doctrine.12

Todesanzeige

Mackintoshs Todesnotiz in der Gloucestershire Chronicle fiel kurz und bündig aus:

1896-11-07 Gloucestershire Chronicle 4 (Mackintosh)
Gloucestershire Chronicle, 7. November 1896, S. 4

150. Geburtstag von Christian Schatz

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Christian Schatz (1869–1947)

Von den meisten Pionieren der deutschen Offenen Brüder liegen bislang keine umfangreicheren Lebensbilder vor; auch Christian Schatz bildet da keine Ausnahme. Anlässlich seines heutigen 150. Geburtstages möchte ich hier wenigstens drei kurze Skizzen veröffentlichen, die sonst noch nicht online zugänglich sind.

Ich beginne mit einem Blatt aus einer als Typoskript überlieferten Chronik der Familien Brackelsberg/Braselmann aus Ennepetal-Milspe:1

In Urach im schönen Württemberg ist Christian Schatz am 6. Oktober 1869 geboren. Er heiratete Anna Osthoff, die ihm aber keine Kinder schenkte.

Christian war Lehrer an einer Mittelschule, trat aber mit etwa 22 Jahren aus der Kirche aus, um einer von Darby gegründeten freikirchlichen Gemeinschaft angehören zu können. Deshalb musste er auch seinen Beruf aufgeben, und so kam er nach Wuppertal-Barmen zu einem Orgelbauer. Später war er Hauslehrer bei Julius und Daniel Brackelsberg und Carl Osthoff, dessen Tochter er ehelichte. Nachdem er zwei Jahre als Soldat in Metz gedient hatte, heiratete er 1893.2

Später war Christian Hausverwalter der Familie Menzel in Düsseldorf, dann Kaufmann in einer Giesserei in Altenvoerde. Nach dem Konkurs dieser Fabrik wurde er Metallwarenvertreter in Bad Homburg.

Christian Schatz war ein sehr ernster Christ, dabei auch in der biblischen Auslegung sehr bewandert. Das zeigt auch, dass er Mitbegründer der „Offenen Brüder“ geworden ist. Nebenbei schriftstellerte er auch.

Am 1. Januar 1947 hauchte Schatz sein vielbewegtes Leben aus. Er starb an Altersschwäche aufgrund der schlechten Ernährungslage in damaliger Zeit. Sein Sterbeort ist Bad Homburg.

Interessant ist hier u.a. die Information, dass Schatz erst mit ca. 22 Jahren zu den „Brüdern“ kam, also etwa 1891/92. Um diese Zeit fanden auf dem europäischen Kontinent gerade die Auseinandersetzungen über die Lehren F. E. Ravens statt. Möglicherweise gehörte Schatz also nie den „Elberfelder Brüdern“ an, sondern trat gleich den Raven-Brüdern bei, deren Zeitschrift Worte der Gnade und Wahrheit er von 1897 bis 1900 in Altenvoerde herausgab (nachdem sich der erste Herausgeber, Max Springer, den Offenen Brüdern zugewandt hatte).

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Ausflug auf die Saalburg anlässlich der Bad Homburger Osterkonferenz 1927; Christian Schatz in der hinteren Reihe rechts

Die zweite Skizze stammt aus der Festschrift zum 60-jährigen Bestehen der Offenen Brüdergemeinde Bad Homburg, die in Schatz’ Todesjahr 1947 erschien. Auf deren Seite 12 heißt es zunächst knapp:

Vom Jahre 1917 an nahm Bruder Schatz, der inzwischen nach Homburg übergesiedelt war, regen Anteil an dem Dienst in der Gemeinde.3

Sechs Seiten weiter wird ausführlicher berichtet:

Am 1. 1. 47 ging Bruder Schatz im Alter von 77 Jahren nach längerer Krankheit heim. Drei Tage vor seinem Tode sang ihm der Gemischte Chor einige Lieder zur Ermunterung, die ihn auch sichtlich erfreuten. Ein arbeitsreiches Leben fand damit seinen Abschluß. Bruder Schatz war durch seine umfassende Schriftkenntnis und seine eiserne Energie über den Rahmen der örtlichen Gemeinde hinaus bekannt und bemühte sich unablässig für das Werk des Herrn, besonders auch für die Brüder in der Mission. Obwohl er selbst kinderlos war, so hatte er doch stets ein warmes Empfinden für die Jugend.

Bei der Vereinigung der verschiedenen Gemeindegruppen war er mithelfend tätig und freute sich, als diese Bemühungen zum Erfolg führten.

Bruder Schatz mußte im November 1945 seine Tätigkeit als Gemeindeleiter krankheitshalber aufgeben. Bruder Friedrich Adolf Zeuner wurde in einer Gemeindeversammlung als Nachfolger gewählt und dient seitdem unserer Gemeinde als Gemeindeleiter in vorbildlicher Treue. Bruder Friedrich Kleemann steht ihm als Stellvertreter zur Seite.4

Mit der „Vereinigung der verschiedenen Gemeindegruppen“ ist natürlich der Beitritt der Offenen Brüder zum BfC (1937) und der Zusammenschluss des BfC mit den Baptisten (1941/42) gemeint. Dass Schatz sich über den letzteren durchaus nicht ganz ungeteilt „freute“, verrät die Festschrift zum 100-jährigen Bestehen der Bad Homburger Gemeinde (1987):

Der gebürtige Württemberger war Lehrer, mußte jedoch diesen Beruf aufgeben, weil er sich der „Christlichen Versammlung“ angeschlossen hatte. Als Privatlehrer in Wuppertal hielt er Kontakt zu den Versammlungen am Ort. 1917 zog er nach Bad Homburg und arbeitete als Industriekaufmann. In die Arbeit der Gemeinde brachte er seine reichen Gaben ein und wurde zu einem der führenden Männer unter den „Offenen Brüdern“ in Deutschland. Zusammen mit Joh. Warns von der Bibelschule in Wiedenest gab er die Zeitschrift „Saat und Ernte“ im Verlag Zeuner heraus. Er war ab 1937 ein überzeugter Förderer des Zusammenschlusses mit den sogenannten „Elberfeldern“, der darbystischen Gruppe unter den Versammlungen. Den Zusammenschluß mit dem Bund der Baptistengemeinden in Deutschland im Jahre 1942 vollzog er zunächst zögernd, dann – um der Einheit der Gemeinde willen – bewußt mit.5

Von Christian Schatz’ Veröffentlichungen hat bruederbewegung.de bisher vier zugänglich gemacht:


200. Geburtstag von Wilhelm Brockhaus

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Wilhelm Brockhaus (1819–1888)

Heute vor 200 Jahren wurde Peter Friedrich Wilhelm Brockhaus, einer der bekanntesten deutschen „Brüder“ der ersten Generation, in Himmelmert bei Plettenberg geboren. Anstelle eines vollständigen Lebensbildes verweise ich hier auf den Wikipedia-Artikel, den ich 2007 über ihn verfasst und heute noch einmal ergänzt habe.

Der Schriftsteller

Anders als bei seinem jüngeren Bruder Carl, mit dem gemeinsam er Ende 1852 den Evangelischen Brüderverein verließ, spielte sich ein großer Teil von Wilhelm Brockhaus’ Wirken auch danach noch außerhalb der Brüderbewegung ab. Er blieb nämlich bis zu seinem Lebensende Schriftleiter des Kinderboten, der Zeitschrift des Elberfelder Erziehungsvereins, und veröffentlichte außerdem in dessen Reihe Saat und Ernte mindestens 15 historische Romane „für die reifere Jugend und ihre Freunde“. Einer davon, Der Burgvogt oder: Feurige Kohlen. Eine Erzählung aus den Zeiten des deutschen Bauernkrieges (ca. 18701), ist als Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek auch online zugänglich.

Die Bände beginnen in der Regel mit einer ausführlichen historischen Einleitung, die beachtliche Kenntnisse verrät und oft durchaus hohe Ansprüche an die jugendlichen Leser stellt. Über Brockhaus’ Arbeitsweise schreibt der FeG-Historiker Gustav Ischebeck (1863–1937):

Dieser Bruder war, so berichtete man uns, auf seinen vielen Reisen meist in seinem schriftstellerischen Geiste so Aug’ und Ohr, daß er anderes ganz vergaß. Wo er auch las, sah, hörte, erzählte oder sich erzählen ließ, war er gebannt und sammelte er. Dabei soll er vielerorten von seinen Reisestücken dies und das so völlig vergessen haben, daß man erst im Familienkreise hernach das Fehlen merkte. Gott segnete seinen Sammelfleiß, der mit einer schönen schriftstellerischen Gabe vereint war. Er hat mit seinem Pfunde treu gedienet!2

Der Elberfelder Erziehungsverein warb mit folgenden Worten für seinen Autor:

Es dürfte für die Jugend kaum etwas Schöneres, Fesselnderes und Gediegeneres geben, wie [sic] diese positiv christlichen Erzählungen, die auch für Jugend-, Jünglings-Vereins- und Volksbibliotheken sehr begehrt sind.3

Aus heutiger Sicht wirkt Brockhaus’ Erzählstil oft etwas pathetisch, wenn nicht prätentiös; ein Romananfang wie etwa der von Der Vater Tim (1862) würde heute wohl nur noch wenige Leser zum Weiterlesen anregen (schon gar keine Jugendlichen):

Wenn man von La Rochelle in Frankreich, der Küste des Ozeans entlang, weiter nach Süden wandert, so genießt das Auge auf beiden Seiten den wunderlieblichsten Anblick. Unter betäubendem Getöse und mit stürmisch wildem Drängen wälzen sich die Schaumwellen der nahen Brandung gegen das felsige Gestade, als ob sie es zu zersprengen und sich einen Durchgang zu brechen gedächten; und während das Auge vergeblich in der ungewissen Ferne einen Rahmen grünender Hügel sucht, der die unruhig wogende Wassermasse zu einem bestimmten Ganzen umschließe, gewahrt man nur hie und da ein schwankendes Fahrzeug, das, einem riesigen Seevogel gleich, der Tiefe zu entsteigen und sich in den Fluten zu schaukeln scheint.4

Der Komponist

Stärker gegenwärtig ist Wilhelm Brockhaus noch als Komponist, denn mindestens 12, möglicherweise sogar 22 Melodien der Kleinen Sammlung Geistlicher Lieder stammen von ihm. Gesichert erscheint seine Urheberschaft an folgenden Kompositionen:5

  • 12 (O Herr, mein Hirt) = 68 (Weit vorgerückt)
  • 16 (Es kennt der Herr die Seinen) = 28 (O Jesu, treuer Hirte)
  • 25 (O Gott, an Deiner Gnade) = 51 (Herr, lenke unsre Herzen) = 63 (Du brachst des Todes Bande)
  • 43 (Nichts, o Jesu, finde ich hienieden)
  • 66 (Du bist, o Herr, gegangen) = 86 (O Vater, reich gesegnet)
  • 76 (Ich walle in der Fremde)
  • 78 (Auf dem Lamm ruht meine Seele) = 122 (Gott, Dich würdig zu verehren)
  • 96 (Still’, o Jesu, das Verlangen) = 123 (Nur bei Jesu möcht’ ich weilen)
  • 97 (Du, o Herr, bist unser Leben) = 113 (Lieblich ist’s, bei Dir zu wohnen)
  • 102 (Dank, Anbetung sei geweihet) = 118 (Süßer Trost! der Herr wird kommen)
  • 103 (Alles sei Dir übergeben) = 114 (Guter Hirte! welch Erbarmen)
  • 110 (Bilde unsre Herzen)

Bei nachstehenden Melodien, die ihm traditionell ebenfalls zugeschrieben werden, setzt die aktuelle Ausgabe der Kleinen Sammlung Geistlicher Lieder ein Fragezeichen hinter seinen Namen:

  • 6 (Du, Herr, hast unsre Schuld gesühnt)
  • 13 (Wo ist ein Vater, Gott, wie Du)
  • 19 (Jesu Du, Jesu Du!)
  • 44 (Ich sehne mich nach Dir)
  • 49 (Durch eine Wüst’ ich reise)
  • 53 (O lasset uns lobsingen ) = 77 (Herr Jesu Christ, mein Leben)
  • 82 (Jesu, Quelle unsrer Freuden)
  • 85 (Dein Erlösungswerk auf Erden)
  • 89 (Wer findet Worte, Dir zu danken) = 99 (Was sichtbar, zeitlich ist auf Erden) = 117 (Von Deiner Gnade will ich singen)
  • 108 (Freudig ziehen, voll Verlangen) = 116 (Nicht mehr lange – sel’ge Worte)

Zu fünf Liedern verfasste Wilhelm Brockhaus den Text:

Drei, wenn nicht vier Lieder können also – von möglichen herausgeberischen Eingriffen seines Bruders Carl abgesehen – vollständig als Schöpfungen Wilhelm Brockhaus’ gelten: die Nummern 113, 114, 118 und ggf. 99.


200. Geburtstag von Michael Laseron

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Michael Laseron (1819–1894)

Der Name des heutigen Jubilars wurde von Massimo Introvigne für sein Buch The Plymouth Brethren (2018) ausgegraben.1 Um nachzuweisen, dass die „Brüder“ von Anfang an karitativ tätig gewesen seien, führt er eine Reihe von Beispielen aus dem 19. Jahrhundert an – neben Lady Powerscourt und John Blackmore eben auch Michael Laseron (aber erstaunlicherweise nicht Georg Müller). Introvigne schreibt:2

Dr Michael Laseron, a converted Jew from Germany who later joined the so-called ‘Open’ Brethren, after having been active in charitable relief work during the Franco-Prussian War, led a team of his nurses to Serbia during the Turkish-Serbian conflict of 1876. There, he attracted some criticism for his even-handed approach to the wounded of both sides, as some felt he should not have helped injured Turks too. Later, he founded a hospital and an orphanage in London.5

5. See Brian Best and Katie Stossel, Sister Janet: Nurse and Heroine of the Anglo-Zulu War 1879, ed. Adrian Greaves (Barnsley, South Yorkshire: Pen & Sword Military, 2006), 42–45.

Über Michael Maximilian August Heinrich Laseron – so sein vollständiger Name – liegen einige historische Lebensbilder vor; das informativste von ihnen, einen Auszug aus John Dunlops Memories of Gospel Triumphs among the Jews during the Victorian Era (1894), habe ich aus Anlass seines 200. Geburtstages auf bruederbewegung.de wiederveröffentlicht. Dass Laseron den Offenen Brüdern angehörte, wird darin zwar nicht ausdrücklich erwähnt, lässt sich aber der Tatsache entnehmen, dass seine Beerdigungsfeier in der Clapton Hall stattfand und die Offenen Brüder John Galway M‘Vicker und Charles Russell Hurditch die Traueransprachen hielten. Auch die beiden von Introvigne berichteten Kriegsepisoden fehlen bei Dunlop; der Schwerpunkt liegt hier eher auf Laserons Armen-, Waisen- und Diakonissenarbeit (die er übrigens nicht erst nach 1876 begann, wie Introvigne behauptet, sondern bereits in den 1850er Jahren).3

Eine Kurzbiografie Laserons findet sich auch auf der Website Who Has Believed.

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Eintrag Laserons im National Probate Calendar 1894

200. Geburtstag von William Collingwood

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William Collingwood (1819–1903)

Besuchern der Website bruederbewegung.de ist der Name William Collingwood bestens bekannt: Seine Broschüre The Brethren: A Historical Sketch (1899), eine wichtige Darlegung des „offenen“ Standpunkts, gehört bereits seit dem ersten Tag zu unserem Download-Angebot (im „Brethren Archive“ gibt es inzwischen auch ein Faksimile des Originals).1 Größere Werke scheint Collingwood nicht publiziert zu haben (das CBA nennt nur noch das Büchlein Man’s Future, in God’s Word [1871] und zwei Separatdrucke von Zeitschriftenaufsätzen); sein Schwerpunkt lag auf einem anderen – und für „Brüder“-Kreise eher ungewöhnlichen – Gebiet: Er war Künstler, vor allem Aquarellmaler. Als solcher genießt er auch in säkularen Kreisen noch eine gewisse Bekanntheit; so ist ihm und drei weiteren Künstlern aus seiner Verwandtschaft die Website Collingwood Art gewidmet, auf der sich u.a. ein Lebensbild und auch einige Gemälde von ihm befinden.

Leben

Anstelle einer eigenen biografischen Skizze zitiere ich hier den von Roy Coad verfassten Artikel aus dem Blackwell Dictionary of Evangelical Biography:

Collingwood, William (b. Greenwich, London, 23 April 1819; d. Bristol, England, 25 June 1903). Watercolourist and Brethren leader. Grandson of Samuel2, printer to Oxford University. Collingwood was educated privately and at the Cathedral School, Oxford. He specialized in ‘baronial interiors’ and in landscape (especially mountain scenery, his chief love). In 1839 he settled in Liverpool, where he became a member of the academy, and was elected to the Royal Society of Painters in Watercolours in 1855. In 1844 he started a Brethren congregation, later building them a hall, and leading them for forty years. A close friend of George Müller, he moved to Bristol in 1890, becoming a member of the Bristol Academy. He was a friend of John Ruskin, his son being Ruskin’s private secretary and biographer; his grandson was R. G. Collingwood, the Oxford philosopher and archaeologist.3

Einige weitere Einzelheiten aus Collingwoods Leben überliefert das anonyme Kapitel über ihn in Henry Pickerings Chief Men among the Brethren. Erwähnenswert ist, dass er mit einer deutschsprachigen Schweizerin verheiratet war, nämlich mit Marie Elisabeth Imhoff (* 11. Juni 1826; † 16. Mai 18734), der Tochter eines Notars aus Arbon am Bodensee (Thurgau). Sie hatten die drei Kinder William Gershom (1854–1932), Sophia Ruth (1856–1937) und David (1858–1899).5

Nachruf

Collingwoods Tod im Jahr 1903 fand in den Zeitungen erstaunlich wenig Beachtung. Ich gebe hier einen (leider schwer lesbaren) Nachruf aus der Yorkshire Post wieder:

1903-07-03 The Yorkshire Post 8 Obituary (Collingwood)
The Yorkshire Post, 3. Juli 1903, S. 8

150. Todestag von Friedrich Bialloblotzky

railtonÜber das wechselvolle Leben des heutigen Jubilars liegt seit 2002 eine wissenschaftliche Monografie vor,1 in der seine kurze Verbindung mit den „Brüdern“ allerdings nicht erwähnt wird. Noel nennt ihn einen „Polish Rabbi“2 (was Rowdon und Ouweneel übernehmen3), aber tatsächlich war Christoph Heinrich Friedrich Bialloblotzky weder Pole noch Rabbiner: Seine Familie hatte zwar ursprünglich polnische Wurzeln, lebte aber bereits seit Generationen in Deutschland und war protestantisch.4

Zur groben Orientierung fasse ich Bialloblotzkys Leben zunächst in einer Zeittafel zusammen (mehr Einzelheiten und ein Publikationsverzeichnis bietet der Artikel im BBKL):

  • 9. April 1799: Geburt Bialloblotzkys in Pattensen bei Hannover als Sohn eines lutherischen Superintendenten
  • 1818–22 Theologiestudium in Göttingen; Kontakte mit erweckten Kreisen
  • ab 1824 Privatdozent an der Universität Göttingen und Hilfsgeistlicher an St. Jacobi
  • 1825 erste Reise nach England; Kontakte mit Freikirchlern wie Robert Haldane, James Alexander Haldane und Henry Drummond
  • ab 1826 – parallel zu den beiden Anstellungen in Göttingen – Agent der Wesleyan Methodist Missionary Society
  • Konflikte mit rationalistischen Theologen und Kirchenleitern
  • 1827 Abberufung von beiden Göttinger Stellen, danach erneuter Englandaufenthalt
  • 1828–31 Missionar der Wesleyan Methodist Missionary Society in Zakynthos (Griechenland) und Alexandria (Ägypten)
  • ab 1831 Leiter der Hebrew Institution in Camden Town (London)
  • 1833–43 Mitarbeit an der Englishman’s Hebrew and Chaldee Concordance to the Old Testament von George Vicesimus Wigram
  • ab 1836 mehrere Teilzeitstellen als Sprachlehrer (Hebräisch, Deutsch, Griechisch, Latein), u.a. an der Forest Proprietary Grammar School, an der City of London Corporation School und am Cheshunt College
  • 1837 erfolglose Bewerbung um eine Professur für Deutsch am University College London
  • 1848–49 Expeditionsreise zur Erforschung der Nilquellen; Abbruch aus finanziellen Gründen in Sansibar
  • danach mehrere Jahre ungeklärter Verbleib
  • ab 1854 wieder zeitweise Privatdozent an der Universität Göttingen
  • 28. März 1869 (heute vor 150 Jahren): Tod Bialloblotzkys im Haus seiner Schwester Marie in Ahlden an der Aller

Bialloblotzky und die „Brüder“

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Titelblatt der Kondordanz (1843)

Welcher Art und wie eng Bialloblotzkys Beziehungen zu den „Brüdern“ waren, liegt bisher noch weitgehend im Dunkeln. George Wigram, an dessen Hebräisch-Konkordanz Bialloblotzky offenbar maßgeblichen Anteil hatte5 (Noel nennt ihn „the principal Editor“6), wird in Railtons 250-seitiger Monografie nur zweimal nebenbei erwähnt;7 ein Zusammenstoß zwischen Bialloblotzky und Benjamin Wills Newton in den Anfangstagen der Londoner „Brüder“-Versammlung fehlt bei Railton ganz. Newton erzählt diesen Vorfall in seinen Erinnerungen dreimal; da diese Textstellen bisher noch nie vollständig zitiert worden zu sein scheinen, gebe ich sie hier in ganzer Länge wieder:

I was at the first meeting of Brethren in London. The diversity at Plymouth ultimately caused Wigram to leave and go to London. I happened to be near London when he had arranged his first meeting; and he sent his man-servant with his gig begging me to come & take charge of the meeting as he was taken suddenly ill. – I couldn’t go & see him in his bed, so I concluded the order was the same as we were accustomed to in Plymouth. It was in a private room near Regent Square and about 15 people, I suppose were present. As I had no instructions about procedure, I began the Meeting and soon after the commencement a gentleman came in with books. He was a Professor at University, Bialloblowski. After I had done, he rose & said that what we came for was discussion: we all differed, & the need was that we should investigate what truth was, by discussing it. I rose and said that I didn’t know what Mr. Wigram had arranged, but I could not accept that idea for a moment. Then I explained what my principles as to teaching were. –

He burst out with “Oh, those are your notions, are they? They are not mine. Then I’ll have nothing to do with it” And he left in anger: his wife went into hysteries. – A fine confusion.8

Der zweite Bericht ist in der 3. Person verfasst, stammt also offenbar von Newtons Protokollanten Frederick William Wyatt:

Wigram meanwhile had left for London and BWN saw nothing of the London meetings till 1833, when, being there, Wigram asked him to take some meeting in Titchfield Street as he himself was ill. – So N went, alone, and knowing no one. – He found that the meetings there had only just been started – in fact this was but the second sunday. – He took his seat and conducted the meeting as was usual in Devonshire but a gentleman who had come with Lexicon & Concordance protested against the monopoly. – He said it was not a teaching meeting but a searching or Berean meeting; & on BWN affirming that he was there as representing the principles that he believed Wigram held, the other gathered up his books & left.9

Zeigen sich schon hier leichte Abweichungen im Detail, so ist dies im dritten Bericht noch stärker der Fall:

Wigram asked me up to his meeting in London. [I think BWN said Wigram was ill & wrote for him to come. Ø] I went. –

Somebody rose & spoke first, & said “Ye may all prophesy one by one – etc.” and so on. – I rose afterward and said that this was entirely different from what I had understood, & from what Mr. Wigram had approved at Plymouth. – Also that the passage meant that prophets might all prophesy, but of course nobody but a prophet could do so. –

I had noticed a gentleman & lady come in with several big books (Lexicon & Concordance they were) which he placed on the table. His name was Bialloblotsky I found. He rose in a very excited manner, when I was saying that, & gathered up his books  & left. – His wife fainted & it made quite a little upset. – He was a professor of Languages in London.10

Da diese Erinnerungen Jahrzehnte nach den Ereignissen aufgezeichnet wurden, ist es nicht verwunderlich, dass sich leichte Abweichungen und auch Fehler eingeschlichen haben. Die Jahreszahl 1833 beispielsweise kann nicht stimmen, da Bialloblotzky in diesem Jahr noch gar nicht verheiratet war; erst am 5. April 1834 schloss er eine Ehe mit der Engländerin Sarah Maria Batley (1802–1866).11 Mithin ist auch fraglich, ob es sich wirklich um die erste oder zweite Zusammenkunft Wigrams in London gehandelt haben kann (vielleicht nur in diesem Raum?). Bialloblotzky war ferner kein „Professor at University“, sondern scheint von der University of London lediglich zeitweise als externer Prüfer für Deutsch herangezogen worden zu sein.12 Dennoch sind die Grundzüge des Vorfalls deutlich genug erkennbar, und es besteht kein Grund, an seiner Historizität zu zweifeln.

Ob Bialloblotzky später noch einmal einen Versuch gemacht hat, an den Zusammenkünften der „Brüder“ teilzunehmen, oder ob sich seine Beziehung zu ihnen von nun an auf die Mitarbeit an Wigrams Konkordanz beschränkte, ist unbekannt.

Anhang: Bialloblotzkys Ehe

Bialloblotzkys Auseinandersetzung mit Newton deutet auf ein reizbares, ungestümes Temperament hin, und tatsächlich finden sich dafür in seiner Biografie noch weitere Beispiele. Das gravierendste ereignete sich 1848 und war der Grund für den wohl größten Bruch in Bialloblotzkys Leben – die unvermittelte Abreise in Richtung Nilquellen, die keinerlei Bezug zu seinen vorherigen Tätigkeiten und Interessen erkennen lässt.

Was war geschehen? Die Leser der Londoner Evening Mail erfuhren es am 16. Juni 1848:

1848-06-16 Evening Mail, London 3 (Bialloblotzky divorce)
Evening Mail, 16. Juni 1848, S. 3

Schuldig geschieden wegen häuslicher Gewalt – damit hatte sich Bialloblotzky jede berufliche Perspektive in England verbaut.13 Er kehrte ins heimatliche Pattensen zurück und brach noch im selben Jahr in Richtung Afrika auf, finanziell unterstützt von seinem englischen Freund Charles Tilstone Beke. Ob er seine Frau je wiedergesehen hat, ist nicht bekannt; sie starb drei Jahre vor ihm, am 24. Juli 1866, in Shere (Surrey) südwestlich von London.

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Einträge im National Probate Calendar 1872